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Schlüssige Alternativen zum Schulkonzert

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Schule fordert mehr Nachhaltigkeit bei musikalischen Projekten
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Seit Anfang der 90er ist die Landesmusikakademie Berlin auf dem Gebiet der Musikvermittlung aktiv, indem sie pro Schuljahr zwischen sechzig und achtzig moderierte Konzerte in unterschiedlichen Settings (von Sinfonieorchester bis Jazz-Quintett) für Berliner Schulklassen auf die Bühne bringt. Über diese Veranstaltungen hinaus hat die Landesmusikakademie Berlin die Entwicklung der Musikvermittlung im Land Berlin maßgeblich mitbestimmt und vorangetrieben. Die Gründung des Arbeitskreises Konzerte/Musiktheater für Kinder und Jugendliche im Jahr 2002 und die in den Anfangsjahren sehr enge Kooperation mit dem „netzwerk junge ohren“ hat dazu wesentlich beigetragen.

Inzwischen ist die Szene so lebendig und in Bewegung, dass es angeraten ist, das Umfeld in Augenschein zu nehmen, die Rolle der Landesmusikakademie zu überdenken, die eigenen Möglichkeiten kritisch zu überprüfen und Alternativen anzudenken.

Da wären zunächst die großen Häuser und Ensembles in Berlin, die längst die nachwachsende Generation im Zuge von „audience development“ ins Visier genommen haben und mit Education-Projekten umgarnen. 

Die Projekte sind dabei zum Teil mit umfänglichen Etats und Personal ausgestattet und bilden eine enorme Attraktion für Musiklehrer/-innen und deren Schüler/-innen an allgemein bildenden Schulen. Auf der anderen Seite wurde die Produktion und das Angebot von Musikvermittlungsformaten erschwert, weil der „JugendKulturService“ (eine Fördereinrichtung der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Subventionierung von Konzert-, Theater- und Opernkarten für Kinder und Jugendliche) seine Zuschüsse für das gesamte Segment Musikvermittlung eingestellt hat. Stattdessen werden umfänglichere Subventionen von Theaterkarten vorgenommen. 

Von Seiten der Schule entsteht überdies immer mehr der Wunsch nach Nachhaltigkeit durch aktives Handeln/Musizieren, dem bei einem Konzert nur bedingt entsprochen werden kann. Dies dient unter anderem auch dazu, den zum Teil nicht mehr stattfindenden Musikunterricht an der Grundschule zu kompensieren. Es werden vor allem Formate gesucht oder erwartet, die eine hohe musikalische Intensität versprechen und als überaus emotional geprägte Bildungserlebnisse bei Schülern/-innen von hohem Erinnerungswert sind. Ein schlüssiges Alternativkonzept zu den moderierten Konzerten für Schulklassen stellen Projektwochen dar, die immer häufiger an der Landesmusikakademie Berlin nachgefragt werden – erstmalig fand eine Durchführung im Mai 2011 mit einer Berliner Grundschule statt. Für 360 Schüler der ersten bis sechsten Klasse wurden altersdifferenziert fünfzehn Workshops über einen Zeitraum von fünf Tagen in enger Absprache mit dem Lehrerkollegium organisiert. Die Belegung der Workshops mit Schüler/-innen nach Interessenlagen und Verfügbarkeit wurde im Vorfeld durch die Schule organisiert, ein Workshopwechsel war nicht möglich, so dass sich die Kinder innerhalb der Woche intensiv mit einem Thema auseinandersetzen konnten. Zum Wochenthema „Weltreise“ standen unter anderem Angebote wie afrikanisches und brasilianisches Trommeln, Street- und Breakdance, Capoeira, Tänze vom Balkan, Tarantella und ein Orchester mit den Instrumentalisten der Schule auf dem Programm. Dabei kann die Landesmusikakademie Berlin sowohl mit ihrem Raumreservoir wie auch dem reichhaltigen Bestand an Instrumenten punkten. Die Workshopergebnisse wurden dann in zwei Abschlusspräsentationen sowohl Eltern wie auch allen Mitschüler/-innen vorgeführt. Das hohe Energielevel, die musikalischen Resultate und die glücklichen Gesichter der Kinder waren ein eindeutiges Signal, dass dieses Format künftig auch anderen Schulen zu Gute kommen sollte. 

Längst sind wir im Team der Landesmusikakademie in regelmäßigen Abständen bei der Debatte angelangt, ob derartige Veranstaltungen dem weiteren Abbau schulischen Musikunterrichts Vorschub leisten – Ergebnis ist jedoch immer, die Kinder beziehungsweise Jugendlichen an vorderster Stelle als Nutznießer zu sehen. Zwar kann eine musikalische Projektwoche nicht die Regelmäßigkeit des Musikunterrichts ersetzen, dafür schafft sie aber mittels intensiver Erfahrungen mit und über Musik ein Erlebnis, das bei den Schüler/-innen zur Initialzündung für eine weitere und länger andauernde Beschäftigung mit Musik werden kann. Auch bei Lehrern und Eltern steigt womöglich die Lust auf mehr Musik – sie sind schließlich diejenigen, die die Wege dazu ebnen oder offen halten können. 

Eindeutige Konsequenz ist somit, den Schulen Projektwochen – vor allem auch im inhaltlichen Dialog – zu Gunsten der Konzerte für Schulklassen in Zukunft vermehrt anzubieten.

Joachim Litty, Leiter Landesmusikakademie Berlin

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