Beim 47. Bayerischen Musikschultag in Bamberg stand alles im Zeichen von Innovation und Kooperation: Unter dem Motto „Musikschule nachhal(l)tig! Auch im Ganztag“ versammelten sich Vertreter*innen aus Politik, Bildung und Kultur, um gemeinsam über die Integration musikalischer Bildung in den Ganztag nachzudenken und die zukünftige Rolle der Musikschulen in diesem Kontext zu stärken. Die Veranstaltung, organisiert von der Stadt Bamberg, der Städtischen Musikschule und dem Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V. (VBSM), setzte einen wichtigen Impuls für die weitere Vernetzung von Musikschulen und allgemeinen Bildungseinrichtungen.
Nachhaltige Impulse für die Ganztagsbildung
Zukunftsforum: Kooperation und Bildungsgerechtigkeit
Der VBSM konnte erstmalig im Rahmen des Zukunftsforums alle Beteiligten um einen Tisch versammeln und es wurde schnell klar, dass die Musikschulen als bewährte Kooperationspartnerinnen gar nicht aus dem Ganztag wegzudenken sind: Mit inspirierenden Impulsvorträgen stimmten Simone Schramm vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMUK) und Martina Wild, Zweite Bürgermeisterin von Augsburg, die Anwesenden auf die Herausforderungen und Chancen der Ganztagsbildung ein. „Musikschulen haben in ihrem Bereich einen wahnsinnigen Erfahrungsschatz“, betonte Schramm und hob die Möglichkeiten der Musikschulen hervor, durch Kooperation aktiv zur Schulgemeinschaft beizutragen. Die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ab 2026 gilt als bedeutende Chance für die Persönlichkeitsbildung der Schüler*innen. Wild unterstrich die Notwendigkeit, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit im Ganztag zu fördern, insbesondere in Großstadtsituationen, in denen viele Kinder wenig Zugang zu kulturellen Angeboten hätten. „Wir müssen an die Kinder und Familien denken, die es in ihrer Lebensrealität nicht leicht haben“, appellierte Wild, und betonte, wie wichtig es sei, kulturelle Bildung mit Sprachförderung und Bildungsbeteiligung zu verknüpfen.
Qualität durch externe Partner und Planungssicherheit
Lars Petersen vom Bayerischen Grundschulverband plädierte für eine verstärkte Einbindung externer Partner, darunter Musikschulen, in die Ganztagsbildung. „Wir brauchen eine Systemänderung, um qualifizierte Partner wie die Musikschulen einzubeziehen“, forderte Petersen. Diese Einbindung bedarf jedoch klarer Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, wie Julia Erche, Vorstandsmitglied im VBSM, hervorhob: „Um nachhaltig planen zu können, brauchen wir Sicherheit – sowohl in der Zugänglichkeit als auch in der Gestaltung.“ Doch die konkrete Gestaltung sowie die Finanzierung sind nunmehr die Fragen, die bei aller Einhelligkeit doch offenblieben.
In der Podiumsdiskussion wurde die Möglichkeit eines „Großraumganztags“ diskutiert, wie Markus Lentz, 1. Vorsitzender des VBSM, vorschlug. Kinder sollten die Gelegenheit haben, verschiedene Bildungs- und Freizeitangebote, wie Musikschule, Sportvereine und Theater, flexibel zu nutzen. Doch Petersen wies auf praktische Hürden hin, etwa den hohen Aufwand, wenn Grundschüler*innen weite Wege zurücklegen müssen – ein Beispiel, das auch beim Schwimmunterricht zu organisatorischen Herausforderungen führt.
Musikalische Bildung im Ganztag als gesellschaftliche Aufgabe
Die Bedeutung der musikalischen Bildung im Ganztagskonzept stand im Mittelpunkt der Diskussion. Prof. Dr. Katharina Deserno von der Hochschule für Musik Würzburg unterstrich den Wert der Musikschulen als außerschulische Bildungsorte und betonte, dass musikalische Bildung Kindern von Beginn an zugänglich gemacht werden müsse. Musikalische Bildung, so Deserno, sei „kein bloßes Zusatzangebot, sondern ein Grundrecht, für das wir kämpfen müssen.“ Es gehe nicht nur um musikalisches Training, sondern darum, jungen Menschen einen ganzheitlichen Bildungsweg zu ermöglichen, der von der Kita über die Schule bis hin zur Hochschule reicht.
Deserno forderte außerdem eine gerechte Bezahlung der Musikpädagog*innen, die künftig eine zentrale Rolle im Ganztag übernehmen sollen. Sie verwies darauf, dass Musikpädagog*innen eine hochqualifizierte Ausbildung durchlaufen und damit wesentlich zur Bildungsqualität beitragen. „Anerkennung ist sowohl ideell als auch finanziell notwendig“, so Deserno, um sicherzustellen, dass hochqualifizierte Fachkräfte im Bildungsbereich verbleiben.
Weiterbildungsbedarf der Lehrkräfte und die Bedeutung des „Schulterschlusses“
Ein weiterer Fokus des Musikschultags lag auf der Notwendigkeit der Weiterbildung für Musiklehrkräfte, die im Ganztag tätig sind. Karl Höldrich, Vorstandsmitglied im VBSM, wies darauf hin, dass Musikpädagog*innen umfassend auf das Arbeiten mit größeren Gruppen im Ganztag vorbereitet werden müssen. Die individuelle Förderung jedes Kindes bleibt ein Kernziel, doch Lehrkräfte sollten in der Lage sein, flexibel auf unterschiedliche Gruppengrößen und pädagogische Anforderungen zu reagieren.
Die Finanzierung und räumliche Ausstattung sind dabei zentrale Herausforderungen. Martina Wild sprach sich für eine Mehrfachnutzung von Räumen aus und forderte eine „integrierte Bildungsentwicklungsplanung“, bei der Räume und pädagogische Konzepte vor Ort gemeinsam gestaltet werden. Außerschulische Lernorte sollen dabei erhalten bleiben, was auch Markus Lentz als unerlässlich ansah: „Das Leben der Vereine und außerschulischen Institutionen muss integrativ und flexibel in den Schulalltag eingebunden werden.“
Herausforderungen und Visionen für den Ganztag der Zukunft
Das Zukunftsforum verdeutlichte, dass die Anforderungen an Ganztagsschulen vielschichtig sind. Die Diskussionen spiegelten die gesellschaftlichen Herausforderungen wider, die mit dem Wandel in der Bildungslandschaft einhergehen. Der Grundsatz „kurze Beine, kurze Wege“, den Petersen für Grundschüler*innen betonte, hebt die Notwendigkeit hervor, die Bildungsangebote möglichst wohnortnah und flexibel zu gestalten, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden.
Die Herausforderungen der räumlichen Ausstattung und der kurzen Wege zeigten exemplarisch, dass der Ganztag nur im Dialog und in der Zusammenarbeit aller Beteiligten gelingen kann. Wie Wild zusammenfasste: „Wir können es nur gemeinsam schaffen.“ Ein gelungener Ganztag ist weit mehr als die reine Wissensvermittlung im Klassenzimmer – er lebt vom Engagement und der Kooperation aller Bildungsakteure.
Fazit: Musikschulen essenzieller Bestandteil zukunftsfähiger Bildungslandschaft
Der Bayerische Musikschultag in Bamberg machte deutlich, dass die Musikschule als außerschulische Bildungseinrichtung eine tragende Rolle in der ganztägigen Bildung einnehmen kann und soll. Das Netzwerk, das an diesem Tag geknüpft wurde, bot Perspektiven für nachhaltige Kooperationen. Wilds abschließender Aufruf zum „Schulterschluss“ und Erches Betonung der Notwendigkeit „guter Bedingungen“ verdeutlichen die Haltung der Akteure: Musikalische Bildung im Ganztag ist nicht nur wünschenswert, sondern eine wichtige Ergänzung, die für Chancengerechtigkeit und Bildungsteilhabe sorgt.
Karl Höldrich unterstrich schließlich die essentielle Rolle der Musikschulen: „Musikschulen tragen zu einer ganzheitlichen, inklusiven Bildung bei und fördern nicht nur musikalische, sondern auch soziale und persönliche Fähigkeiten.“ Das Bekenntnis aller Beteiligten zur Zusammenarbeit zeigt, dass der Musikschultag in Bamberg ein richtungsweisender Schritt hin zu einer umfassenden Bildungslandschaft war – eine, die auch außerhalb des Klassenzimmers lebendig ist und sich durch Vielfalt und Kreativität auszeichnet.
„Jedes Kind muss wollen dürfen“ – mit diesem Satz formulierte Markus Lentz in knapper Form den Anspruch des VBSM, jedem Kind auch im Ganztag ein Angebot der Musikschule zu machen, mit dem es zum Musizieren finden und auch in individuellere Anschlussangebote hineinfinden kann. Mit dem gemeinsamen Ziel, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu einer hochwertigen und ganzheitlichen Bildung zu ermöglichen, zeigt sich der Bayerische Musikschultag als Plattform für neue Impulse und nachhaltige Bildungsmodelle – ein Modell, das nicht nur in Bayern, sondern bundesweit Zukunft hat.
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