Der Saal ist voll, jeder Platz ist besetzt, gespannte Erwartung vor einem Konzert. Leises Murmeln, einige Zuspätkommende drängen noch durch die Reihen, um einen Platz zu finden. Nervöse Spannung, Instrumente werden gestimmt, Hände gewärmt. Doch dann wird es ruhiger, als die ersten Protagonisten die Bühne betreten. Es sind Kinder im Alter zwischen 7 und 10 Jahren. Die Bühne ist improvisiert, es gibt keine Scheinwerfer, keine Kulisse. Einige wirken etwas unbeholfen, fast schüchtern sind ihre suchenden Blicke ins Publikum, andere sind schon sicherer. Doch wenn sie anfangen zu spielen, ihre kleinen Liedchen, die sie für diesen Moment mit ihren Lehrer/-innen vorbereitet und geübt haben, sind alle hochkonzentriert und mit Feuereifer dabei. Nach dem kleinen Auftritt nehmen sie stolz den Applaus des Publikums entgegen, in dem Gefühl, eine große Leistung vollbracht zu haben, die von einem ganzen Saal gewürdigt wird. Ist das zu viel Würdigung für ein paar kleine, musikalisch unbedeutende Beiträge, die mit einem täglichen Übepensum von bestenfalls zehn Minuten erbracht werden können?
Der Saal ist voll, jeder Platz ist besetzt, gespannte Erwartung vor einem Konzert. Leises Murmeln, einige Zuspätkommende drängen noch durch die Reihen, um einen Platz zu finden. Nervöse Spannung, Instrumente werden gestimmt, Hände gewärmt. Doch dann wird es ruhiger, als die ersten Protagonisten die Bühne betreten. Es sind Kinder im Alter zwischen 7 und 10 Jahren. Die Bühne ist improvisiert, es gibt keine Scheinwerfer, keine Kulisse. Einige wirken etwas unbeholfen, fast schüchtern sind ihre suchenden Blicke ins Publikum, andere sind schon sicherer. Doch wenn sie anfangen zu spielen, ihre kleinen Liedchen, die sie für diesen Moment mit ihren Lehrer/-innen vorbereitet und geübt haben, sind alle hochkonzentriert und mit Feuereifer dabei. Nach dem kleinen Auftritt nehmen sie stolz den Applaus des Publikums entgegen, in dem Gefühl, eine große Leistung vollbracht zu haben, die von einem ganzen Saal gewürdigt wird. Ist das zu viel Würdigung für ein paar kleine, musikalisch unbedeutende Beiträge, die mit einem täglichen Überpensum von bestenfalls zehn Minuten erbracht werden können?
Fast gleichzeitig kommen im großen Konzertsaal der Essener Philharmonie ebenfalls Kinder auf die Bühne. Doch hier gibt es Scheinwerfer, die auf die Bühne gerichtet sind, das Podium ist geschmückt mit Blumenbouquets, im Saal herrscht gedämpftes Licht, es gibt ein ausführliches Programmheft und es moderiert kein Geringerer als Ranga Yogeshwar. Die Kinder und Jugendlichen (zwischen 10 und 17 Jahren) sind sicher im Auftreten, sie haben schon oft diese Konzertsituation gemeistert. Ihr Vortrag ist frisch, sie bieten Werke bedeutender Komponisten, auf hohem technischem Niveau, das sich nur durch jahrelanges, intensives tägliches Üben erreichen lässt. Das Publikum ist beeindruckt und würdigt die große Leistung dieser jungen Hoffnungsträger einer hoch kultivierten Elite.
Zwei Konzerte, die vom künstlerischen Niveau und kulturellen Selbstverständnis her unterschiedlicher kaum sein könnten. Das erste eines der vielen kostenlosen Jahresabschlusskonzerte im Rahmen des Programms „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi); das zweite ein ausverkauftes Highlight im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr unter dem Motto „Ausgezeichnete Kinder“. Das Publikum bei „JeKi“ besteht aus Eltern, Verwandten und Freunden; in der Philharmonie dagegen sind auch passionierte Konzertbesucher, Honoratioren der Stadt und kulturelle Prominenz zu sehen.
Welches Konzert ist wichtiger, welches wiegt mehr, welches ist kulturell wertvoller? – Die meisten Musikerkollegen und Kulturbeflissenen würden sich vermutlich ohne langes Nachdenken für das zweite Konzert entscheiden. Ich meine dagegen, dass die Frage in dieser Form – und zwar sowohl in kulturpolitischer als auch in musikpädagogischer Hinsicht – eigentlich falsch gestellt ist, weil sie zwei Ansätze der musikalischen Bildung gegeneinander ausspielt, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die kulturpolitische Seite der Sache liegt auf der Hand. Wenn Kultur noch etwas mit Bildung zu tun haben und diese wiederum auf die individuelle Persönlichkeitsbildung zielen soll, dann kann es nur darum gehen, jedes einzelne Kind in der Entfaltung seiner Persönlichkeit zu fördern. Genau dies zeigt der Vergleich der beiden Konzerte: Entscheidend ist weniger die objektive musikalische Leistung als der konzentrierte subjektive Einsatz der Kinder, ihre Ernsthaftigkeit und Hingabe im Moment des Musizierens – und dies alles kann eben bei „JeKi“ genauso großartig und überzeugend sein wie beim Klavier-Festival Ruhr.
Dasselbe gilt für die musikpädagogische Seite. Beide Konzerte sind das Ergebnis aufopfernder, anstrengender und einfühlsamer instrumentalpädagogischer Arbeit, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Doch genau auf diesen Niveauunterschied kommt es nicht an. Musikalische Breitenförderung ist genauso wichtig wie die traditionelle musikalische Elitenbildung. Das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ hat genau diese Spannung virulent werden lassen und dadurch den Anspruch und das Selbstverständnis der Musikpädagogen, aber auch die Erwartungen und die Anforderungen, die an diesen Beruf gestellt werden, verschoben. Denn „JeKi“ eröffnet (jedenfalls überall dort im Ruhrgebiet, wo sich das Programm etabliert hat) für alle Grundschulkinder, auch für diejenigen aus bildungsfernen und finanzschwachen Familien, die Möglichkeit einer musikalischen Grundausbildung. Musikalische Bildung nicht mehr im behüteten Bereich des instrumentalen Einzelunterrichts für (besonders) interessierte und begabte Kinder, sondern in Gruppen und als Teil des ganz normalen Schulunterrichts. Schon gibt es Gegenstimmen, die einen unweigerlichen Niveauverlust und den kulturellen Ausverkauf der musikalischen Bildung befürchten und sich in die vertraute Idylle der herkömmlichen Instrumentalpädagogik zurücksehnen. Doch wenn „JeKi“ eines lehrt, dann dieses: Elitenbildung und Breitenförderung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, weil (um es nochmals zu sagen:) der musikpädagogische Auftrag nur lauten kann, jedem Kind die Möglichkeit zu eröffnen, seine eigene musikalische Persönlichkeit (und damit zugleich: seine Persönlichkeit insgesamt) zu entdecken – unabhängig vom sozialen, finanziellen und kulturellen Hintergrund und auf allen Stufen des geistigen Vermögens und der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit. Gerade für die Instrumentalpädagogen eröffnen sich dadurch neue Horizonte: nicht erst die großen, künstlerisch „wertvollen“ Werke, sondern bereits die kleinsten Formen ermöglichen, mehr noch: erfordern musikalische Gestaltung und kreativen Ausdruck. Für musikalische Bildung gibt es keine (mehr oder weniger „gehobene“) Eingangsschwelle – sie umfasst vielmehr das breite Spektrum von der elementaren Musikerfahrung bis hin zur künstlerischen Meisterschaft.