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v.l.n.r.: Matthias Pannes, Barbara Haack und Werner Mayer. Foto: Susanne van Loon
v.l.n.r.: Matthias Pannes, Barbara Haack und Werner Mayer. Foto: Susanne van Loon
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Wir müssen uns so stabil wie möglich machen

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Ein Gespräch mit Werner Mayer zum 75. Geburtstag
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Werner Mayer hat viele Jahrzehnte seines Lebens für die Musikschule und die Musikschulidee gelebt: Er war Leiter der Musikschule Weilheim i.OB seit 1968, Geschäftsführer des bayerischen Landesverbandes und Leiter der Beratungsstelle, aktiv in diversen Gremien des VdM, unter anderem im Bundesvorstand. Anlässlich seines 75. Geburtstags traf er sich mit Bundesgeschäftsführer Matthias Pannes und Barbara Haack (nmz) zu einem Gespräch.

neue musikzeitung: Sie sind 2004 in den Ruhestand gegangen, sind aber nach wie vor präsent im Verband und engagieren sich für die Musikschularbeit. Was bewegt Sie heute?

Werner Mayer: Präsent ist wohl etwas übertrieben. Ich reagiere gelegentlich auf etwas. Es ist eine ungeheure Freiheit, alles sagen zu können, wenn nichts mehr bestraft werden kann.

nmz: So etwas braucht aber ein Verband vielleicht auch?

Mayer: Das muss der Verband wissen, ob er so etwas braucht oder ob es eher nervt.

Matthias Pannes: Es geht ja bei Dir nicht um das Nörgeln, sondern um den kritischen Geist, der wachruft und der zuweilen zur Selbstbesinnung führt. Solcher Dialog ist für den Verband durchaus wichtig.

Mayer: Was mich treibt, ist die nach wie vor faszinierende Musikschul-Idee. Diese wunderbare Konstruktion, die über viele Jahrzehnte gewachsen ist, die aber auch fast hellseherisch gut angelegt worden ist.

nmz: Wird diese Idee denn heute noch gelebt?

Mayer: So, wie sie angelegt war, dürfte es schwierig sein, sie heute noch voll und ganz zu leben. Die Menschen, die heute dran sind, sind in die bereits vorhandenen Schulen eingestiegen. Es ist ja alles da. Der VdM arbeitet vorbildlich mit seinen immer wieder fortgeschriebenen Papieren, auch in der permanenten Auseinandersetzung damit. Mir kommt es so vor, dass es den heute Agierenden ungeheuer schwer fällt, auf die Basisfragen zurückzukommen. Das kann man ihnen auch nicht vorwerfen.

nmz: Basisfragen im Sinne von Identitätsfindung?

Mayer: Genau. Wir stehen ja nicht allein in der Welt. Da sind verschiedenste Gruppierungen, die Erwartungen an uns und an die wir selber auch Erwartungen haben. Zunächst die Kommunen, unsere Träger, die wir  ganz mühsam über viele Jahrzehnte für uns haben gewinnen müssen. Die waren ja nicht immer selbstverständlich nur unsere Freunde. Früher gab es viele gedachte oder gefühlte Trennmauern zur freiwilligen Leistung Musikschule. Oder ich denke auch an unser Verhältnis zu den privaten Anbietern. Ich habe diesen Satz eingebracht: „Musikschule muss sich unterscheiden.“ Wir haben uns mit unserem Strukturplan soziale, fachliche und Arbeitgeber-Verpflichtungen auferlegt. Das zeichnet uns aus. Aber wir dürfen nicht nur so tun, als ob wir anders seien. Wenn wir einen Strukturplan haben, dann müssen wir dessen verschiedene Elemente miteinander in Verbindung bringen. Wir müssen unseren Verpflichtungen auch gerecht werden und sie einlösen.

nmz: Diese Gefahr, dass die vorhandenen Ideen und Papiere nicht immer konsequent umgesetzt werden: Hat sie damit zu tun, dass die heutigen Akteure diese gar nicht mehr selbst entwickelt haben?

Mayer: Das hat sicher damit zu tun. Aber ich glaube nicht, dass sie es heute einfacher haben. Wir in der Gründergeneration hatten den Vorteil, sehr viel Zeit zu haben. Unter öffentlicher Musikschule konnte sich keiner etwas vorstellen. Wir haben uns langsam erarbeiten dürfen, was eigentlich so eine Musikschule ausmacht. Wenn heute einer einsteigt, dann soll er von jetzt auf gleich alles verstehen und wissen. 

Pannes: Was man vor 30, 40 Jahren als Freiraum hatte, existiert heute so nicht mehr. Es gibt vorgegebene Strukturen, die nicht selten durch einen gewissen Abwehrkampf geprägt sind. Es gab im Laufe der Musikschulentwicklung verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Schüben und neuen Ideen. Jetzt gibt es diese Visionen so kaum noch. Es muss aber wieder mehr die „Weitergabe des Feuers“ sichtbar werden.

nmz: Hat denn diese erwünschte Vision – oder auch deren Fehlen – immer etwas mit Geld zu tun?

Mayer: Ich würde nicht sagen, dass das Geld immer weniger wird. Die gefühlte Finanznot war in den Musikschulen immer präsent. Ich glaube fast, dass die Musikschulen diese Finanznot bis zu einem gewissen Grad auch brauchen. Sonst schlafen sie ein.

Pannes: Wir haben sie aber heute verstärkt, vor allem auch durch die bevorstehende Schuldenbremse. Die kann Städten, Kämmerern, Bürgermeistern, die nicht Feuer und Flamme für Musikschulen sind, ein Alibi geben, sich aus der Verantwortung zurückzuziehen.

Mayer: Das kann auch eine Ausrede sein. Wenn ich an die alten bayerischen Verhältnisse denke: Vom Staat haben wir zunächst fast gar nichts bekommen. Da gab es ganz hässliche Situationen, in denen die Musikschulen schier verhungert sind und die Gemeinden auch wirklich nicht mehr leisten konnten. Wir hatten damals damit zu kämpfen, dass im Jahr 10 bis 15 Musikschulen neu entstanden sind, die wir alle unterfüttern mussten. Das ist heute natürlich ganz anders.

nmz: Wäre das die Vision, die Sie vermissen? Dass wieder mehr neue Musikschulen entstehen? Braucht es überhaupt eine Vision im Moment?

Mayer: Eine Vision braucht es eigentlich immer. Aber ich würde erstmal bescheidener von Zielen sprechen. Heute haben wir diese ungeheuer große Menge von Aufgaben, die sich zusätzlich zur ursprünglichen Struktur entwickeln. Als wir vor wenigen Jahren wieder am Strukturplan gesessen haben, mussten wir uns deutlich entscheiden: Wollen wir einer Musikschule folgen, deren Kern sich eindampft und die langsam aufgeht in der Beziehung zu Schulen und Vereinen, in Projekten? Oder wollen wir nochmal – vielleicht zum letzten Mal – eine halbwegs traditionelle Struktur beschreiben und an diese Struktur dann Dinge andocken, die dazu kommen? Da geht es um richtungsweisende Vorstellungen, die zu einer Visions-Diskussion gehören. Zumindest ist ja erst einmal nicht der Untergang eingetroffen, der uns damals drohend an den Horizont geschrieben wurde.

Pannes: Vielleicht noch nicht. Ich sehe aber doch Gefahren: etwa die Digitalisierung, das Bindungsverhalten von Eltern und Kindern, die frühe Medialisierung. Ich sehe die schulische Veränderung, die abnehmenden Freizeitmöglichkeiten. Ich sehe die Marktliberalisierung in der Europäischen Union, auch in transatlantischen Abkommen. Und: Heterogenität allerorten, Veränderung der Gesellschaft, unterschiedliche Prägungen hinsichtlich kultureller und musikalischer Bildung, auf die wir bisher nicht schnell genug reagieren können.

Mayer: Alle diese Gefahren sehe ich auch mit der entsprechenden Wucht möglicherweise auf uns zukommen. Umso mehr meine ich, dass wir uns in unserem gut gewachsenen Selbstverständnis so stabil wie möglich machen müssen. Denn je stabiler wir in der Gesellschaft verhaftet sind, desto schwieriger ist es, uns anzugreifen.

Pannes: Es kann natürlich unser Gebäude weiter stabil sein; aber wenn der Untergrund der kommunalen Akzeptanz wegrutscht, dann haben wir wie beim Stadtarchiv in Köln ein schönes Gebäude, das irgendwann unten liegt.

nmz: Das hört sich jetzt so an, als sei das Ende nahe…

Mayer: Genau das würde ich niemals unterschreiben. Wenn das stimmen würde, wäre die ganze Idee nichts wert. Wenn wir uns unserer Sache sicher sind, dann wird uns auch bei veränderten Rahmenbedingungen etwas einfallen, was wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Pannes: Noch ein Aspekt: Es gibt im Verband eine latente Kommunikationsarmut, und das gemeinsame Denken ist durchaus noch ausbaufähig. Ich frage mich, wie man die Schlagkraft, die Einigkeit, die Kommunikationsfähigkeit zwischen Landesverbänden und Bundesverband noch intensivieren kann.

Mayer: Als ich 1968 die Musikschule in Weilheim übernommen habe, gab es noch keinen bayerischen Landesverband. Das heißt: Meine Informationsquelle war der VdM. Das war eine großartige Hilfe. Dann wurde der Landesverband gegründet, der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen. Mir war immer zentral wichtig, dass die Grundgedanken und Grundstrukturen, die vom VdM gegeben waren, auch in Bayern gelten. Natürlich kann man in Bayern nichts machen, ohne immer zu betonen: „Wir sind bayerisch. Mia san mia!“ Das haben wir auch gemacht. Aber auch als die Satzung in Bayern überarbeitet wurde, war es wichtig, dass wir ein Landesverband im VdM sind. Es gab in der Zusammenarbeit gelegentlich auch ein gewisses Spannungsverhältnis – ich war ja teilweise ziemlich rebellisch. Es war für den Bundesgeschäftsführer auch gar nicht immer einfach, mit uns zurechtzukommen. Aber immer habe ich den Bundesverband als einen Verband der einzelnen Musikschulen der Bundesrepublik in hohem Maße geschätzt. Das ist eine einmalige, segensreiche Struktur, die es sonst gar nicht gibt, zumindest nicht in so einem bedeutenden Verband. Wichtig war mir immer, dass der bayerische Verband zwar Selbständigkeit im unmittelbaren Kontakt mit den Schulen pflegte, aber dass wir ohne Wenn und Aber bundestreu waren. Bei anderen Landesverbänden ist mir durchaus manchmal ungut aufgestoßen – gelegentlich tut es das heute noch –, wenn es nicht so war; wenn die Landesverbände sich nicht ganz bewusst als Multiplikatoren einer gemeinsamen Idee verstehen, die schließlich unter großer Beteiligung der Landesverbände entwickelt wird. Ich erwarte, dass die Grundsätze, die wir schließlich alle gemeinsam permanent erarbeiten, auch in den Ländern eins zu eins vertreten werden. Nur so haben wir es geschafft, dass wir ein gemeinsames Bild nach außen abgeben.

nmz: Herr Mayer, als Privatmann: Was tun Sie heute, wenn Sie sich nicht mit dem Thema Musikschule beschäftigen?

Mayer: Ich versuche ein bisschen von dem nachzuholen, was ich Bildung nenne, wozu ich als Schulleiter und Geschäftsführer keine Zeit, oder besser keine Kraft hatte. Ich habe das Musizieren deutlich in den Vordergrund gestellt mit fast täglichem Üben und auch einem semiprofessionellem Tun in der Alten Musik mit Barockkontrabass. Und ich befasse ich mit Tasteninstrumenten. Mein Klavier wird wieder ein bisschen gepflegt und ich habe mir ein Spinett zugelegt.

Pannes: Vor allem hat Werner Mayer auch für verschiedene Herausforderungen und Lebenssituationen immer einen Zitatenschatz gesammelt, der oft hilfreiche Pointierungen zu Notwendigem und zu Wünschenswertem hergibt, und wovon ich hoffe, dass er dies auch im Alter weiter pflegt.

Mayer: Ich habe damit allerdings auch schon manchen geärgert…

Pannes: Ich hoffe, Du „ärgerst“ uns weiter in Deiner so konstruktiv-kritischen Art. 

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