Im August 2024 wird das Hamburger Konservatorium (KON) in ein neues Gebäude in den Hamburger Kolbenhöfen umziehen und damit ein erweitertes Angebotsspektrum unter einem Dach realisieren. Neben der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg ist das KON die zweite öffentliche VdM-Musikschule in Hamburg. Das derzeitige Portfolio umfasst Elementare Musikpädagogik, Instrumental- und Vokalunterricht für Schülerinnen und Schüler und für Menschen jeden Alters, Ensemblemusizieren, inklusive Formate sowie zahlreiche musikalische Angebote für Geflüchtete. Dazu kommt die Profi-Ausbildung, die ihren Schwerpunkt auf die Musikpädagogik legt. Das KON erhält derzeit eine bei 15 Prozent des Gesamthaushalts liegende institutionelle Förderung durch die Stadt Hamburg und finanziert sich im Übrigen über Unterrichts- beziehungsweise Studiengebühren und Sponsorengelder. Barbara Haack sprach für die nmz mit dem Leitungsteam des KON, Markus Menke und Michael Petermann, über die Pläne für das neue Gebäude.
Nicht nur ein Haufen Steine
Neu: die Musik-Kita
nmz: Basierte der Finanzierungsplan bereits auf einer bestimmten Vorstellung von Ort und Gebäude – oder kam erst die Finanzierung?
Michael Petermann: Tatsächlich gab es zunächst die Entscheidung: Wir trauen uns zu, eine Finanzierung für ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Als dann die Grundentscheidung gefallen war, haben wir uns mit Hilfe von Schülereltern am Immobilienmarkt auf die Suche begeben und sind nach einigen Runden bei den Kolbenhöfen angekommen.
nmz: Sprechen wir von einem Neubau oder vom Umbau eines bestehenden Gebäudes?
Menke: Eine Mischung: Es gibt drei Gebäudeteile. Auf der einen Seite steht ein altes Gebäude, in dem früher Motoren hergestellt wurden. Dieser Altbau wurde komplett entkernt und für uns neu ausgebaut. Daran anschließend befindet sich ein komplettes Neubauelement. Daneben der Konzertsaal mit der historischen Fassade eines Kompressorenhauses. Vom Bebauungsplan war vorgegeben, dass die Fassade mit ihrem industriellen Charme erhalten bleibt. Dahinter versteckt sich der neue Konzertsaal.
nmz: Das neue Gebäude ermöglicht auch inhaltlich Neues: die Musik-Kita.
Menke: Es war unser Traum, dass wir alle Altersstufen abbilden. Mentor der Musik-Kita ist kein geringerer als Kent Nagano, unser Generalmusikdirektor in Hamburg. Wir hatten ein Testimonial für die Musik-Kita von ihm erbeten. Für ihn war aber klar, dass er mit uns zusammen das Curriculum erarbeiten würde. Eine geniale Situation!
Ganz oben im Neubau haben wir noch ein Sahnestück mit unserem großen Tanzsaal mit Schwingboden, der auch Konzertsaal ist und den Blick über den gesamten Hamburger Hafen freigibt.
Fachkräfte
nmz: Wird sich das Engagement von Kent Nagano fortsetzen, wenn erst einmal alles steht und läuft?
Menke: Ihm ist klar, dass man für die intensive Ausbildung gerade von kleinen Kindern Ressourcen braucht. Er hat von sich aus angeboten, diese Ressourcen zu besorgen. Wir haben ja oft in den Kitas große Probleme mit dem Personalschnitt. Da wird er helfen, dass wir auch mit Musik-Fachkräften in der Kita mit den Kindern pädagogisch arbeiten können.
Petermann: Es gibt eine sehr starke Verzahnung mit unserem Kollegium in der EMP und der Musikalischen Früherziehung, auch mit den Studierenden. So wirkt der Ausbildungs-Fachbereich EMP ganz stark in die Musik-Kita hinein.
Menke: Wir sind hier mitten in Altona, in einem sehr multikulturellen diversen Stadtteil. Wir wollen alle ansprechen, auch die Familien, die neu zu uns gekommen sind.
nmz: Wird die Musik derer, die neu in Deutschland sind, angemessen berücksichtigt in diesem Kita-Konzept, und gibt es dafür auch Lehrkräfte?
Menke: Wir haben schon 2015 einen Kollegen eingestellt, der aus Syrien geflüchtet ist, der Oud und Violine unterrichtet und mittlerweile eine große Klasse hat. Und wir haben alle Nationalitäten im Dozentenstamm. Entsprechend ist deren Musik auch vertreten. Auch in unseren Veröffentlichungen „Digitales Liederbuch“ gehen wir auf alles Liedgut ein, das uns unterkommt.
nmz: Gibt es noch mehr im neuen Gebäude, was es bisher nicht gab?
Petermann: Neu ist, dass all das unter einem Dach ist. Wir wollen allen Menschen vom Baby bis zum Greis die Möglichkeit geben zu musizieren und daran auch ästhetische und persönliche Bildung zu erfahren – als eine Aufgabe, die die Gesellschaft stellt und der wir uns stellen wollen. Es geht uns nicht nur darum, für viel Geld einen Haufen Steine hinzustellen und darin Unterricht zu geben. Die inneren Werte für gesellschaftlichen Zusammenhalt, für ästhetische Bildung und Persönlichkeitsentwicklung werden wir hier durch die integrierte Arbeit jeden Tag erleben.
nmz: Auch Rolf Zuckowski unterstützt das Projekt. Welche Rolle genau spielt er?
Menke: Er ist Mentor der Musikschule. Er hat selbst nicht Musik studiert, sondern kommt aus der Musizierfreude und hat da seinen Lebensweg gefunden. Er ist gar nicht so vertraut mit dem VdM-Fächerkanon, aber er bringt diese fantastische Sicht von außen hinein.
Technische Infrastruktur
nmz: Welche Rolle spielt die Digitalität im neuen Gebäude?
Petermann: Wir statten das Haus komplett mit einer Technik aus, die hybriden und Online-Unterricht ermöglicht. Wir sind Teil eines weiteren Bundesprojekts namens Datenraum Kultur, das die Möglichkeit bietet, Plattformen zu entwickeln, auf denen Unterricht in hybrider Form angebahnt werden kann. Das braucht in so einem großen Haus eine entsprechende technische Infrastruktur, die bei dem Bau von vorneherein berücksichtigt wurde, durch entsprechende Glasfaserleitungen, schnellstmögliches Internet und Räume, die mit Hardware ausgestattet sind.
Es wird gefeiert
nmz: Ende September gibt es ein mehrtägiges Eröffnungsfest. Was ist da geplant?
Menke: Aufgeführt wird eine Auftragskomposition von Stefan Schäfer, unserem composer in residence, ein Werk, bei dem alle Altersstufen des Hauses gemeinsam musizieren. Außerdem werden wir unseren neuen Konzertflügel einweihen, der von der Hamburger Sparkasse und deren Haspa Musik Stiftung zur Verfügung gestellt wird. Dann werden wir drei Tage lang eine „offene Tür“ haben, damit alle das Haus kennenlernen können. Es endet am Sonntag mit einem zweiten Konzert, das gleichzeitig der Auftakt einer allsonntäglichen Konzertreihe „Sonntags um 11 Uhr“ für Familien sein wird.
nmz: Noch einmal zur Finanzierung: Warum Bundesförderung, aber keine Unterstützung des Bauprojekts durch die Stadt Hamburg?
Menke: Das KON wird ja institutionell von der Stadt Hamburg gefördert, hinzu kommt die Bürgschaft der Stadt. Das inhaltliche Konzept von Bundesseite zu fördern ist nur möglich, weil es Bundesrelevanz hat, was für uns als VdM-Schule ein Ausrufungszeichen darstellt. Das ist vom BKM Bund lange geprüft und schließlich anerkannt worden – aufgrund der Menge der Bausteine, die wir anbieten: Kita, Musikschule, Ausbildung von Berufsmusikerinnen und -musikern. Die Einbeziehung von Menschen wie Nagano und Zuckowski als Profilbildende nach außen spielt dabei eine große Rolle.
Petermann: Eine wichtige Rolle spielen auch die Hamburger Bundestagsabgeordneten Linda Heitmann und Niels Annen, die sich im Haushaltsausschuss für die Förderung eingesetzt haben.
Menke: Man darf nicht vergessen, dass Hamburg mit der Hochschule für Musik und Theater und insbesondere mit der Staatlichen Jugendmusikschule ja sehr viel tut. Unser Vorhaben ist ein interessantes Projekt: Kann man mit einem musikpädagogischen Projektvorhaben wirtschaftlich umgehen? Die Stadt setzt hier viel Vertrauen in uns, und das finden wir gut.
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