Rund 470.000 Gästetage, 8.000 bis 9.000 Kurse und Probenphasen sowie über 60 szenische Produktionen mit Uraufführungen und Wiederentdeckungen: Die Musikakademie Rheinsberg, brandenburgische Landesakademie und einzige Bundesakademie in den neuen Bundesländern, wird am 1.4.2021 30 Jahre. Gefeiert wird ab Mai mit drei Festivals.
In der Umbruchzeit zwischen DDR und Wiedervereinigung 1990 entstand die Idee, die damals als Diabetiker-Sanatorium genutzte Schlossanlage in Rheinsberg wieder zu kulturellem Leben zu wecken – war sie doch ursprünglich Refugium und Schauplatz künstlerischen Wirkens des preußischen Kronprinzen Friedrich und seines Bruders Prinz Heinrich: ein »Musenhof«, an dem bedeutende Musiker wie die Brüder Graun, J.J. Quantz, C. Schaffrath, F. Benda und C.P.E. Bach wirkten.
Ein Kunst- und Kulturverein wurde gegründet, der sich bis heute für das Kulturleben in Rheinsberg engagiert. Positive Resonanz auf erste Konzerte bestärkt die Vision, und so legen der Komponist Prof. Siegfried Matthus und die Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Liedtke im Sommer 1990 ein Konzept für die Nutzung des Kavalierhauses als Landesmusikakademie mit Opernfestival vor.
Am 1. April 1991 unterzeichnet der Staatssekretär des Kulturministeriums des neu gegründeten Landes Brandenburg, Prof. Dr. Jürgen Dittberner, das Übergabeprotokoll. Das erste Projekt, die »Kammeroper Schloss Rheinsberg«, wird zu einem vollen Erfolg. 1992 wird die Musikakademie in den Arbeitskreis Musikalischer Bildungsstätten in Deutschlands aufgenommen.
1993 trennen sich die Kammeroper als Festival und die Musikakademie Rheinsberg als Arbeits-, Fortbildungs- und Begegnungsstätte zur Förderung des musikalischen Nachwuchses mit den Schwerpunkten Musik des 18. und 20. Jahrhunderts. In den Sommermonaten wird das Kavalierhaus für Proben und Unterbringung der Mitwirkenden der Kammeroper Schloss Rheinsberg genutzt. In den Folgejahren werden Instrumentarium und Ausstattung der Musikakademie stetig erweitert und erneuert, die Zahl der Kurse und Teilnehmer*innen wächst von Jahr zu Jahr und mit den musikalischen Werkstätten an Ostern (Alte Musik) und Pfingsten (Neue Musik) entstehen neue Formate, die die Programme der Musikakademie bis heute inspirieren.
Der Neubau eines Gästehauses und der Wiederaufbau der Schlosstheaterruine ermöglicht dem Akademiebetrieb neue Probenraum- und Beherbergungskapazitäten und der Region noch mehr Programm und kulturelle Ausstrahlung: 1997 wird der Grundstein gelegt; im Februar 1999 eröffnet feierlich das neue Gästehaus, errichtet auf Resten der alten Rheinsberger Stadtmauer: 46 Gästezimmer, ein großer Probensaal („Schaffrathsaal“), ein kleines Tonstudio und eine Kantine können nun genutzt werden. Mit dieser Erweiterung der Übernachtungs- und Probenkapazitäten etabliert sich die Musikakademie Rheinsberg als ein begehrter Arbeitsort für Ensembles aller Art.
Kurz vor der Jahrtausendwende feiert das Schlosstheater, 1774 unter Prinz Heinrich als »Schauspielhaus« erbaut und bis zu seinem Tod 1802 bespielt, seine Wiedereröffnung: Eingebettet in die historische Anlage des Kavalierhauses bietet es auf knapp 300 variabel bestuhlbaren Quadratmetern mit flexiblen Bühnen Raum für unterschiedlichste Projekte. Die Musikakademie bringt nun im Schlosstheater auch szenische Aufführungen, z.B. in Vergessenheit geratene Opern aus Prinz Heinrichs Zeit, auf die Bühne.
2001 wird die Musikakademie Rheinsberg als bis dato einzige Musikakademie der neuen Bundesländer Bundesakademie: Ab jetzt werden regelmäßig Musiktheaterprojekte für junge Menschen vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
2006 erhält die Musikakademie für ihre Pfingstwerkstatt für Neue Musik den Weiterbildungspreis des Landes Brandenburg. Der französische Staatspräsident Jaques Chirac und Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen zu Besuch. Der »Berlin-Rheinsberger-Kompositionspreis« – ein Stipendienprogramm für Komponistinnen in Kooperation mit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa – wird erstmals vergeben. Während 2013 äußerlich die Sanierung des Marktflügel des Kavalierhauses beginnt, kommt es auch im Inneren zu Umwälzungen: Ein neuer Gesellschaftsvertrag der Musikakademie tritt in Kraft, ein Jahr später verschmelzen Musikakademie Rheinsberg und Kammeroper Schloss Rheinsberg zur Musikkultur Rheinsberg gGmbH, deren Hauptgesellschafter das Land Brandenburg ist. Ab nun soll das musische Leben, Lernen und Arbeiten in Rheinsberg unter einem Dach vorangebracht werden; die Musikakademie, das Festival Kammeroper und das Schlosstheater werden als Sparten weitergeführt; Schwerpunkte sind nach wie vor Alte Musik, Neue Musik und Musiktheater.
Seit 2016 ist Thomas Falk Geschäftsführer der Musikkultur Rheinsberg gGmbH, seit Ende 2018 wirkt Georg Quander spartenübergreifend als Künstlerischer Direktor. Zum 1. Januar 2019 wird Felix Görg neuer Leiter der Musikakademie Rheinsberg und erweitert die bisherigen Schwerpunkte um vielfältige Qualifizierungsangebote für Musikpädagog*innen und die Förderung der Amateurmusik.
Das Jahr 2020 mit dem Beginn der Corona-Pandemie stellt alle Sparten der Musikkultur gGmbH – wie die Kultur überhaupt – vor neue, nicht gekannte Herausforderungen: Die Nutzung der Räumlichkeiten für Proben und Präsenzunterricht wird durch Hygienekonzepte phasenweise möglich, ebenso Aufführungen open-air und im Schlosstheater; neue digitale Vermittlungsformate für unterschiedliche Zielgruppen werden erprobt.
Am 1. April 2021 wird die Musikakademie Rheinsberg 30 Jahre alt: Drei Jahrzehnte voll musikalischer Höhepunkte, fröhlicher Akademiegäste, baulicher Veränderungen, spannender Kurse und Projekte. Gefeiert wird mit drei Festivals, die Workshop- und Vernetzungsformate mit besonderen Aufführungen kombinieren: 30 Jahre Amateurmusik@Musikakademie 21.-24.5.2021, 30 Jahre Neue Musik@Musikakademie Rheinsberg 28.-30.5.2021 und 30 Jahre Alte Musik@Musikakademie Rheinsberg 3.-5.9.2021.