Seit dem 11. September hat die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den Kulturen eine erschreckend neue Aktualität bekommen. So hat sich die Jeunesses Musicales Deutschland gemeinsam mit der „Stiftung Podium Junger Musiker“ mit einem internationalen Musik-Projekt an diesem Dialog beteiligt.
Seit dem 11. September hat die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den Kulturen eine erschreckend neue Aktualität bekommen. So hat sich die Jeunesses Musicales Deutschland gemeinsam mit der „Stiftung Podium Junger Musiker“ mit einem internationalen Musik-Projekt an diesem Dialog beteiligt.Das Konzept dieser „1. Weikersheimer Begegnung“ verfolgte mehrere Ziele: Zum einen sollten traditionelle arabische und abendländische Musik nicht nur einander gegenübergestellt, sondern auch mittels eigens entwickelter Kompositions- und Improvisationsmodelle miteinander verbunden werden. Die deutschen Stipendiaten sollten darüber hinaus mit anderen Instrumenten, Spietechniken und Musikstilen vertraut gemacht werden und gleichzeitig im (fast zweiwöchigen) alltäglichen Zusammensein mit Musikstudenten aus fünf anderen Ländern einen gewissermaßen „gelebten“ Dialog der Kulturen praktizieren. Begleitende Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, die auch an die interessierte Öffentlichkeit gerichtet waren, sollten einen tieferen Einblick in die Welt des Islam vermitteln. Und schließlich sollte die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Medien zur Bekanntheit dieses Projektes über Weikersheim hinaus beitragen.Eingeladen zu diesem Experiment waren Musikstudierende aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten: abendländische und orientalische Musik, Jazz, Klassik und Improvisation. Trotz der Schwierigkeiten, die sich aus der organisatorischen Zusammenarbeit mit sechs Ländern ergaben (nur drei der palästinensischen Teilnehmer erhielten rechtzeitig eine Ausreisegenehmigung) waren insgesamt 34 Studenten aus Palästina, Ägypten, Syrien, Libanon, Frankreich und Deutschland in Weikersheim zusammengekommen. Sie wurden von sieben Dozenten, ebenfalls Spezialisten verschiedener musikalischer Sparten, betreut.
Westliche und orientalische Improvisationsworkshops boten die Möglichkeit einer sehr freien Annäherung an die unterschiedlichen Stilrichtungen. Auskomponierte Werke mit fest vorgeschriebenen Besetzungen standen auf dem Programm. Der Komponist Houtaf Khoury hatte eigens für „Orient-Okzident“ ein Werk geschrieben, das hier aufgeführt wurde. Ein Concerto Grosso von Antonio Vivaldi gab libanesischen Studenten Gelegenheit, ihr Können zu beweisen. Workshops zu traditioneller arabischer sowie zu mittelalterlicher Musik machten Parallelen und gemeinsame Ursprünge arabischer und europäischer Musikkultur und deren unterschiedliche Entwicklungen deutlich. Das Ergebnis dieser musikalischen Bemühungen wurde in einem Abschlusskonzert vorgestellt.
Für Vorträge über Musikstile und Instrumentenkunde, Diskussionen über Politik, Religion, Lebensbedingungen in den einzelnen Ländern (Palästina) und für gemeinsames Feiern bot der „Jeunesses-Keller“ im Schloss Weikersheim die Atmosphäre, die für ein solches Projekt wünschenswert ist und die vor allem von den ausländischen Gästen geschätzt wurde.
Dem Projektziel entsprechend, auch ein breites Publikum am Dialog der Kulturen teilhaben zu lassen, hielt die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer einen Vortrag: „Von Einheit und Vielfalt: Der Islam als Religion und Lebensordnung“. Dabei führte sie unter anderem aus, dass die Musik im Islam zwar keinen eigenständigen Stellenwert im Sinne einer rein klerikalen Musik genieße, daraus jedoch nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung geschlossen werden könne. Dies gelte für die Musik wie auch andere Kunstformen, die im arabischen Raum blühten und auf Europa einwirkten.
Die wünschenswerten Notwendigkeiten für einen deutsch-arabischen Dialog zeigten Erhard Eppler (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit a.D.), Botschafter Gunter Mulack (Islam-Beauftragter des Auswärtigen Amtes) und Gudrun Krämer in einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Arabisch-deutscher Dialog – Was ist zu tun?“ auf. Dieser Dialog werde, so der Moderator Tono Eitel, Mitglied im Vorstand der Stiftung Podium Junger Musiker, durch einen ständig am Tische sitzenden „steinernen Gast“, nämlich Israel, beschwert. Seit Don Giovanni sei bekannt, dass auch steinerne Gäste ihre Interessen sehr wirksam zu vertreten wissen. Mit Bezug auf den 11. September unterstrich Dr. Mulack die Notwendigkeit, Schlagworte zu hinterfragen und sich mit den grundlegenden Fragen des Dialogs mit 1,2 Milliarden Menschen islamischen Glaubens zu beschäftigen. Dabei gehe es auch um Anerkennung der Leistungen, die aus der arabischen Welt nach Europa gekommen sind. Erhard Eppler forderte für einen deutsch-arabischen Dialog vor allem, Demütigungen zu vermeiden.
Die grundlegende Konzeptidee – einen interkulturellen Dialog auf der Basis des Mediums Musik zu führen – hat sich bewährt, auch wenn es in der konkreten Umsetzung noch Details zu verbessern gilt. Die gewonnenen musikalischen und menschlichen Erfahrungen mit den ausländischen Gästen (das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie die Landesstiftung Baden-Württemberg hatten dies ermöglicht) sind Anlass, in dieser Richtung fortzufahren.
Eine Dokumentation der Wortbeiträge ist in Vorbereitung und wird mit Unterstützung der Arab Bank Frankfurt auch den musikalischen Teil in CD-Form beinhalten. Interessenten für diese Dokumentation können sich wenden an: Stiftung Podium Junger Musiker, Ruth Jakobi (Geschäftsführerin), Marktplatz 12, 97990 Weikersheim, Tel. 07934/99 36 66. e-Mail: jakobi [at] spjm.de (jakobi[at]spjm[dot]de)