Viele Jahre war Friederike Haufe, Pianistin im Klavierduo mit Volker Ahmels und Coach für Kreative, Erste Vorsitzende des Hamburger DTKV, vier Jahre auch Ländersprecherin auf Bundesebene. Am 5. Juni hat sie das Amt an ihre Nachfolgerin Stephanie Schiller abgegeben, die Geigerin, Dozentin und Autorin und zudem erfahrene PR-Frau des Hamburger Ensembles „Salut Salon“ ist. Ein Gespräch mit Friederike Haufe und Stephanie Schiller hat Chantal Nastasi-Zinn geführt, Journalistin und Musikerin und seit 2014 auch Vorstandsmitglied des DTKV Hamburg.
Friederike Haufe: Als ich vor zehneinhalb Jahren das Amt übernahm, war der Vorstand höchstens vierköpfig und arbeitete nicht wirklich als Team. Aber es gab schon diese wunderbare Einrichtung, die wir auch beibehalten haben: zwei Schülerkonzerte im Jahr, eines im Frühling, eines im Herbst.
neue musikzeitung: Gerade hat ja auch wieder eines dieser Schülerkonzerte stattgefunden mit hoher Beteiligung aus unseren Reihen. Diesmal auch eingebunden in ein Konzertwochenende, bei dem unsere Musiker und Instrumentallehrer auch selbst aufgetreten sind (siehe Artikel unten). Aber erzähl nochmal, wie es dazu kam, dass du vor mehr als zehn Jahren Erste Vorsitzende des DTKV Hamburg wurdest
Haufe: Ich bin wiederholt von meinem Vorgänger Detlef Saßmannshausen angefragt worden, dem viel daran lag, dass jemand, der selbst viel auf der Bühne steht, dieses Amt bekleidet. Aber kaum hatte ich dieses Amt, wurde mir klar, dass der Hamburger Verband wesentlich berufspolitischer werden muss! Und zwar schon am Tag meiner Wahl.
nmz: Was genau hat Dir das so klar vor Augen geführt?
Haufe: Noch auf der Mitgliederversammlung, auf der ich gewählt wurde, kam eine Wortmeldung – mit der Bitte, wir, der DTKV, mögen doch unbedingt JeKi und die Pläne zur Ganztagsschule stoppen. Beides schürte bei unseren Mitgliedern große Ängste, sie könnten bald weniger Schüler und dadurch weniger Arbeit haben. Ich habe geantwortet, dass wir als Berufsverband genau da rein müssen in die allgemeinbildenden Schulen, und dass wir daran mitarbeiten müssen und als Instrumentallehrer innerhalb von JeKi aktiv werden sollten, was inzwischen auch der Fall ist. Wenn Schulen heute Instrumentallehrer suchen, können sie bei uns eine Liste unserer Mitglieder abfragen, die bereit sind, ihren Unterricht in den Schulen stattfinden zu lassen. Wir sind damals eine enge Kooperation mit dem Hamburger Konservatorium eingegangen, was in DTKV-Reihen vielleicht auch kritisch gesehen wurde, weil das Konservatorium Mitglied im VdM (Verband deutscher Musikschulen e.V.) ist. Aber diese Kooperation hat in den letzten zehn Jahren zu einem großen und vorbildlichen Vertrauensverhältnis und vielen guten Kooperationen zwischen VdM und DTKV geführt und uns auch auf administrativer Ebene sehr viel gebracht, was wir alleine nicht hätten leisten können. Das ist ja das Dilemma solcher großen Ämter, dass sie ehrenamtlich sind und man weiterhin seine Brötchen verdienen muss.
nmz: Bist du so gesehen auch froh, dass deine Zeit als Erste Vorsitzende jetzt vorbei ist?
Haufe: Ich bin einfach überzeugt, dass in einer Demokratie Wechsel wichtig sind. Ich höre nicht auf, weil ich keine Lust mehr habe. Ein Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt ist perfekt – ich bin sicher, dass Stephanie eine Menge Ideen hat
Stephanie Schiller: Das stimmt! Um das JeKi-Beispiel aufzugreifen: Ich denke, dass solche Projekte sehr wichtig sind, um den gesellschaftspolitischen Auftrag zu unterstreichen, den Musiker im Allgemeinen und Instrumentallehrer in einem besonders hohen Maße haben. Für einen Verband wie den DTKV geht es dabei immer auch um die Frage der Präsentation: Wie zeige ich das, was ich tue? Wie gelingt es, andere für gemeinsame Projekte zu begeistern? Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, bei dem auch die Sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen könnten
Haufe: In dem Zusammenhang ist es auch wichtig zu erwähnen, dass wir als Hamburger Verband immer sehr eng vernetzt waren mit den 15 anderen Tonkünstlerverbänden, da ich auch mit Beginn meines Amtes vier Jahre Ländersprecherin auf Bundesebene war. Diese Kontakte sind geblieben, und seither interessieren sich auch
Bayern und Baden-Württemberg dafür, was in Hamburg passiert. Ich bin froh, dass ich diese Kontakte an Stephanie weitergeben kann.
nmz: Über das Weitergeben gesprochen – Stephanie, Du bist ja in vielen Richtungen aktiv, hast in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste studiert, kommst eigentlich aus Süddeutschland und hast mittlerweile mehrere Arbeitsfelder, die sich womöglich auch gegenseitig befruchten: Du bist Journalistin, Autorin und hauptverantwortliche PR-Frau des international bekannten Ensembles „Salut Salon“. Du organisierst den Hamburger Instrumentalwettbewerb und das sich daran anschließende „Konzert der Kinder“ in der Laeiszhalle. Und – das finde ich sehr spannend – du leitest inhaltlich und organisatorisch „Skype Lessons“, ein Projekt von „Salut Salon“, in dem Kinder und Jugendliche aus einem Slum in Nairobi wöchentlich Unterricht an Streichinstrumenten erhalten. Wie funktioniert das?
Schiller: Korogocho ist einer der größten Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi, direkt an einer riesigen Müllkippe gelegen. Die Menschen leben dort hauptsächlich vom Müllsammeln, es herrscht ein großes Elend. Die Stiftung „Art of Music“ eröffnet den Kindern und Jugendlichen vor Ort die Möglichkeit, durch Musik ihr Leben zu verändern. Wer mit Hilfe von „Art of Music“ ein Instrument lernt, kann gleichzeitig zur Schule gehen und einen Abschluss machen. Als „Salut Salon“ vor einigen Jahren auf einer Afrika-Tournee in Nairobi war, haben die Musikerinnen des Quartetts mit den Kindern in Korogocho gearbeitet. Es entstand die Idee, sie auch weiterhin zu unterstützen – durch Unterricht per Skype. Ich habe gemeinsam mit der „Salut Salon“-Geigerin Angelika Bachmann ein Konzept entwickelt, seitdem findet dieser Unterricht durch Unterstützung vieler anderer Musiker wöchentlich statt. Nach einem Benefizkonzert im vergangenen Jahr konnten wir außerdem 50 Geigen nach Korogocho schicken, wo es logischerweise nicht nur an Geigenlehrern, sondern auch an Instrumenten fehlt. Aus der anfangs kleinen Gruppe sind auf diese Weise gut 60 Streicher geworden. Ein Streichinstrument zu spielen, ist in Korogocho mittlerweile richtig cool und die Kinder haben ein hohes Eigenengagement!
nmz: Was hat dich jetzt gereizt, das Amt der Ersten Vorsitzenden des DTKV Hamburg zu übernehmen?
Schiller: Mich reizt vor allem die Herausforderung, das Potential der DTKV-Mitglieder in der Öffentlichkeit noch präsenter zu machen als bisher, was einerseits eine Frage der digitalen Medien ist, andererseits aber auch etwas mit der Wertschätzung für die Arbeit zu tun hat, die Tonkünstler gesellschaftlich leisten. Der DTKV ist, wie ich finde, nicht nur Anlaufstelle für die eigenen Mitglieder, sondern auch ein Netzwerk neuer und zukunftsträchtiger Ideen. Der ganze Bereich der Tonkünstler – jedenfalls erlebe ich das in meinen vielfältigen Aktivitäten – ist in einem starken Wandel begriffen. Dieser Wandel bringt vor allem die Herausforderung mit sich, Altes und Neues zu verbinden. Gerade deshalb wäre es schön, noch mehr Mitglieder für den DTKV gewinnen zu können. Ich habe schon meine Fühler ausgestreckt in Richtung HfMT, zu Lehrenden und Studierenden. Auch denke ich, dass wir verstärkt Studienanwärter auf unseren Verband aufmerksam machen könnten, Musiker, die noch nicht professionell arbeiten, das aber für die Zukunft anstreben.
Haufe: Studenten zahlen ja tatsächlich auch nur 50 Prozent des Mitgliedsbeitrags, und ich denke, es ist vor allem deshalb so wichtig, weil sie dadurch einen frühen und realistischen Einblick in die Praxis des Berufsmusikers erhalten und kennenlernen, wie sie sich vernetzen können, dass sie Lobby brauchen und so weiter.
nmz: Vernetzung und Lobbyarbeit noch mehr voranzutreiben ist ja auch das, was dir, Stephanie, jetzt für den Verband vorschwebt
Schiller: Ja, unbedingt. Ich denke, dass der Begriff des „Tonkünstlers“ inzwischen sehr weit gefasst werden muss. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum man mich gefragt und gewählt hat. Denn ich habe in vielen Bereichen Erfahrungen gesammelt, die ich hoffentlich für den Verband nutzen kann. Bisher habe ich mich eher für „musikalische Kinderrechte“ eingesetzt. Weil ich glaube, dass Musik Kindern große Möglichkeiten bietet im Leben, um sich zu entwickeln und etwas gemeinsam zu gestalten. Im DTKV setze ich mich nun vor allem für die ein, die diese kulturellen Entwicklungen ermöglichen: die Profis, die ihr Können und ihr Wissen an Andere weitergeben – auf der Bühne wie im Unterricht. Ich finde dies eine großartige Aufgabe, auf die ich sehr gespannt bin. Wenn die Kunst nicht an die nächste Generation weitergegeben wird, stirbt sie aus. Auf diesen gesellschaftspolitischen Auftrag, den der DTKV als Interessenvertretung rahmt und begleitet, müssen wir noch deutlicher und öffentlich aufmerksam machen!
nmz: Und ganz wichtig finde ich in dem Zusammenhang, dass sich das eine wie das andere ja nicht zwingend ausschließt. Die meisten Musiker sind ja sowohl auf der Bühne als auch im Unterricht aktiv, die Bereiche sind verzahnt und nicht schwarz-weiß voneinander getrennt. In welchen Verzahnungen wirst du, Friederike, denn deine gewonnene Zeit zukünftig verbringen?
Haufe: Ich freue mich darauf, den Kopf mehr für meine Projekte frei zu haben, auch wenn ich dem Verband als Mitglied und sogar als Ehrenvorsitzende natürlich erhalten bleibe. Ich werde mich noch mehr für die verfemte Musik einsetzen können, die ich im Klavierduo mit Volker Ahmels aufführe, die ich recherchiere und auch als Notenmaterial herausgebe oder einspiele. Ich kann mich intensiver meiner Coaching-Arbeit widmen, die ich ja auch leidenschaftlich und intensiv mache. Sodass ich zukünftig dann den Blog auf meiner Artist-Coaching-Website vielleicht mal nicht nach Mitternacht pflege, sondern hoffentlich mal zu Tageslichtzeit.
nmz: Das wünschen wir dir. 1.000 Dank für deine Arbeit, Friederike, und dir, Stephanie, herzlichen Glückwunsch – uns und dir – zu diesem Amt. Auf eine tolle Zeit! ′