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Streichquartette im Vordergrund

Untertitel
Schönheit und Expressivität der melodischen Linie
Vorspann / Teaser

Die aufgeführten acht Werke des 1. Konzerts des Wolfenbüttler Komponisten Rainer Boestfleisch, die alle Uraufführungen waren, boten einen umfassenden Überblick über das bisherige kammermusikalische Schaffen des Komponisten. Ich verweise hier auf die ausführliche Rezension dieses Konzerts in der nmz vom Mai 2023.

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Das zweite Konzert, welches vom renommierten, weltweit konzertierenden Minguet Quartett bestritten wurde, bot im Gegensatz zum ersten ein Programm mit mehreren Autoren, bei dem allerdings die beiden bisher komponierten Streichquartette des Komponisten im Vordergrund standen.

Das Konzert wurde, zur musikalischen Einstimmung des Publikums, durch ein klassisches Werk, das Streichquartett op. 76 Nr. 3 von 1797, das sogenannte „Kaiserquartett“ von Joseph Haydn eröffnet, dessen Variationenthema des 2. Satzes später auf einen Text von Hoffmann von Fallersleben zur deutschen Nationalhymne wurde.

Auf diese spielerisch-musikantische Einleitung folgte dann das Streichquartett I (2020) von Boestfleisch, welches bereits im ersten Konzert als Abschluss erklang. Dann das satz- und klangtechnisch komplexe 2. Streichquartett von G. Ligeti (1968), dessen technische Herausforderungen vom Ensemble souverän gemeistert wurden. 
Den Abschluss bildete als Uraufführung das Streichquartett II (2022) des Komponisten. Für beide Streichquartette gilt neben den zur Klangdifferenzierung herangezogenen Streichereffekten als herausragendes Merkmal die bereits bei den Cellostücken erwähnte Schönheit und Expressivität der melodischen Linie. Abschließend kann die musikalische Sprache dieser Quartette, die auch für das gesamte bisherige Schaffen des Komponisten gilt, wie folgt zusammengefasst werden.

Es gibt keine übergeordnete Tonalität, die für das gesamte Werk gilt. Tonale und nontonale Partien wechseln sich ab. Wichtige Elemente, welche zur Überwindung tonaler Phasen dienen, sind: 1. Die Bi- beziehungsweise Polytonalität: zwei Tonarten werden vertikal in Akkorden oder horizontal in einzelnen Linien übereinandergelegt. 2. Der chromatische oder diatonische Cluster, vertikal als Akkord auftretend. 3. Die Ganztonleiter als wichtiges Hilfsmittel zur Überwindung der Tonalität. 4. Der Quartenakkord, der zur Neutralisierung tonaler Flächen, aber auch, meist im p oder pp, als Ausdrucksmittel der Ruhe oder Stille dient. 5. Die expressive Melodik spielt in diesen Werken eine entscheidende Rolle: Sie dient dazu, Schönheit zu suggerieren, welche direkt auf den Hörer wirken soll. Es ist Musik unserer Zeit, die durch ihren harmonisch-klanglichen Reichtum und ihre Vielfalt an Assoziationsmöglichkeiten in Verbindung mit synästhetischen Wirkungen, das heißt den Eindruck durch Klänge Farbwirkungen zu erzielen, ähnlich den Werken Ligetis, auch für ein größeres Publikum rezipierbar ist.

Es war schade, dass nur ein zahlenmäßig überschaubarer Kreis den Weg in die Braunschweiger Dornse gefunden hatte. Dieser bedachte aber den Komponisten und die Ausführenden mit frenetischem, begeistertem Beifall.

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