Ein ungewöhnliches Programm gab es in der Reihe „Studio für neue Musik“, die vom TKV München veranstaltet wird, am 18. Juni in der Versicherungskammer Bayern zu hören. Denn bei diesem Kammerkonzert standen nicht wie sonst ausschließlich Werke von zeitgenössischen Komponisten auf dem Programm, sondern auch zwei von bereits verstorbenen Künstlern: Günter Bialas und Wolfgang Jacobi.
Und doch runden die beiden Komponisten wunderbar die diesjährige Jubiläumsserie ab und fügen sich nahtlos in die Konzertreihe ein. Denn Jacobi, dessen Tod sich dieses Jahr zum 40. Mal jährt, war der Begründer des „Studios für Neue Musik“. Bialas arbeitete dort mit und prägte viele zeitgenössische Komponisten durch sein künstlerisches Wirken und seine Lehrtätigkeit an der Musikhochschule in München. Mit seiner „Sonata Piccola“ für Violine und Klavier begann der Abend, dargeboten von der Geigerin Gertrud Schilde und Sylvia Hewig-Tröscher am Klavier. In wunderbar konzentriertem Zusammenspiel und musikalischer Einigkeit brachten sie die Farbigkeit von Bialas’ Musik zum Schillern. Mal schwungvoll und tänzerisch, mal lyrisch und sanglich gelang den beiden Musikerinnen hier ein intensiv musiziertes, kammermusikalisches Schmuckstück.
Etwas konventioneller dann die Suite im alten Stil für Klavier solo von Wolfgang Jacobi; die vielen Anklänge an frühere musikalische Epochen wurden von Sylvia Hewig-Tröscher souverän und virtuos herausgearbeitet.
Ein echtes Kontrastprogramm dazu gab es anschließend mit „Terra X“ von 2009/2012 für Violine und Klavier von Dorothee Eberhardt, die dieses Jahr ihren 60. Geburtstag feiert. Gekonnt loteten die beiden Musikerinnen Gertrud Schilde und Sylvia Hewig-Tröscher die musikalischen Gegensätze aus, die das Stück in sich vereint: sphärische, zarte Klänge neben zupackenden Tremoli; metallisch-wuchtige Klangteppiche neben sanglichen Cantilenen; musikalische Verdichtung und Vereinzelung.
Der Titel des Stücks von Robert Delanoff „Kleiner Fels im ruhigen Meer“ für Kontrabass und Klavier, das anlässlich seines 70. Geburtstag in diesem Jahr hier uraufgeführt wurde, führte ein wenig in die Irre. Entstand in der musikalischen Darbietung der Kontrabassistin Christine Hoock, begleitet von Sylvia Hewig-Tröscher am Klavier, doch durchaus der Eindruck eines bewegten Meeres. Perlendes Wasser vermeinte man da im Klavier zu hören, Regentropfen, die im tiefen Meer nachhallen, Donnergrollen im Bass und zum Schluss die Sonne, die das Meer freundlich zum Glitzern bringt.
Ganz anders, aber ähnlich poetisch hatte Max Beckschäfer – ebenfalls ein Jubilar – in seinem Monolog für Tenor und Kontrabass „Ritratto di Pontormo“ aus dem Jahr 2010 verschiedene Tagebuchnotizen des Renaissancemalers Jacopo Pontormo vertont. Die Notizen zeichnen in ihrer Alltäglichkeit ein karges, lakonisches Sittenbild des Florenz zur Zeit des Cinquecento. Prall und farbenreich daneben die Musik Beckschäfers, die von Christine Hoock und dem Tenor Robert Sellier auf den Punkt gebracht wurde.
Singend, stöhnend, summend und pfeifend kommentierte Sellier die selbstquälerischen Notizen des Malers bissig oder er ließ sich von der Stimmung der Worte mitreißen – als gleichberechtigter Partner der Kontrabass, der die „Melodie des Lebens“ dazu spielte, so ambivalent und zerrissen, wie das Leben eben so ist. Großer Applaus für diesen runden, gelungenen Konzertabend.