Die drei Berufsverbände für Musiker und Musikpädagogen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz luden, wie in jedem Herbst seit 36 Jahren zur gemeinsamen Tagung ein. Das Thema lautete „Musik und Macht – über die wunderbare Wirkung der Musik und wie diese genutzt, gebraucht, gefürchtet, missbraucht und verhindert wird“ . Der Tagungsort war die Musikakademie Basel, mit schönem Ambiente nahe der Baseler Altstadt. Den Verbänden war es gelungen, namhafte Referenten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum einzuladen, die Vorträge über musikalische, pädagogische, kompositorische, politische, historische, wirtschaftliche, soziale und medizinische Aspekte der Musik und ihrer Einbindung in die Gesellschaft vorbereitet hatten. Ein interessantes und weitreichendes Spektrum über Musik und Macht konnte so aufgefächert und diskutiert werden.
In seiner Begrüßungsrede fasste der Rektor der Musikakademie der Stadt Basel Dr. André Baltensperger die Ziele der teilnehmenden Musiker, Wissenschaftler und Kulturschaffenden zusammen: „ ... für uns sind Ihre Verbände starke Partner in einer gemeinsamen Sache. Denn nur mit einer von Beginn an hohen Ansprüchen verpflichteten Unterweisung der musikalischen Jugend können wir den fruchtbaren Boden schaffen für eine Kulturgemeinschaft, die dem Neuen wie auch dem Erbe innerlich gefestigt und mit handwerklichem Können gegenübersteht, und dies in die Zukunft zu tragen vermag.
Dies tönt vielleicht ein bisschen hoch gegriffen; wir sind in der Regel in unseren Aussagen etwas zurückhaltender. Wenn wir uns aber insbesondere das Wesen der Musik vor Augen führen, als einer abstrakten, begriffslosen und vom Gegenständlichen losgelösten Kunst, so wird uns bewusst, dass nicht nur das Erlernen eines Instruments oder das Schulen der eigenen Stimme ein langer, anspruchsvoller Prozess ist, sondern dass auch das bloße Hören von Musik – und damit meine ich das verstehende Hören – eine Aufgabe darstellt, die von langer Hand und durch vertiefte Unterweisung geleitet werden muss. Dies gilt für alle Stile und alle Kulturen, umso mehr, als in der heutigen Welt sozusagen alles gleichzeitig auf einen einklingt und deshalb ein kritisches, bebildetes Verständnis voraussetzt.“
In diesem Sinne war der Vortrag von Prof. Dr. Wolf Peschl aus Wien mit Überlegungen zu gegenwärtigen Strömungen der Musikpädagogik im gemeinsamen Europa mit dem Titel „Sine musica scholam errorem esse puto“ von großer Wichtigkeit, erläuterte dieser doch in sehr anschaulicher Form die Möglichkeiten moderner Musikpädagogik, das Potential an Erziehung, Freizeit und Kulturbedürfnis so zu nutzen, dass Jugendliche neben dem Spaßeffekt bei der Beschäftigung mit Musik Kräfte schöpfen für mehr Wissen, mehr Konzentration und mehr soziales Verhalten.
„Die Macht der Musik über die Psyche“ hieß der vielbeachtete Vortrag von Dr. Susanne Elsensohn, die am Beispiel der Schamanen die bewusstseinsverändernde Wirkung von Musik exemplifizierte und auch die magischen Aspekte mancher außereuropäischer Musik beleuchtete.
Die „Manipulation von Gefühlen durch Musik: zwischen Gebrauch und Missbrauch“ war das Thema des Referats von Dr. Stefanie Stadler Elmer, die darauf hinwies, dass gerade gemeinsames Musizieren und Singen einen gesellschaftlichen Prozess befördert. „....Singen ist die einfachste und am meisten verbreitete Art des Musizierens. Gemeinsames Singen erzeugt Gefühle der Zugehörigkeit. Diese erhöhen die Bereitschaft, sich mit den Werten der Gruppe zu identifizieren. Lieder Singen wurde seit jeher verwendet, um Werte zu vermitteln (in Religionen, Politik, Erziehung), um Menschen zu vergemeinschaften und um Identität zu stiften. Musik verbindet innerhalb der Gemeinschaft und grenzt aus gegenüber Nichtmitgliedern.“
Prof. Mag. Ulrich Gabriel aus dem österreichischen Vorarlberg, ein in Österreich prominenter Kaberettist, Autor und Interpret, der bereits mehrfach vom Land Vorarlberg für seine kulturellen Leistungen ausgezeichnet wurde, erinnerte in gleichermaßen kompetenter und unterhaltsamer Weise an die Rattenfänger des 20. Jahrhunderts mit seinem Referat „MACHT zwei, drei. vier...“
Die New Yorker Komponistin Gloria Coates, die seit langen Jahren in München lebt und arbeitet, trug essentielle Abschnitte aus ihrer 1995 erschienen Publikation in der Reihe „Musica viva“ vor. Die Behandlung von Klängen in der Neuen Musik, die Innovationsfähigkeit von Klanggebilden und Instrumentations- und Besetzungsformen, die im 20. Jahrhundert kreiiert wurden, beispielsweise durch John Cage in den USA und Karl Amadeus Hartmann in der BRD, sowie ein Exkurs der Komponistin über ihre eigenen Werkstrukturen demonstrierte den Zuhörern „Die Macht der Klänge in der Neuen Musik“.
Anhand ausgewählter Beispiele aus der jüngeren Musikgeschichte wies Prof. Dr. Klaus Hinrich Stahmer auf die „Verantwortung des Komponisten“ hin. Da die Beeinflussung des Menschen durch Musik ein seit Jahrtausenden bekannter Fakt ist, hat der Komponist eine Verantwortung, die ihm bewusst sein sollte. Oft wittert er nur die Chance, „berühmt“ zu werden und bedient sich skrupellos der bewusstseinsverändernden Kräfte von Musik. Doch es gibt eine ethische Dimension des Komponierens.
Dr. Adelheid Krause-Pichler berichtete in einem musikwissenschaftlichen Vortrag von „fürstlichen Festen und musizierenden Fürsten – über Musikkultur als Repräsentation von Macht“. Am Beispiel des Berliner Hofes unter König Friedrich II. von Preußen erläuterte sie an Musikbeispielen die typischen Repräsentationsformen in den Sinfonien und Opernouvertüren, die bei hohen Festen die Macht des Reiches widerspiegeln sollten.
Das Rahmenprogramm war mit einem Konzert der Pianistin Jelena Dimitrijevic in der Aula der Musikakademie mit Werken von Franz Liszt, sowie mit einem unterhaltsamen Abend im Jazzclub mit einem kabarettistischen Programm von Mag. Ulrich Gabriel „Der endgültige Tag der Blasmusik und andere Musiksatiren“ bestens abgerundet. Zu guter Letzt gab es nach Tagungsende am Sonntagmittag ein wohltuendes Konzert mit dem Baseler Musiker Volker Biesenbender und seiner Musikband mit Kunst- und Volksmusik aus Europa.
Die D-A-CH-Tagung in Basel hat wiederum gezeigt, wie wichtig und fruchtbar der Austausch von Wissen, Informationen und Gesprächen ist, vor allem wenn, wie in diesem Fall, Fachleute aus drei Ländern zusammentreffen.