Am 8. Oktober 2023 finden in Bayern Landtagswahlen statt. Zu diesem Anlass hat der VBS wieder „Wahlprüfsteine“ an die demokratischen Parteien im Bayerischen Landtag versandt. Bis zum Redaktionsschluss lagen Statements von Bündnis90/Die Grünen und den Freien Wählern vor. Die Wahlprüfsteine von CSU, FDP und SPD werden in der nächsten Ausgabe der neuen musikzeitung abgedruckt. Ausführliche Fassungen aller eingegangenen Beiträge können auf unserer Homepage unter www.vbsmusik.de nachgelesen werden. Die Antworten sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
„Wie halten Sie es mit musikalischer Bildung?“
Quereinsteiger ja, nein?
Angesichts des Lehrkräftemangels in Bayern werden derzeit verstärkt Quereinsteigerinnen und -einsteiger an die Schulen geholt. Wie steht Ihre Partei zu dieser Praxis? Wie wollen Sie sicherstellen, dass an Bayerns Schulen dauerhaft angemessen qualifizierte Lehrkräfte unterrichten?
Bündnis90/Die Grünen
„Der Quereinstieg muss transparenter und einfacher gehen. Wir schaffen eine intensivere Begleitung und Nachqualifizierung für Quereinsteiger*innen und sorgen dafür, dass Evaluationen des Quereinstiegs datenbasiert und durch wissenschaftliche Begleitung erfolgen.
Wir flexibilisieren die Lehramtsausbildung, indem wir sie auf ein Bachelor-Master-System umstellen und ein gemeinsames pädagogisch-didaktisches, fachliches Grundstudium für alle Lehrämter mit einer späteren Spezialisierung auf eine bestimmte Schulart einführen. So erleichtern wir Lehramtsstudierenden bis zum Ende des Studiums einen Wechsel zwischen den Lehramtsstudiengängen. Zudem entlasten wir durch mehr Verwaltungspersonal die Lehrkräfte und etablieren multiprofessionelle Teams an den Schulen. So wird der Lehrberuf wieder attraktiver.“
Freie Wähler
„Für den Bereich des Musikunterrichts sind wir nach wie vor der Ansicht, dass Kooperationsprogramme mit den örtlichen Sing- und Musikschulen zu entwickeln sind. Entsprechend sollten auch für den Bereich Kunst neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Partnern geschaffen werden. Gerade im Zuge des Ausbaus von Ganztagsschulen halten wir eine konsequente Förderung der Kooperation von Schule und Kultur für zwingend erforderlich. Auch in der kommenden Legislaturperiode werden wir dazu politische Initiativen ergreifen. Vor allem die Einbindung ortsansässiger Künstlerinnen und Künstler und eine entsprechende Vergütung birgt spannende Möglichkeiten. So kann die Kunstbildung in die Schulfamilie eingebunden und gleichzeitig eine Unterstützung der Kulturschaffenden und der örtlichen kreativen Szene erreicht werden.“
Benachteiligung beseitigen
97 Prozent der bayerischen Mittelschullehrkräfte verfügen über keinerlei musikalische Ausbildung, obwohl sie das Fach unterrichten müssen. An den meisten bayerischen Mittelschulen fehlen überdies Fachräume und Instrumente. Was wird Ihre Partei tun, um dieser eklatanten Benachteiligung abzuhelfen?
Bündnis90/Die Grünen
„Wir betrachten mit Sorge, dass es zu wenige ausgebildete Musiklehrkräfte an den Mittelschulen gibt. Außerdem mangelt es den Schulen oft an den räumlichen Voraussetzungen und einer guten Ausstattung für den Musikunterricht.
Das werden wir ändern und für den Lehrerberuf werben: Wer Musik unterrichtet, bekommt einen sicheren Arbeitsplatz, aber auch gute Arbeitsbedingungen und einen attraktiven Job. Gerade im künstlerischen Bereich ist der Beruf eines Musiklehrers oder einer Musiklehrerin attraktiv – diese Attraktivität muss besser vermittelt werden.“
Freie Wähler
„Für uns ist auch klar, dass der Wert musikalischer Bildung im öffentlichen und politischen Diskurs wieder deutlicher gemacht werden muss. Für uns FREIE WÄHLER heißt das: die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, die Verbesserung der Versorgung der Schulen mit Musiklehrkräften, eine gute Ausstattung der Schulen mit Musikräumen und Musikinstrumenten sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Musiklehrkräften, beispielsweise auch durch mehr Anrechnungsstunden für die Leitung von schulischen Musikgruppen, die mit ihrer Arbeit ganz wesentlich zur kulturellen Prägung des gesamten Schullebens beitragen.“
Auch an vielen Grundschulen fehlt es nach wie vor an qualifizierten Lehrkräften und angemessener fachlicher Ausstattung. Was wird Ihre Partei im Falle einer Regierungsverantwortung tun, um dieser hoch problematischen Situation im „Kulturstaat Bayern“ abzuhelfen?
Bündnis90/Die Grünen
„Grundschullehrkräfte müssen zwar eine Basisqualifikation in Musik erwerben. Diese ist aber oftmals nicht ausreichend. Wir unterstützen eine bessere Qualifizierung der Grundschullehrkräfte im ästhetisch-musikalischen Bereich sowohl im Studium als auch durch Fort- und Weiterbildung. Auch hier müssen die räumlichen Voraussetzungen – gerade in Hinblick auf den kommenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und -betreuung – sowie die Ausstattung für den Musikunterricht dringend verbessert werden.“
Freie Wähler
„An den Grundschulen in der dritten und vierten Klasse sind bereits jetzt zwei Unterrichtsstunden im Bereich Musik vorgesehen. Wir haben an den Grundschulen das Klassenleiter-Prinzip, so dass die Klassenleiterin oder -leiter eine bestimmte Flexibilität hat, siehe zur weiteren Ausgestaltung auch grundsätzlich zu Frage 51).“
Ensembles wieder aufbauen
Nach der Corona-Pandemie müssen viele Chöre, Orchester, Bigbands oder Blasorchester mühsam wieder aufgebaut werden. Was wird Ihre Partei in den kommenden Jahren unternehmen, um schulisches Musikleben und die bayerische Laienmusikkultur dabei aktiv zu unterstützen?
Bündnis90/Die Grünen
„Die Pandemie hat in allen Bereichen der Kultur Wunden hinterlassen, die nur langsam heilen. Gerade die Laienmusik hat schmerzhaft unter den notwendigen Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie gelitten. Die engagierten Vereine und Verbände benötigen nun Unterstützung und verlässliche Finanzierung, um Strukturen wieder aufzubauen, Angebote zu verstetigen, Nachwuchs zu gewinnen und langfristig zu binden. Mit dem Bayerischen Musikplan liegt ein tragbares Konzept zur Stärkung der Musik in Bayern und auch der Laienmusik vor. Wir setzen uns für eine konsequente Umsetzung des Bayerischen Musikplans ein: Musiklehrer*innen an Schulen und an Einrichtungen der Kulturellen Bildung müssen vernünftig bezahlt werden, Instrumente und Noten umfassend förderfähig sein und die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den Verbänden gestärkt werden. Eine große Herausforderung für viele Vereine und Verbände ist außerdem der bürokratische Verwaltungsaufwand. Wo möglich, wollen wir die Bürokratie verschlanken.“
Freie Wähler
„Wie wichtig die künstlerischen Fächer sind, wie wichtig auch Sport ist, haben wir deutlich in der Corona-Pandemie gesehen. Die Ausstattung der Schulen mit Musik- und Proberäumen sowie einem ausreichenden Inventar an Musikinstrumenten ist Grundvoraussetzung, schulisches Musikleben wieder zu ermöglichen. Musiklehrkräfte müssen über ihre Unterrichtszeit hinaus auch ausreichend Zeit für außerunterrichtliche Projekte und schulische Musikgruppen, wie Schulorchester, Bigbands, Percussiongruppen oder Schulchöre, erhalten. Zugleich müssen anerkannte Schülerwettbewerbe wie Jugend musiziert stärker gefördert und durch gezielte Werbe- und Fördermaßnahmen sowie beispielsweise auch mithilfe von Rundbriefen stärker ins Bewusstsein der gesamten Schulfamilie gerückt werden. Nur unter diesen Bedingungen wird sich eine musikalische Schulkultur, die durch die Corona-Pandemie teilweise zum Erliegen gekommen ist, schnell wiederbeleben und aufbauen lassen.“
Musikunterricht im Ganztag
Der weitere Ausbau schulischer Ganztagsangebote eröffnet wichtige Möglichkeiten kultureller Bildung und Teilhabe. Welchen Stellenwert misst Ihre Partei dabei dem schulischen Musikunterricht und den Musiklehrkräften bei? Wie wollen Sie diesen Bereich fördern?
Bündnis90/Die Grünen
„Sing- und Musikschulen, Jugendkunstschulen sowie alle weiteren außerschulischen Verbände und Organisationen vernetzen wir besser mit den kommunalen und staatlichen Bildungseinrichtungen und treiben Kooperationen voran. So stärken wir bestehende Angebote und schaffen Synergien. Für uns ist die kulturelle Bildung essenzieller Bestandteil eines soliden Ganztagsangebots. Denn zu einer guten Ganztagsschule gehört es, Musik fest im Schulalltag zu verankern, ebenso wie handwerkliche Tätigkeiten, Kunst, Bewegung und Theater. Ein Kompetenzzentrum kulturelle Bildung und Vermittlung kann gerade mit Blick auf den Ganztag ab 2026 die Transformation der Bildungsstätten begleiten, Informationen bündeln, Wissen weitergeben und beim Entwickeln von neuen Formaten unterstützen.“
Freie Wähler
„Sport, Musik und Kunst sind im Zusatzangebot der Ganztagsbetreuung an Schulen unverzichtbar. Sie ergänzen das im Unterrichtsalltag oftmals stark auf kognitive Fähigkeiten fokussierte Bildungsangebot und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur ganzheitlichen Bildung von Schülerinnen und Schülern. Ganztagsschulen unterstützen zudem die individuelle Förderung von Schülern über den Unterrichtsstoff im engeren Sinne hinaus und tragen damit auch zu mehr Chancengerechtigkeit bei: Dies gilt insbesondere auch für musikalische Bildungsangebote, die außerhalb der Schule für sozial schwächer gestellte Familien häufig kaum zu finanzieren sind. Dabei kann insbesondere der Einbezug außerschulischer Partner das Bildungsangebot der Ganztagsschulen bereichern. Hierzu notwendig ist fachlich und didaktisch geschultes Personal, das im Rahmen des Ganztags ein qualitativ hochwertiges Musikangebot gewährleisten kann. Dies ist aber von den Trägern der Ganztagsangebote nur durch eine ausreichende Bezuschussung vonseiten des Freistaats zu leisten. Eine solche Bezuschussung muss sich endlich auch an der Lohnentwicklung orientieren. Nur so lässt sich auch auf längere Sicht sicherstellen, dass qualifizierte Kräfte im Rahmen des Ganztags kontinuierlich tätig sind.“
Lehrkräfte zweiter Klasse?
Musiklehrkräfte an Bayerns Gymnasien und Realschulen werden als „Lehrkräfte zweiter Klasse“ behandelt: Ihr Unterrichtsdeputat liegt um 17 Prozent über dem von Lehrern in so genannten „wissenschaftlichen“ Unterrichtsfächern. Was wird Ihre Partei unternehmen, um diese Ungerechtigkeit zu beenden?
Bündnis90/Die Grünen
„Wir Grünen erkennen die Arbeit von Lehrkräften in allen Schularten und Fächern grundsätzlich als gleichwertig an, ohne dabei unterschiedliche Belastungen zu vernachlässigen. Wir wollen eine Neubewertung der Arbeitszeit von Lehrkräften anstoßen.“
Freie Wähler
„Mit 27 Unterrichtspflichtstunden am Gymnasium (ausgenommen das musische Gymnasium) und 28 Unterrichtspflichtstunden an der Realschule für Musiklehrkräfte liegt Bayern im Vergleich mit anderen Bundesländern deutlich im oberen Feld. Gleichzeitig erfolgt in Bayern eine Differenzierung der Unterrichtsverpflichtung nach wissenschaftlichen Fächern einerseits sowie nach Sport, musischen beziehungsweise praktischen Fächern andererseits. In anderen Bundesländern wird die Unterrichtspflichtzeit dagegen nicht von einem fachspezifischen Unterrichtseinsatz abhängig gemacht.
Das macht aus Sicht der FREIEN WÄHLER deutlich, dass man die derzeitige Praxis in Bayern durchaus überdenken sollte. Grundsätzlich gilt, die in einem Wochenstundenmaß bemessene Unterrichtspflichtzeit der Lehrer wird unter pauschalierender Betrachtung festgesetzt. Der Unterricht soll dabei einschließlich der Vor- und Nachbereitungszeiten der gesetzlichen Regelarbeitszeit entsprechen. Es bleibt jedoch aus unserer Sicht fraglich, ob eine pauschalierende Betrachtung den Anforderungen an einen zeitgemäßen und pädagogisch hochwertigen Musikunterricht gerecht werden kann. Wir FREIE WÄHLER möchten uns daher dafür einsetzen, die Benachteiligungen durch die aktuelle Bemessung der Unterrichtspflichtzeit insbesondere auch im musischen Bereich zeitnah abzubauen. Daher werden wir uns dafür einsetzen, dass die pauschalierende Betrachtung unter Berücksichtigung der realen Gegebenheiten einer zeitgemäßen und pädagogisch hochwertigen Unterrichtsvor- und -nachbereitung wissenschaftlich fundiert weiterentwickelt wird.“
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