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Musikschule, Kita und Grundschule vernetzen

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Der Kongress „Einfach musizieren!?“ diskutierte zentrale Fragen
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Vom 18. bis 19. März fand in der Hochschule für Musik Würzburg der Kongress „Einfach musizieren!?“ statt. Der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) hatte gemeinsam mit der Hochschule für Musik Würzburg das Fachpublikum aus dem gesamten Bundesgebiet eingeladen. Der Untertitel „Kinder auf dem Weg zu Instrument und Stimme/Orientierungsangebote an Musikschulen und Grundschulen“ beleuchtete das Kongressthema genau: Aufgrund des Strukturwandels in den allgemeinbildenden Schulen müssen zukünftig Orientierungsangebote auf dem Weg zu Instrument und Stimme an Grundschulen stärker und pädagogisch stimmig mit den Kernaufgaben der öffentlichen Sing- und Musikschule verknüpft werden.

Die Tagungsstruktur war dreigliedrig: Wissenschaftlich geprägte Fachvorträge gaben in knapper Form die inhaltlichen Impulse, in den Workshops konnten die Teilnehmer in die Praxis eintauchen und mit der Konferenzmethode „World Café“ wurde der fachliche Diskurs zu den pädagogischen Herausforderungen gesucht. Im Rahmen einer Poster-Präsentation war eine „Schau der Möglichkeiten“ geboten, wobei jeweils erfahrene Ansprechpartner Rede und Antwort standen. „Der Tagungscharakter verlangte es nicht ‚Tore zu schießen‘, beispielsweise in Form einer abschließenden Resolution“, so Peter Pfaff, Bildungsreferent an der Beratungsstelle für das Musikschulwesen Bayern. „Das Ziel war, mit verschiedenen Beteiligten aus Musikschulen, Grundschulen, Behörden und Musikverbänden in den fachlichen Diskurs und ins Gespräch über Praxisfragen zu kommen.“

Als Projektleiter der VdM-Initiative „Musikalische Bildung von Anfang an“ eröffnete Michael Dartsch, Professor für Elementare Musikpädagogik in Saarbrücken, die Runde der Fachvorträge. Er machte deutlich, wie die Arbeitsweise der Elementaren Musikpädagogik (EMP) auf dem Weg zu Instrument und Stimme für Vielseitigkeit, Bewegung und grundlegende Erfahrungen mit Musik sorgen kann.

Sabine Friedrich, die an der Grundschule Langendorf unterrichtet und mit der Musikhochschule Würzburg zusammenarbeitet, hat den Lehrplan Musik für die Grundschule im Hinblick auf das Thema „Aktiv in der Klasse musizieren“ durchleuchtet. Festzustellen ist, dass der Aspekt „Bewegung“ noch weitestgehend im Unterrichtsfach Sport vorherrscht; dort aber vor allem unter dem Aspekt der Leistungsorientierung wahrgenommen wird. Der Wunsch aller Praxis-Fachleute richtet sich daher auf eine engere Verknüpfung von Bewegung und Musik in der Grundschule.

Der zentrale Vortrag von Prof. Barbara Busch, Hochschule für Musik Würzburg griff die Frage auf, was gute Orientierungsangebote ausmacht. Die Referentin benannte verschiedene Kriterien und hob als eines der wichtigsten den adäquaten Umgang mit der Heterogenität einer Gruppe hervor. Als weitere „Gelingensbedingung“ betonte Busch die Notwendigkeit eines hohen Anteils an echter Lernzeit sowie ein lern- und musizierfreundliches Klima. Ein normales Klassenzimmer sei nicht unbedingt für Musikunterricht geeignet. Busch wies weiter darauf hin, wie hilfreich der Unterricht im Tandem sei, und zwar nicht nur, um mit größeren Gruppen umgehen zu können, sondern auch, weil sich die unterschiedlichen Potenziale der Lehrenden hervorragend ergänzten. Busch nannte die Wichtigkeit der Methodenvielfalt sowie eine spannende Unterrichtsdramaturgie als weitere Kriterien.

Kerstin Wilke, Universität Kassel, gab in ihrem Vortrag Einblicke in das hessische Modellprojekt „Musikalische Grundschule“. Die Universität Kassel hat dieses Projekt evaluiert und festgestellt, inwiefern Musik und kulturelle Bildung die Schulentwicklung tatsächlich stärken. Sie kam zum Ergebnis, dass musikalische Projekte und Orientierungsangebote für eine neue Kommunikationskultur und Dynamik sorgen, wie sie in Grundschulen selten zu finden sei.

Der Vortrag von Prof. Wolfgang Lessing, Hochschule für Musik Dresden, thematisierte die Partnerschaft mit den Eltern. Wichtig sei, so Lessing, neben dem pädagogischen Schwerpunkt der emotionalen Bindung zum Elternhaus, die verschiedenen Stufen von Transmission zwischen dem schulischen Angebot und dem Familienlernen konkret zu benennen.

Im Mittelpunkt der fünf Workshops standen die Fragen, wie die musikpädagogischen Ziele mit verschiedenen Methoden und innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen umgesetzt werden können. Neben Kursen wie „Aktiv Instrumente kennenlernen“, „Bewegungsorientiertes Musizieren“, „Arbeit in Großgruppen und im Tandem“ war der Workshop zum Thema Disziplin unter der Leitung von Martin Eibach, Gymnasium Herzogenrath, sehr gut besucht: Wie gehe ich mit Störungen in der Großgruppe um? Wie komme ich zur Ruhe mit meiner Klasse, um zum Musizieren zu kommen?

Mitveranstalter Peter Pfaff erklärt, dass in den Workshops die praxisbezogenen „Begegnungen“ zwischen Lehrkräften aus Musikschule und Grundschule ermöglicht werden sollten. „Das Konzept des Kongresses ermöglichte den Teilnehmern einen permanenten Perspektivenwechsel und lebte in der Vielfalt von Methoden auf. Damit dient das Kongresskonzept selbst als Vorbild für die pädagogische Arbeit“, sagt Pfaff. Die Aussage von Prof. Michael Dartsch, Bildung fände stets „im Spannungsfeld zwischen dem Eigenen und dem Anderen statt“, spiegelte sich vor allem in der Tagungsmethode „World Café“ wider. Dort kamen in zwei Stunden etwa 130 Menschen intensiv miteinander ins Gespräch. „Jeder hatte am Schluss das Gefühl“, so Pfaff, „dass er mit seinen Erfahrungen zu Wort gekommen war.“

Eine zentrale Frage, die sich für die bayerischen Musikschulen seit jeher stellt, kann nach dem Kongress neu formuliert werden: „Wie können wir an einer ‚Musikschule für alle‘ arbeiten und Inklusion zum Prinzip machen?“, führt Pfaff aus. Denn eines habe der Kongress erneut deutlich gemacht: Alle Kinder brauchen Musik und sie wollen von Musik berührt werden. Wie also gelingt es, so fragt man sich, die kulturelle Vielfalt zu erhalten, die Bildungsqualität ganz nahe am Kind zu orientieren und dabei noch den Potenzialen der Lehrenden und den örtlichen Ausprägungen eine Chance zu geben? Der VBSM stellt sich die Frage so: „Wie können wir – gemeinsam mit den Eltern und anderen Bildungspartnern – dem Kind positive, elementare Erfahrungen mit Musik und den Aufbau von Handlungskompetenzen so ermöglichen, dass es im Leben eigene Wege findet und dabei Musik ins Spiel bringen kann?“ Dort, wo es Musikschulen gibt, sind diese auch heute schon Zentren der musikalischen Bildung an ihrem Ort. Mittels des vielfältig ausgebildeten Kollegiums könnten sie zu Motoren werden, die zwischen den Beteiligten für Transmission sorgen. Daher gelte es, die verschiedenen Bildungsorte sowohl organisatorisch und fachlich als auch im Dialog auf Augenhöhe zu vernetzen. Abschließend noch einmal Peter Pfaff: „Der VBSM wird die Impulse aus dem Kongress in eine Arbeitsgruppe münden lassen, die aus erfahrenen Musikschulleitern besteht, aber auch Experten von außen, aus dem Kreis der Kongress-Referenten mit einbezieht. Die Arbeitsgruppe hat im kleinen Kreis bereits zum ers­ten Mal getagt und es sich zur Aufgabe gemacht, zunächst Qualitätskriterien für die Schlüsselstellen auf dem musikalischen Bildungsweg zu beschreiben. Da wird sicherlich der Fokus bei den Kindern unter zehn Jahren und auf einer Vernetzung der Bildungsorte Musikschule, Kita und Grundschule liegen. Im Anschluss will man sich der Jugend und dem lebenslangen Musizieren zuwenden. Auch der bayernweite Ausbau des Netzes öffentlicher Musikschulen wird von Bedeutung sein, denn eine ‚Musikschule für alle‘ soll erreichbar, zugänglich und bezahlbar sein.“

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