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Zwischen Montevideo und Montreal

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67. Weltversammlung der Jeunesses Musicales tagte in Weikersheim – Uli Wüster Vizepräsident
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Es war in Montevideo am Ende der 66. Generalversammlung, als die Jeunesses Musicales Deutschland den Staffelstab zur Ausrichtung der Weltkonferenz 2012 übernahm, die nun vom 24. bis 29. Juli in Weikersheim stattfand. Über 50 Delegierte aus 30 Ländern des JM-Netzwerks waren erschienen, dazu gab sich das JMI-Präsidium mit dem JMD-Präsidium, Vorsitzenden der JMD-Landesverbände, Ehrenmitgliedern der JMD und dem Vorstand des Freundevereins ein Stelldichein.

Zusammen mit der JM Jazzworld BigBand trafen sich über 100 Personen aus Europa, Nordamerika, Afrika und dem Nahen Osten in der Residenzstadt an der Tauber. Für ihre Förderung zu danken ist dem Bundesjugendministerium, dem Landkreis Main-Tauber, der Stadt Weikersheim, der Sparkasse Tauberfranken, der Stiftung Würth und den Freunden der JMD e.V. sowie den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg. 

Magic Places for Music

Schon als die noch junge JMD 1956 die Internationalen Sommerkurse auf Schloss Weikersheim übernahm, entstand eine weit greifende Vision von einem Internationalen Begegnungszentrum der Jeunesses Musicales an diesem „märchenhaften Ort“. Als 2005 die inzwischen zur größten Musikakademie Deutschlands herangewachsene musikalische Bildungsstätte den Titel „World Meeting Center of Jeunesses Musicales International“ erhielt, waren die Beweggründe immer noch dieselben: Das zauberhafte Renaissanceschloss mit seinem barocken Park und die mittelalterliche Altstadt in der Weinlandschaft des Taubertals bieten eine höchst animierende Atmosphäre für Musik. 

Das Motto der diesjährigen Weltkonferenz „Magic Places for Music“ spielte bewusst diese Weikersheimer Karte und beinhaltet gleichzeitig auch einen allgemeinen kulturpolitischen Appell: Musik braucht inspirative Räume, um eine visionäre Welt außerhalb der Gravitation des täglichen Lebens entstehen zu lassen. Das Kongressmotto wurde von einer schillernden Seifenblase begleitet, in der das Logo der Jeunesses Musicales gleichsam schwerelos umschlossen ist.

Und so bot gleich für den ersten Abend der prachtvolle Rittersaal den repräsentativen Rahmen für die offizielle Eröffnung der Weltkonferenz mit der Verleihung des Würth Preises der JMD an die junge Cellistin Sol Gabetta (siehe nmz-Beitrag auf Seite 2). Über 300 Gäste lauschten im Halbdämmer des von der Decke bis zum Boden kunstvoll ausgemalten Raumes mit seinem Kristallüster und dem stuckgeschmückten Kamin dem berückenden Cello einer bezaubernden, in einem goldglänzenden Galakleid auftretenden Sol Gabetta, deren durch keine Künstlichkeit verfälschtes, unmittelbaren Ausdruck vermittelndes Spiel JMD-Präsident Hans-Herwig Geyer in seiner Laudatio hervorgehoben hatte. In der stimmungsvollen Abenddämmerung erklangen beim anschließenden Empfang in der Orangerie die Gläser, während Musiker des Ensembles „das blech“ mit sphärischen Klängen die Weite des Schlossparks durchmaßen. 

Heimstatt der Jeunesses Musicales

Weikersheim sei in der Tat „one original home of Jeunesses Musicales“, bekräftigte JMI-Präsident Per Ekedahl in seiner Eröffnungsrede. Die Gäste, neugierig auf die Qualitäten ihres World Meeting Centers, hatten sich ganz überwiegend im Logierhaus der Musikakademie einquartiert, und auch wer ein Hotelzimmer hatte, war doch gerne hier dabei, wo das Leben bis spät in die Nacht pulsierte. Am Abend der Eröffnung der Olympischen Spiele begeisterte die „family night“ mit Ballspielen von Boccia bis Volleyball und Bogenschießen im Schlossgraben selbst die notorischen TV-Gucker. Am „altfränkischen Tag“ bekamen die Gäste bei einem Ausflug nach Rothenburg einen märchenhaften Einblick in deutsche Vergangenheit, anschließend begrüßten im Schlosshof zu den Klängen des historischen Jagdhornbläsercorps Bad Mergentheim Bürgermeister Klaus Kornberger und Landrat Reinhard Frank, während die Tagungsteilnehmer und Weikersheimer Bürger Seifenblasen steigen ließen. In der Schlosskapelle versetzte der frühere JMD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg Peter Ammer mit seinem Kirchenchor und alten Sätzen und Orgelstücken an dem historischen Positiv die Gesellschaft in die Zeit des Hoforganisten Erasmus Widmann, während beim Festschmaus im Jeunesses-Keller die „Scheiredrescher“ in Landsknechtskostümen fünfstimmig aufwarteten. 

Im Zeichen der Jugend

Die JMD-Jugendinitiative „mu:v – Musik verbindet“ hatte ihr Camp, das bereits zum zweiten Mal über 100 Teilnehmer in Begeisterung versetzte (vgl. hierzu auch nmz-Beitrag S. 29), direkt der Weltkonferenz vorgeschaltet, um junge Teilnehmer und Delegierte aus dem Ausland einzubinden. Die 20 internationalen Teilnehmer waren bestens integriert, kein Wunder, denn „Musik verbindet“. Und am Abschlusstag des Camps bildete das JMI-Präsidium einen staunenden Teil des Publikums, das von Darbietung zu Darbietung durch das Schlossareal pilgerte. Dass Jugendliche fast völlig selbstständig ein solch großes und sicht- und hörbar erfolgreiches Jugendcamp konzipieren und organisieren, das kennt man auch in anderen Ländern der JM nicht. Die JMD konnte damit dem „Manifesto for Youth“ des Internationalen und des Europäischen Musikrats, deren Generalsekretärinnen Silja Fischer und Simone Dudt zu den Gästen der Konferenz gehörten, gleich eine anschauliche Facette geben.

Die mu:vler animierten auch die Delegierten am ersten Konferenztag zu zwei Workshops, in denen sie deutsche Volkslieder in überraschend kurzer Zeit mehrstimmig einstudierten und mit Percussion und Bodypercussion die Lebensgeister weckten. Das abendliche Konzert des Ensembles „das blech“ war ebenfalls ein Beitrag von mu:v und begeisterte nicht allein musikalisch durch die raffinierte Verbindung von Klassik und Jazz, sondern auch durch sein Setting auf der Streuobstwiese des Schlossparks, wo das Publikum auf Decken und Klappstühlchen campierte. 

Als jugendlichen Delegierten hatte die JMD Nils Matthiesen besetzt, der zur Zeit in Sachsen bzw. Brandenburg aktiv ist und mit seinem ebenfalls studentischen Kollegen von der neuen JM Polen Gespräche über erste konkrete Kooperationsmöglichkeiten aufnahm. Welche Ausstrahlung die internationalen Projekte der JMI gewinnen, zeigte beim Abschlusskonzert der Tagung das JM Jazzworld Orchestra, das in der Orangerie mit einem transparenten, den beseelten bis kraftvollen Einlagen seiner Solisten Raum gebenden Klang unter seinem Leiter Sigi Feigl überzeugte.

Globale Vernetzung nimmt zu

Einstimmig nahm die Versammlung folgende neue nationale Sektionen auf: die JM Polen, wo junge Aktive an die noch vorhandenen Spuren der einstmals sehr aktiven Organisation anknüpfen, die JM Armenien, wo das nationale Jugendorchester eine landesweite Reichweite entfaltet, die JM Bosnien-Herzegowina, wo es auch um die innere Einigung eines immer noch zerrissenen Landes geht, die JM Uganda mit dem Ansatz, auch die traditionelle afrikanische Musik in die Aktivitäten einzubinden, und die JM Zypern, wo ein Brückenschlag in die arabischen Länder des Nahen Ostens entsteht. Assoziierte Mitgliedsorganisationen in Frankreich, Australien, im Kongo und im brasilianischen Bundesstaat Sao Paolo ergänzen das JM-Spektrum in weiteren Ländern. Dass der JMI in diesem Jahr zehn Mitgliedschaftsanträge vorlagen, die allesamt von gut aufgestellten, kompetenten und für die Ziele der JMI relevanten Organisationen kamen, ist auch ein Ergebnis der systematischen Mitgliederpolitik. 

Unter den internationalen JMI-Projekten rückte „Music Crossroads Southern Africa“ durch die Neuausrichtung zum Aufbau nachhaltiger musikpädagogischer Arbeit in zunächst drei afrikanischen Ländern in den Blickpunkt. Der Weltjugendchor wird neuerdings in direkter Verantwortung der JMI von Brüssel aus gemanagt. Das JM World Orchestra hat eine eigene Organisationsform angenommen und bereitet sein Comeback als interkulturelles Projekt mit einer China-Tournee in 2014 vor. Die JM Europe will mit „music bridges“ besonders die Musikkultur der slawischen Länder thematisieren. Das „Euro-Arab Youth Music Center“ auf Zypern ist ein konkreter Ansatz einer Verbindung in die Länder des arabischen Kulturraumes, der mit Vertretern aus Jordanien, darunter dem Direktor der Akademie für Arabische Musik in Amman, auf der Konferenz präsent war.  

JMD als starke Säule der JMI

Mit 119 von 119 Stimmen wählte die Versammlung JMD-Generalsekretär Uli Wüster ins Board und danach zum Vizepräsidenten. JMD-Präsidiumsmitglied Philipp Vandré wurde Mitglied des „Ethno Committees“ und wird für Herbst 2013 ein Ethno-Camp in Weikersheim vorbereiten. Tobias Schröter wurde zum Vorsitzenden der „Election Commission“ gewählt, wo ihm die internationale Kandidatensuche für Gremien und Arbeitsgruppen obliegt. Gehört die JMD seit jeher zu den starken JMI-Mitgliedern, so wird sich ihr Generalsekretär Uli Wüster in seiner neuen Funktion als Vizepräsident noch wirkungsvoller für Ziele einbringen können, die eine breite Zustimmung finden: Die Vielfalt der nationalen Sektionen als deren Stärken und als innovativen Kompetenzpool zu stärken,  Impulse aus der JMD-Jugendinitiative mu:v einzubringen, um dem Charakter der JM als „Jugendverband“ noch stärker Rechnung zu tragen; eine grundlegende Überarbeitung der Satzung des Weltverbandes zugunsten mitgliederorientierter und demokratischerer Strukturen vorzunehmen; das System der „World Meeting Center“ und deren Kooperation auszuweiten.

Daneben wird die JMD insbesondere den Austausch zwischen Jugendorchestern der Mitgliedländer intensivieren und hatte dafür alle Delegierten gebeten, jeweils drei Kontaktadressen mitzubringen – ein beachtlicher Start mit fast 100 Kontakten in aller Welt. Nicht zuletzt als Vorstandsmitglied des JM Weltorchesters, das als eigener Verein seinen Sitz in Berlin hat, wird sich Wüster auch für ein Gleichgewicht der Klassischen Musik innerhalb des weltweiten Netzwerks einsetzen. Mit der JM Canada, deren neue Generalsekretärin Daniele Leblanc ihre Einladung zur 68. Weltkonferenz der JMI in Montreal mitgebracht hatte, gibt es dafür einen idealen Mitstreiter. 

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