Über die Anerkennung von Lehrkräften der Elementaren Musikpädagogik als Mitglieder der Künstlersozialkasse (KSK) ist eine heftige Diskussion entbrannt, nachdem die KSK die Honorare dieser Lehrkräfte aus EMP-Tätigkeiten nicht mehr anerkennen will.
Die zentrale Frage: Ist die EMP als „Lehre der Kunst“ zu verstehen? Hierzu gibt es inzwischen diverse Stellungnahmen. Auch der VdM hat sich dezidiert dafür ausgesprochen, EMP-Lehrkräfte als durch die KSK zu versichernde Selbständige anzuerkennen. Hier die Begründung in Auszügen:
Entwicklungspsychologisch gesehen erfolgt erstes konkret musikalisches Lernen (in den Parametern Rhythmus, Melodie, Dynamik, Form …) bereits im frühesten Lebensalter. Je nach „Entwicklungsfenster“ im Aufwachsen sind es eher ganzheitlichere oder stärker differenzierte, aber immer musikspezifische Methoden und Zugangsweisen, die das pädagogische Setting beziehungsweise die Unterrichtsformen bestimmen. In jedem Fall sind musikpädagogische Angebote von professionellen Lehrkräften stets gezielt darauf ausgerichtet, dass musikalische Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden.
Die neuere Musikpädagogik im Bereich der Grundstufe/Elementarstufe geht von einem kontinuierlich verlaufenden Bildungsprozess von Anfang an aus. Dies hat der Verband deutscher Musikschulen 2010 in seinem Bildungsplan Musik in der Grundstufe/Elementarstufe aufgegriffen und dort die jeweils altersgerechten pädagogischen Zielsetzungen, didaktischen und methodischen Implikationen sowie die Rahmenbedingungen beschrieben. Der Bildungsplan Musik in der Grundstufe/ Elementarstufe umfasst das Lebensalter von null bis zehn Jahren; er korrespondiert somit mit den Bildungs- und Erziehungsplänen der Länder und ergänzt diese, weil in ihnen musikalische Bildungsziele und die zu ihrer Erreichung notwendigen pädagogisch-professionellen Bedingungen zumeist nur unzureichend abgebildet werden. Da der Bildungsplan erst ein Jahr nach dem bisher für das Verwaltungshandeln der KSK normgebenden Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG 2009) herausgegeben wurde, ist aus Sicht des Verbandes deutscher Musikschulen im Kontext des Künstlersozialversicherungs-Gesetzes (KSVG) eine Neubewertung der Elementaren Musikpädagogik als Lehre der Kunst erforderlich. Die Urteilsbegründung des BSG-Urteils aus 2009 hält insofern der heutigen Diskurslage der Musikpädagogik und -didaktik nicht stand.
Die nachstehende Darstellung der für die KSK geltenden Argumentationslage, die zur Ablehnung von KSK-Mitgliedschaften für professionelle Musikpädagog/-innen der Elementaren Musikpädagogik führt, beschreibt die Problemstellung der Normgebung des handlungsleitenden Urteils einerseits und den Stand des Fachdiskurses andererseits. Ablehnungen werden derzeit immer noch vor allem mit zwei Argumenten begründet: Erstens damit, der EMP-Unterricht diene nicht unmittelbar der aktiven Ausübung oder Schaffung von Musik, sondern sei demgegenüber eine „Vorbereitung“; zweitens damit, der EMP-Unterricht diene nicht der Ausübung von Musik, sondern allgemeinpädagogischen Zielen.
Hierzu ist aus fachlicher Sicht zu sagen:
Zu 1.: Es lässt sich keine Grenze zwischen der vermeintlichen Vorbereitung und der aktiven Ausübung fachlich sinnvoll begründen. Vielmehr stellt das Erlernen der Ausübung von Musik einen kontinuierlichen Prozess dar, bei dem sich ein solcher Bruch nicht plausibel festmachen lassen kann. Dass es, wenn ein dreijähriges Kind das Singen eines Liedes erlernt und dieses Lied schließlich auch singt, nur eine Vorbereitung sein soll, während das Singen eines erlernten Liedes bei einem fünfjährigen Kind im Einzelfall aktive Ausübung von Musik sein kann und bei einem siebenjährigen Kind dann grundsätzlich aktive Ausübung ist, erschließt sich fachlich in keiner Weise.
Zu 2.: Allgemeinpädagogische Ziele werden in der Elementaren Musikpraxis nur via Musikpädagogik, nicht aber neben diesen verfolgt. Es ist das Musizieren selbst, also die aktive Ausübung von Musik, die auch auf andere Bereiche ausstrahlen kann. In diesem Sinne dient auch das Instrumentalspiel von Kindern und Jugendlichen allgemeinpädagogischen Zielen, ohne dass die musikpädagogische Zielsetzung damit in Frage gestellt wäre.
Der Unterricht in Elementarer Musikpraxis dient ganz explizit der Ausdifferenzierung musikbezogener Fertigkeiten und Fähigkeiten, welche für die Musikausübung benötigt werden. Diese werden von den ersten Ansätzen aus kontinuierlich weiterentwickelt.
Inhalte der Elementaren Musikpraxis – so eine etablierte Bezeichnung für das, was die Kinder im Unterricht tun, während die Reflexion darüber die Elementare Musikpädagogik leistet – sind unter anderem Singen, Instrumentalspiel und Bewegen zu Musik. In Singen, Instrumentalspiel und Tanzen etwas anderes als Ausübung von Musik zu sehen, ist aus fachlicher Sicht nicht nachzuvollziehen.
In Eltern-Kind-Gruppen nehmen sehr junge Kinder die Musik auch durch das Hören und das Erkunden von Instrumenten auf, während allerdings die Eltern zu aktiver Musikausübung angeleitet werden. Die Eltern oder Bezugspersonen gelten dabei aus fachlicher Sicht als gleichberechtigte Zielgruppe eines solchen Unterrichts. Erste Ansätze zur aktiven Ausübung von Musik zeigen nichtsdestoweniger auch die Kinder schon sehr früh.
Elementare Musikpraxis, die von Lehrkräften der Elementaren Musikpädagogik in Kindertageseinrichtungen unterrichtet wird, unterscheidet sich grundlegend von dem, was die Erzieher/-innen in derselben Einrichtung mit Musik tun. Während im ersten Fall Musik unterrichtet wird, wird im zweiten Fall Musik in den Alltag der Einrichtung eingebunden.
Anstatt das Kriterium des Alters anzulegen, das ja fachlich nicht für die Inhalte und grundsätzlichen Fachziele – sondern für die Methodik – relevant ist, sollte bei der Prüfung zur Mitgliedschaft in der KSK gefragt werden, ob in einem Angebot hauptsächlich Musik gemacht wird. Eine Krabbelgruppe, in der lediglich ein Begrüßungslied gesungen wird, ist sicher kein Musikunterricht. Wo aber Singen, Instrumentalspiel und Bewegen zu Musik die Hauptsache sind und dies nicht nur ausgeübt, sondern auch vermittelt, vertieft, verfeinert, unterrichtet wird, sind aus fachlicher Sicht die Kriterien für eine Anerkennung erfüllt.
Der VdM tritt daher für eine veränderte Bewertungspraxis und Indikatoren-Einschätzung zugunsten der Berücksichtigung von professionellen Lehrkräften der Elementaren Musikpädagogik sowie für eine Mitgliedschaftsmöglichkeit in der Künstlersozialkasse auch bei Angeboten für ein Alter unter vier Jahren ein. Er tut dies vor dem Hintergrund des aktuellen Erkenntnisstandes der Fachdisziplin und zielt damit sowohl auf den Bereich des Verwaltungshandelns der KSK als auch auf die Rechtsprechung sowie ebenso auf die erforderliche politische und juristische Auslegung des KSVG und dessen Zielsetzungen.