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Lernen von den Besten

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Jugendorchester-Assistenten-Seminar der JMD
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Die mu:v-Initiative, die im Augenblick die Jeunesses Musicales Deutschland beflügelt, speist sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus jungen Leuten, die vor einigen Jahren am Seminar „Mitverantwortung im Jugendorchester“ in Weikersheim teilgenommen haben: ein Seminar, in dem Jugendorchestermitglieder Skills, Tipps und Tricks vermittelt bekamen, wie das heimische Orchester besser organisiert und professioneller beworben werden und wie man die Orchestergemeinschaft so stärken kann, dass alle mit noch mehr Begeisterung und Einsatz bei der Sache sind.

Auch jetzt, fünf Jahre nach dem ersten Durchgang, bezeichnen einige der Teilnehmer von damals das Seminar als eine Art „Initialzündung“ für ihr Ensemble.

2010 stand eine Neuausrichtung des Seminars an, denn bei der JMD war klar, dass eine Neudefinition der Zielgruppe vorgenommen werden musste: Die Jugendlichen, die Mitverantwortung als Stimmführer übernehmen wollten, waren nicht unbedingt identisch mit denjenigen, die in der Organisation oder als Assistent des Orchesterleiters die eigene Mannschaft nach vorne bringen wollten.

So beschloss das Präsidium der Jeunesses, man solle sich auf die organisatorische Seite konzentrieren – zumindest in Baden-Württemberg ergibt sich dadurch der Effekt, dass das JMD JO-Assistenten-Seminar im Musikmen-toren-Seminar des BDLO seine ideale Ergänzung findet – dieses Seminar lenkt das Augenmerk der jungen Musiker nämlich auf die musikalischen Fragestellungen im Orchesterleben.

Die entscheidende Frage im Bezug auf die Neukonzeption des Seminars war nun: Skills und Tricks oder Persönlichkeitsbildung? Gemeinsam mit Ralf Stumpf Seminare, Berlin, entwickelten Dr. Ulrich Wüster (Generalsekretär der JMD), Käthe Bildstein (Mitglieder-Referentin) und Tilmann Böttcher (Weikersheimer Akademieleiter und Bildungsreferent) ein Seminar, das seinen Fokus ganz klar auf die Entwicklung der sogenannten Soft-skills, der persönlichen Stärken der Jugendorchestermitglieder, richtet: „Was nützt es“, so Ralf Stumpf, „wenn ich jemandem Zeitplanung oder Projektmanagement beibringe, ohne dass dieser die Notwendigkeit dieser komplexen Tools einsieht? Wenn ich aber jemanden persönlich weiterbringe, wird er selbst anfangen, die Fragen nach konkreten Werkzeugen zu stellen und sich diese aneignen.“

Wo aber lernt man, wie ein Jugend-orchester zu führen ist? Ralf Stumpf folgt seit einigen Jahren dem Leitspruch: „Nicht aus dem Lehrbuch – lernen von den Besten!“ Im Mai vergangenen Jahres machten sich also Tilmann Böttcher und Ralf Stumpf auf zu einer Deutschland-Tournee der besonderen Art. Sie interviewten Menschen in Führungspositionen mit Jugendorchester-Vergangenheit, die für die jungen Leute als „Modelle“ dienen sollten und fragten sie: „Was ist für Dich das Entscheidende in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen und beim Organisieren, beim Führen und Planen?“ Sie besuchten in der Oper Leipzig deren stellvertretenden Orchestermanager Daniel Richwien (im Jugendorchester ehemals Trompeter), fuhren nach Jena zum Kulturmanager und inoffiziellen Kopf der mu:v-Initiative Toni Rack (Schlagzeug), zum Präsidenten der Musikhochschule Frankfurt Thomas Rietschel (Violine) und nach Berlin zur Orchestermanagerin des Concertgebouw Orchestras Amsterdam, Frauke Bernds (Fagott).

In diesen Interviews bekamen Stumpf und Böttcher eine ganze Reihe Geschichten erzählt: wie sie das Leben schreibt und wie sie jeder Kulturmanager erzählen kann. Das Besondere daran aber ist, dass sie alle als Best- Practice-Modelle dienen können und auf anschauliche Art vermitteln, wie man gemeinsam arbeitet, wächst und Ziele erreicht. Ob jemand für eine unpünktliche Regisseurin einen separaten Probenplan schreibt oder in der eigenen Stadt ein großes Education-Projekt initiiert, ob jemand auf der Suche nach Aushilfsmusikern ungewöhnliche Wege geht oder wie eine offene Bürotür zum Symbol für Kommunikationskultur werden kann: All diese Geschichten sammelten Stumpf und Böttcher und werteten sie aus. Es stellte sich heraus, dass für jede der vier Führungspersönlichkeiten einige wenige Prinzipien zentrale Bedeutung haben. Zu diesen Prinzipien entwickelte Sturm Übungen oder modifizierte in Rücksprache mit Böttcher bereits existierende, so dass sie für die jugendliche Zielgruppe passten, zum Beispiel Positionswechsel, Status-Spiele nach Keith Johnstone et cetera.

So entstand ein detailliertes Seminarkonzept für drei intensive Wochenenden: Die Formulierung von und die Arbeit mit Zielen steht genauso auf dem Programm wie Präsentationstechniken, der Umgang mit Gruppendynamik wie die Frage nach der eigenen Rolle im Gesamtgefüge des Jugendorchesters. Im Zentrum des Seminars stehen die Geschichten der Modelle und die gemeinsamen Übungen – soviel Praxis wie möglich, nicht mehr Theorie als nötig.

Das erste Seminar-Wochenende fand Ende Oktober 2010 statt: Zwölf junge Musiker, vom Teenager bis zum Twen, aus dem großen Symphonieorchester und der kleinen Formation griffen die angebotenen Themen mit Feuereifer auf und schon bald rauchten höchst produktiv die Köpfe. „Eigentlich waren wir am Samstagabend total platt und wollten nur noch ins Bett – aber dann haben wir noch drei Stunden darüber diskutiert, was wir bei uns im Orchester konkret bewegen können …“, erzählt eine Teilnehmerin. Diese Ankurbelung der eigenen Kräfte wurde von vielen Teilnehmern als Haupt-Effekt der drei Seminartage bezeichnet, und Dozenten und Teilnehmer sind nun gespannt auf die Veränderungen im Orchester, die in der Zeit bis zum zweiten Wochenende als Hausaufgabe angestoßen werden sollten. Ein Orchester konnte schon nach drei Wochen einen Zwischenerfolg melden: Alle siebzig Orchestermitglieder kannten nun jedes andere Mitglied beim Namen … Wenn das kein promptes Seminarergebnis ist!

Anmeldung und Infos
zum Seminar Jugendorchester-Assistent 2011/2012: www.jmd.info
Termine: 18.–20.11.2011, 10.–12.2.2012, 15.–17.6.2012.

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