Das Zusammentreffen von episodischen und prozessuralen Formen des Glücks – das heißt das Erleben ekstatischer Momente glücklicher Augenblicke sowie die Erfahrung glückender Lebensführung, in der Selbstachtung und Selbstbestimmtheit zusammenkommen – kann laut Martin Seel als gelingendes Leben gelten.
In den Worten Glück und Gelingen schwingt der Aspekt der Unverfügbarkeit mit: Ob etwas glückt oder gelingt, hängt nicht nur vom Bemühen ab. Die Wendung „sein Glück machen“ hebt dem gegenüber den Anteil des Individuums hervor. Wir leben nicht nur, sondern führen unser Leben, betont Helmuth Plessner. Deshalb ist ein gutes Leben auch dann möglich, wenn die äußeren Umstände nicht glücklich sind. Es kommt darauf an, wie wir uns zur Welt in Beziehung setzen, sagt der Soziologe Hartmut Rosa.
Pädagogisch gewendet, entsteht daraus die Frage, wie Heranwachsende dabei unterstützt werden können, ihr Glück „zu machen“. Die Pädagogin Eugenie Schwarzwald sieht in Gemütsruhe, Gemütsbildung, Heiterkeit und Genussfähigkeit Voraussetzungen für ein gelingendes Leben, die pädagogisch beeinflusst werden können. Nicht was wir erleben, sondern wie wir es erleben, macht unser Glück aus. Diese Sichtweise lässt sich mit Fragen der philosophischen Ästhetik nach der Rolle der Kunst für ein gutes Leben verbinden: Wozu gibt es die Künste, welche Bedeutung haben sie für die Existenz des Einzelnen? Auch die Musikpädagogik stellt sich diese Fragen und kommt je nach historischem Standort und inhaltlicher Ausrichtung zu unterschiedlichen Gewichtungen. Aus der Perspektive praktischer Musikausübung schenkt Musik erfüllte Momente, bietet Anlass zu freundschaftlicher Geselligkeit, gibt Gelegenheit, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und zu beweisen und trägt so zum guten Leben bei. Hier wäre zu fragen, ob es einer musikpädagogischen Unterstützung bedarf, um diese Möglichkeiten der Musik mit Bezug auf ein gelingendes Leben des Einzelnen zu entfalten. Mit welchen Konzepten kann diese Förderung angesichts der Individualität von Bedürfnissen, Voraussetzungen, Lebensumständen und auch von Glücksvorstellungen auf der einen und einem auf die Gruppe zielenden Musikunterricht auf der anderen Seite geschehen? Wie lassen sich dieses Verständnis und diese Ausrichtung musikalischer Tätigkeit mit dem Leistungsprinzip verbinden? In welcher Weise sollen und können ethische Anforderungen an das gute Leben – das sich in einer hedonistischen Haltung nicht erschöpft – Berücksichtigung finden? Fragen wie diese spielen eine Rolle in den Ansätzen musikalischer Geragogik, praxialer Musikpädagogik, der Improvisationspädagogik, der Thematisierung religiöser Musik et cetera.
Die Verschränkung von Kunst und Leben ist mit Bezug auf Musik aber nicht nur ein Thema praktischen Musikmachens, sondern spielt auch eine Rolle bei dem rezipierenden und reflektierenden Umgang mit Musik. Bezugnahmen auf die Theoreme der Lebenswelt, der ästhetischen Erfahrung sowie der Transkulturalität und Anderem bringen das Bedürfnis zum Ausdruck, den Schülerinnen und Schülern musikalische Erfahrungen aus einem weiteren als dem rein fachlichen Blickwinkel zugänglich zu machen.
Die beiden kommenden Tagungen der Gesellschaft für Musikpädagogik sollen sich Ansätzen aus diesen und weiteren Bereichen, aber auch philosophischen und historischen Überlegungen zu dem Zusammenhang zwischen Musik und gelingendem Leben widmen. Gefragt sind Erfahrungen aus der pädagogischen Praxis, konzeptionelle Entwürfe, Untersuchungen zur historischen Musikpädagogik, qualitativ-empirische Studien (z.B. musikpädagogische Biografieforschung) sowie theoretische Analysen.
- Zur Vorbereitung der öffentlichen Jahrestagung 2018 soll am 4. März 2017 in Leipzig eine eintägige Arbeitstagung stattfinden, die der Diskussion der Exposés für die Tagung 2018 in Essen dient. Interessentinnen und Interessenten reichen bitte ihr ein- bis zweiseitiges Exposé bis zum 15. Januar 2017 ein und halten sich neben dem Termin im März 2018 auch bitte den im März 2017 frei. constanze.rora [at] hmt-leipzig.de (constanze[dot]rora[at]hmt-leipzig[dot]de)