Ausgelöst wurde diese Gesetzgebungsinitiative durch den Künstlerbericht der Bundesregierung von 1975 und den diesem zugrunde liegenden Künstlerreport des Institutes für Projektstudien von 1973, dessen Aussagen und Analysen auf einer breit angelegten Umfrage bei Künstlern und Publizisten zurückgehen.
Mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), das nach einer längeren Entwicklungsphase 1983 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber eine Maßnahme zur sozialen Sicherung von Künstlern und Publizisten vollzogen. Durch dieses Gesetz werden die bisher nicht sozial abgesicherten selbstständigen Künstler wie Arbeitnehmer in das System der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung einbezogen. Ausgelöst wurde diese Gesetzgebungsinitiative durch den Künstlerbericht der Bundesregierung von 1975 und den diesem zugrunde liegenden Künstlerreport des Institutes für Projektstudien von 1973, dessen Aussagen und Analysen auf einer breit angelegten Umfrage bei Künstlern und Publizisten zurückgehen. Der Deutsche Musikrat hat sich an der Diskussion um die soziale Sicherheit der Künstler und dem dazu eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren von Anfang an intensiv beteiligt und die Belange des Musiklebens eingebracht. Zu dem vom Institut für Projektstudien in den Jahren 1972 und 1973 erarbeiteten Künstlerreport, auf dem der Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht, 1975) basiert, hat der Deutsche Musikrat wesentliche Aussagen, Analysen und Daten zum Musikleben beigetragen.Die Konferenz künstlerischer Berufsverbände, der der Deutsche Musikrat und 10 seiner Mitgliedsorganisationen zusammen mit weiteren Kulturberufsverbänden angehörten, hat im Juni 1975 eine Stellungnahme mit einem Problemkatalog zum Künstlerbericht der Bundesregierung abgegeben. „Konsequenzen aus dem Künstlerbericht der Bundesregierung“ war das Hauptthema der 16. Generalversammlung des Deutschen Musikrates im Oktober 1975 unter Beteiligung von Vertretern aller politischen Parteien. Mit den Bundestagsberatungen des von der Bundesregierung 1978 eingebrachten Entwurfs eines Künstlersozialversicherungsgesetzes wurde für einen Teilbereich der im Künstlerbericht dargestellten Problemfelder und Defizite ein gesetzgeberischer Lösungsversuch unternommen.
Bei den Anhörungen der Verbände zu dem Gesetzentwurf haben die Vertreter des Deutschen Musikrates und einige Mitgliedsorganisationen vor dem zuständigen Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages vor allem Interessen der freiberuflichen Musiker und Musikpädagogen, also der künftig zu Versichernden, vertreten; zur Frage der Künstlersozialabgabe haben Vertreter der Wirtschaftsverbände Stellung genommen.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes im Januar 1983 hat die Arbeitsgemeinschaft Musikberufe die Auswirkungen auf die Versicherten registriert und Verbesserungen angemahnt. Als Folge der Novellierung des KSVG 1989 und der daraus resultierenden Heranziehung vieler Musikorganisationen zur Künstlersozialabgabe durch die Künstlersozialkasse wurde die Abgabepflicht zu einem so gravierenden allgemeinen Problem für das Musikleben, dass das Präsidium des Deutschen Musikrates 1995 auf Anregung der Generalversammlung eine eigene Arbeitsgruppe einsetzte. Aufgrund der Tatsache, dass nun auch kulturfördernde und gemeinnützig tätige Musikorganisationen und -institutionen, unter anderem Laienmusikvereine und -verbände als abgabepflichtig nach dem KSVG erklärt wurden, hat die Arbeitsgruppe entsprechende Änderungsvorschläge für den Gesetzgeber formuliert; an der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur geplanten Novellierung haben Vertreter der Arbeitsgruppe mitgewirkt.
Im Jahr 1976 beschloss die Bundesregierung auf der Basis der Künstlerenquête 1973 und des Autorenreports von 1972, die soziale Lage der Künstler zu verbessern. Dies legte die Schaffung eines sozialen Verwaltungssystems, bundeseinheitlichen und gesetzlich verankerten sozialen Systems nahe. 1976 legte die sozialliberale Koalitionsregierung einen Gesetzentwurf für ein Künstlersozialversicherungsgesetz vor.
Der Gesetzentwurf spiegelte die Problematik wieder, inwieweit selbstständige Künstler und Publizisten als Unternehmen zu qualifizieren sind, oder ob nicht vielmehr die arbeitnehmerähnlichen Merkmale überwiegen.
Im ersten Gesetzentwurf von 1976 sollten selbstständige Künstler und Publizisten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung pflichtversichert werden. Selbstständige Künstler und Publizisten sollten für den Arbeitnehmeranteil der Beiträge aufkommen, die Vermarkter künstlerischer und publizistischer Leistungen für den Arbeitgeberanteil. Dagegen leistete die Gesellschaftsgruppe der Verwerter und Vermarkter erheblichen Widerstand. Der Bundesrat lehnte das Gesetz ab. Erst der zweite Entwurf zum KSVG von 1979 enthielt erstmals einen Bundeszuschuss zur Aufbringung des Arbeitgeberanteils. Dies mit der Begründung, dass selbstständige Künstler und Publizisten teilweise auch ohne Zwischenvermarkter direkt an den Endverbraucher verkaufen. Mit dem dritten Entwurf von 1979 wurde die Künstlersozialkasse (KSK) eingeführt. Der vierte Entwurf des KSVG wurde 1981 schließlich vom Deutschen Bundestag verabschiedet, der Bundesrat stimmte diesem Gesetz nicht zu.
Das KSVG trat am 1.1.1983 in Kraft. Die ersten praktischen Erfahrungen nach Erlass des Gesetzes zeigten, dass die Verwaltung der KSK in der Rechtsform als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts dem Ansturm der großen Zahl an Versicherten nicht gerecht werden konnte, die Verwerter verweigerten ihre Beitragszahlung und klagten schließlich beim Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die nicht gegebene Verfassungskonformität des KSVG.
Entwicklung des Gesetzes
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1987 wurde das Gesetz weiterentwickelt. Im Jahr 1987 wurde ein Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung erlassen, womit die zuvor selbstständige KSK an die LVA Oldenburg-Bremen angegliedert wurde. Der Bundeszuschuss wurde von 17 auf 25 Prozent erhöht. Der Abgabesatz der Vermarkter wurde einheitlich auf fünf Prozent festgesetzt. Der Kreis der Abgabepflichtigen wurde um die Eigenwerbung betreibenden Unternehmen erweitert, § 52 V a.F. wurde als nicht verfassungskonform gestrichen – diese Vorschrift hatte zu einer Doppelbelastung für die Vermarkter geführt.
Im Jahr 1988 wurde das KSVG novelliert mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und Präzisierung der Künstlersozialabgabe. Das Einzugsverfahren wurde dem allgemeinen Beitragsseinzugsverfahren der Sozialversicherungsträger angepasst (Mindestbeiträge wurden eingeführt, jährlich stabiler Versicherungsbeitrag). Betreffend der Definition der Unternehmen wurde eine Generalklausel eingeführt, wonach Unternehmen, die mehr als gelegentlich künstlerische und publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sind. Außerdem wurden die sogenannten bereichsspezifischen Abgabesätze für die Sparten Kunst, Wort, Musik und darstellende Kunst eingeführt.
Die im Gesetz direkt präzise definierten Begriffe des Künstlers und des Publizisten erfuhren durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte vielfach Erweiterungen und Neuinterpretationen.
Aktuelle Problematik
Seit Beginn der 90er-Jahre gab es Versuche, den Bundeszuschuss zu senken, die jedoch am Widerstand scheiterten. Im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes, eines nicht zustimmungspflichtigen sogenannten Man- telgesetzes wurde ohne Anhörung der betroffenen Gesellschaftsgruppen innerhalb weniger Wochen das KSVG zum Nachteil der Abgabepflichtigen geändert: Der Bundeszuschuss wurde von 25 auf 20 Prozent abgesenkt, die bereichsspezifische Aufteilung der Abgabesätze für alle Sparten vereinheitlicht und auf 4 Prozent ab 1.1.2000 festgesetzt.
Für das Musikleben bedeutet dies eine Erhöhung um cirka 120 Prozent bezogen auf den Abgabesatz des Jahres 1998, also mehr als eine Verdoppelung des Abgabesatzes. Das Gesetz passierte trotz vielfacher Proteste der einzelnen Bundeskulturverbände, so auch des Deutschen Musikrates und des Deutschen Kulturrates, den Deutschen Bundestag. Als Reaktion auf die scharfen Einsprüche der Kultur und Kulturwirtschaft und die Bedenken mehrerer Abgeordneter wird eine Novellierung des KSVG im Frühjahr 2000 in Aussicht gestellt.
Der Deutsche Kulturrat hat mit seinen Bundesverbänden ein Positionspapier erarbeitet, das zum einen Verbesserungen für den Versicherungsschutz der Künstler und Publizisten vorsieht, zum anderen vorschlägt, die Systematik der Aufbringung des Arbeitgeberanteils zu ändern. Eine seriöse Argumentation kann nur anhand sorgfältiger Erhebungsdaten erfolgen. Um objektive Zahlen zu erhalten, wird von den Bundeskulturverbänden ein Künstlersozialbericht empfohlen, in dem aktuelle Daten erhoben werden und der zudem die Auswirkungen der sich rasch verändernden Rahmenbedingungen für die Künstler und Publizisten in der Informationsgesellschaft aufgreift. Dieser Report soll überdies die noch ungelöste Frage nach der Alterssicherung enthalten.
Position des Musikrates
Der Deutsche Musikrat ist von der Novellierung, das heißt von der Verdoppelung des Beitragssatzes als Konsequenz hart getroffen – ebenso nahezu alle im Deutschen Musikrat zusammengeschlossenen Bundesorganisationen. Der Deutsche Musikrat hat an der Empfehlung des Deutschen Kulturrates mitgewirkt. Er kann allerdings keine einheitliche Stellungnahme für alle Mitgliedsorganisationen abgeben, da dort sowohl selbstständige Künstler vertreten sind wie auch Verwerter und Vermarktungsorganisationen.
Dennoch: Durch die im Haushaltssanierungsgesetz vom Ende letzten Jahres beschlossene Kürzung des Bundeszuschusses und die gleichzeitige Vereinheitlichung des Satzes der Künstlersozialabgabe für die Bereiche Wort, Musik, darstellende und bildende Kunst wurden durch einen Federstrich strukturelle Eckpunkte dieses Gesetzes massiv verändert. Vielen Abgeordneten auch der Regierungskoalition war bei dieser Maßnahme nicht wohl, weshalb eine baldige Novellierung angekündigt wurde, vor allem auch deshalb, weil in einem kurzfristig anberaumten Gespräch mit Experten im Kultur- und Medienausschuss des Bundestages einhellig vor der Gesetzesänderung nachdrücklich gewarnt worden war.
Für die Abgabepflichtigen im Bereich Musik (und das sind nicht nur professionelle Vermarkter, sondern auch viele gemeinnützige Institutionen und nicht gewinnorientierte Veranstalter und Verbände wie auch der Deutsche Musikrat) bedeutet die neue Situation eine Kostensteigerung um 120 Prozent! So entstand das in vielen Fällen schwer lösbare Problem, in bereits festgelegten und beschlossenen Haushalten diese gewaltige Erhöhung von 1,6 Prozent auf 4 Prozent einzubauen und zu realisieren. In der Konsequenz befürchtet der Deutsche Musikrat große Gefahren für das Musikleben, weil bereits Äußerungen von namhaften und einflussreichen Politikern vorliegen, die den Bundesanteil möglicherweise nochmals, und zwar auf 15 Prozent (entsprechend den Forderungen des Bundesrechnungshofes) senken wollen und auch die Verwaltungskostenübernahme der Künstlersozialkasse seitens des Bundes in Frage stellen.
Dieser befürchtete Kahlschlag steht in krassem Gegensatz zur Koalitionsvereinbarung dieser Regierung, die expressis verbis eine Verbesserung des KSVG und der sozialen Lage der Künstler und Publizisten festgelegt hat.
Es war seinerzeit der erklärte Wille des Gesetzgebers, die zahllosen laienkulturellen Aktivitäten, vor allem in der Musik, von der Abgabepflicht des KSVG zu befreien, sofern, zum Beispiel bei Chören, nicht mehr als zwei Veranstaltungen im Jahr mit eigens engagierten Künstlern stattfinden. Das heißt, der Gesetzgeber nahm den Bund in die Pflicht, für diesen Bereich de facto die Abgabepflicht zu übernehmen, zusätzlich zum Anteil der so genannten „Selbstvermarkter“, deren Anteil im Übrigen sehr schwer genau festzustellen ist. Im Interesse unserer Musikpflege muss diese kulturstaatliche Verpflichtung des Bundes erhalten bleiben und darf nicht dem Rotstift zum Opfer fallen.
Der Deutsche Kulturrat hat unter intensiver Mitberatung des Deutschen Musikrates zu diesem Thema einige Vorschläge ausgearbeitet, die sämtliche Kulturorganisationen betreffen und die durch eine neue Systematik die Diskrepanz zwischen kulturell-sozialer Verpflichtung den Künstlern gegenüber und einer gebotenen Sparsamkeit aufzulösen versucht.