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Eine Gruppe von Menschen in Warnwesten und mit roten ver.di-Flaggen und großen Transparenten/Plakaten zu dunkler Stunde in orangenem Straßenlaternenlicht.

Lehrkräfte der Musikschule Langen riefen am Dienstagabend, den 12. November 2024, unter dem Motto „Rettet die Langener Musikschule“ zu einer musikalischen Kundgebung vor dem Rathaus in Langen auf. Die Kundgebung fand direkt vor Gesprächen des Haupt- und Finanzausschusses zum Haushalt 2025 der Stadt Langen statt. Foto und Fotomontage: Andreas Kubitzki

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Eine kurze Geschichte des Tarifvertrags

Untertitel
Wege der Musiker*innen und konzertierenden Künstler*innen zum Tarifvertrag und in die ver.di
Vorspann / Teaser

Gehen die Wurzeln der Musikschulen zwar bis ins 19. Jahrhundert zurück, ist die „Gründungswelle“ von Musikschulen erst nach dem 2. Weltkrieg richtig in Fahrt gekommen. Dies zeigt sich an den Zahlen des Verbands der Musikschulen (VdM). Zur Gründung 1952 gehörten ihm 12 Musikschulen an, 1970 sind es 284. Zehn Jahre später steigt die Zahl auf 573 und 1999 auf 770 Mitgliedsschulen. Bis heute hat sich die Zahl auf 932 erhöht, auch bedingt durch die Wiedervereinigung. 
 

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In den 1970er- und 80er-Jahren wurde der Ruf nach einem Tarifvertrag der Beschäftigten an Musikschulen immer lauter. Zu dem Zeitpunkt gab es keine einheitliche Regelung, sondern jeder Musikschulträger hatte seine eigenen Vorstellungen, was Einstellungskriterien von Lehrkräften, Größe der Gruppen im Unterricht, Ensembleangebote, Konferenzen, Schüler- und Lehrerkonzerte etc. betraf.

Die uneinheitlichen Bedingungen, – fehlende Eingruppierungsmerkmale auch der Leitungsfunktionen, fehlende Tätigkeitsbeschreibung im Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) et cetera – führten dazu, dass der Ruf der Lehrkräfte nach einer tariflichen Regelung immer lauter wurde.
Weder Eingruppierung noch Ausgestaltung der Bedingungen waren verschriftlicht; so betrug die Unterrichtsstundenzahl bei Vollbeschäftigung meistens 28 Std. entsprechend einer Volksschul-, später Grundschullehrkraft. Die Musiker*innen wünschten eine eigene Gewerkschaft und wollten alle Musikerberufe in dieser Organisation zusammenführen. Lediglich die Orchestermusiker*innen waren durch die DOV (Deutsche Orchestervereinigung) als Berufsverband bereits organisiert.

Gründung der Gewerkschaft der Musiker und konzertierenden Künstler (GDMK)

So entstand Ende der 1970er-Jahre die GDMK, zuerst Gewerkschaft deutscher Musiker und konzertierender Künstler; dieser Name wurde dann bald berechtigterweise in Gewerkschaft der Musiker und konzertierenden Künstler geändert. Wir wollten ja die Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund dabeihaben.

Diese Gewerkschaft hatte ihre Geschäftsstelle in München in der Schwantalerstraße, „ausgestattet“ mit einem Vorsitzenden, gerade einmal einem hauptamtlichen Sekretär und ein oder zwei Verwaltungsangestellten. Die GDMK war Mitglied der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB. Durch kontinuierlichen Druck der Beschäftigten dauerte es bis in die 80er- Jahre, bis sich die Arbeitgeber auf eine tarifliche Regelung einließen; so wurden die Regelungen, die bis heute unverändert gelten, in den BAT aufgenommen. Übrigens auch die Arbeitgeber hatten ein Interesse an einer allgemeinverbindlichen Regelung, damit Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung zwischen den Kommunen möglich wurde. Verhandelt und unterschrieben hatte die ÖTV, die als DGB-Gewerkschaft von der Arbeitgeberseite akzeptiert wurde. Sachkundige Vertreter der GDMK waren selbstverständlich bei der Formulierung der Sonderregelungen maßgeblich beteiligt.
Es galten somit die Regelungen des BAT für unsere Berufsgruppe ab dem 1. März 1987.

Tarifliche Regelungen erreicht, mit einigen Tücken 

Die Vergütung war aber mit denen der allgemeinbildend tätigen Lehrkräften als Angestellte nicht zu vergleichen. Unsere Regeleingruppierung war nach Vergütungsgruppe Vb heute E 9b im TVöD und somit erheblich unter der Eingruppierung der Lehrkräfte an Grundschulen.

Eine bittere Kröte, die wir damals schon schlucken mussten. Der Tarifvertrag galt übrigens nur für angestellte Lehrkräfte mit einem Beschäftigungsumfang von mindestens 15 Unterrichtsstunden (Ustd.), also 50 Prozent einer vollbeschäftigten Lehrkraft. Die im § 3q BAT festgelegte Ausschlussquote führt dazu, dass zum großen Teil nur Verträge mit höchstens 14 Ustd. von Arbeitgeberseite angeboten wurden; man sparte so an Personalkosten und hielt diesen Personenkreis von weiteren Regelungen im BAT, wie Zusatzversorgung, Beihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, fern. Für diesen Personenkreis wurden die vom Arbeitgeberverband selbst entwickelten Richtlinien angewendet, die sogenannten VKA-Richtlinien.

Dies änderte sich mit dem Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten am 31. März 1991; dies beendete die Benachteiligung und Diskriminierung von Teilzeitverträgen und führte zu einer großen Umwandlung von Verträgen ohne Tarifbindung in Tarifverträge nach BAT.
Hierdurch konnte eine echte Gleichbehandlung erreicht und eine große Ungerechtigkeit vor allem auch finanzieller und versicherungstechnischer Art beendet werden. Dies führte nebenbei auch zu einer großen Zahl von Eintritten in die IG Medien. 

Zu erwähnen ist in diesem arbeitsrechtlichen Zusammenhang, dass bei der Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlich zu leistenden Arbeitszeit damals ein Zeitraum von zwei Wochen zu Grunde gelegt wurde, so dass die unterrichtsfreie Zeit (Schulferien) damals nicht dazu führte, dass der mittlerweile überall eingeführte sogenannte Ferienüberhang zum Tragen kam. Es war halt nicht praktikabel innerhalb eines Zwei-Wochen-Zeitraumes, die unterrichtsfreie Zeit – also die Ferientage abzüglich der Urlaubstage – in Unterrichtsstunden umzusetzen.
Dies änderte sich leider. Als es erste Signale gab, dass der Zwei-Wochen-Zeitraum von Seiten der ÖTV in anstehenden Tarifverhandlungen zur Disposition gestellt werden könnte, halfen unser Proteste und Bitten leider nicht. Das Ergebnis – die Ausweitung des Zeitraums für die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit auf ein Jahr – ist die in unseren Augen ungerechte Ausweitung der Unterrichtsstunden um bis zu 5 Stunden auf 35 Ustd.

Dies war beim Abschluss des Tarifvertrages außerhalb unseres Vorstellungsvermögens und bestimmt nicht im Sinn und Geist der Vertragspartner gewesen.

Von GDMK zu IG Medien zu ver.di 

Bei interner Beratung innerhalb der Gewerkschaft Kunst, verschiedenen Berufsverbänden und der IG Druck und Papier stellten sich Anfang der 1980er viele Gemeinsamkeiten heraus und man folgerte, dass ein Zusammenschluss durchaus denkbar, sinnvoll und machbar wäre.
So gründete sich am 15. April 1989 in Hamburg die Gewerkschaft IG Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst. Neben den Kolleg*innen aus der IG Druck und Papier waren aus der Gewerkschaft Kunst mit dabei die RFFU (Rundfunk-/Film-/Fernseh-Union), die GDMK, der Südwestdeutsche Journalistenverband, der Deutsche Musikverband, die IAL (Internationale Artistenloge) und der BBK (Bundesvereinigung der Bildenden Künstler).

Der DJV (Deutscher Journalistenverband), die DOV (Deutsche Orchestervereinigung), die GDBA (Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger) und der BBK (Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler) entschieden sich dagegen.
In den Fachgruppen wurde dann die Arbeit aufgenommen und neben anfänglichen Schwierigkeiten des Zusammenfindens – man hatte ja sehr unterschiedliche gewerkschaftliche Biografien – war die Arbeit geprägt von gegenseitigem Respekt und Achtung.

Dankbar waren die künstlerischen Fachgruppen vor allem für die Solidarität der Drucker und Schriftsetzer, die damals den größten Anteil an Finanzierung und Verwaltung stemmten.
Aber auch die IG Medien wurde dann Geschichte. Am 19. März 2001 in Berlin kam es zur Gründung der Gewerkschaft ver.di. Die Gewerkschaften ÖTV, HBV, IG Medien, DPG und DAG schlossen sich zur vereinten Dienstleistungsgewerkschaft zusammen.

Auch hier haben wir als Musiker-zieher*innen unsere Heimat gefunden und sind politisch gestärkt durch den Zusammenschluss. Mit hauptamtlichen Sekretär*innen und deren professioneller Unterstützung können gerade die ehrenamtlichen Funktionsträger*innen Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen nehmen und die Diskussion über Stellenwert der Musikerziehung in der öffentlichen Debatte voranbringen.

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