Zunächst das Beste: Stimmt der Gemeinderat dafür, wird die Tübinger Musikschule, seit 25 Jahren ein Vereinskonstrukt, vom Herbst an zu einer Einrichtung der Kommune. Und 21 Lehrkräfte sollen neben den bereits 39 nach TVöD Beschäftigten übernommen und entsprechend bezahlt werden, so ist jedenfalls die Nachricht aus dem Kulturamt zu verstehen. Die Probleme der Musikschule sind damit aber längst nicht gelöst.
Der positive Planungsstand ist der Fachbereichsleiterin Daniela Rathe zu verdanken, die dem Gemeinderat eine inhaltlich so überzeugende Vorlage in die Hände gab, dass er sich nur zustimmend äußern konnte. Und er ist eine Krönung des Engagements der Betriebsratsvorsitzenden Luise Rudnick. Doch Rudnick hat Anfang März gekündigt. – Sie geht zum 31. August. Enttäuscht vom achtjährigen Kampf mit unfähigen Leitungsfiguren und Klüngeleien, vom Kleinkrieg und von Eifersuchtsdramen im Kollegium – vor allem aber ermüdet vom Dauerkonflikt mit dem Oberbürgermeister Boris Palmer (Die Grünen), der sich selber seit Beginn seiner Amtszeit als „kulturelle Blindschleiche“ ins Gespräch brachte, eher aber im Ruf steht, als Klapperschlange das Kulturvolk auf die Palmen zu treiben.
Als einer der Vereinsgründer und dann langjährige Musikschulleiter Professor Helmut Calgéer 2005 in den Ruhestand ging, hinterließ er ein vielbeachtetes, wenn auch sanierungsbedürftiges Haus. Mag sein, dass in den letzten Jahren seiner kulturpolitischen Tätigkeit, wozu auch das Konzerttreiben gehörte, Zukunftsimpulse fehlten, aber es ging fair zu – und vor allem kontinuierlich erfolgreich für die einst 1.670 Jugendlichen.
Die Calgéer nachfolgenden drei Leiter der Einrichtung agierten ebenso kurz wie kompetenzlos, flankiert von Desinteressierten im Rathaus, was letztlich zu einer Dreiklassengesellschaft unter den Lehrenden führte. Unter der Ägide von OB Palmer wurde seit 2007 nicht nur das arbeitsrechtliche Tohuwabohu unerträglich, Palmer plädierte als Akteur einer auf drei Personen reduzierten Mitgliederversammlung auch für den Rücktritt des Betriebsrates, um angeblich den Weg für einen „Neuanfang“ freizumachen. Was er gegen den Betriebsrat hatte, sagte er nicht. Möglicherweise waren es oftmalige Satzungsverstöße des Vereins. Und die Schulden wuchsen, mehrfach war von der Insolvenz des Vereins die Rede. Gleichzeitig schrumpfte die Schülerzahlen um 25 Prozent auf 1201 Musikbegeisterte. Trotzdem wurden sinnloserweise Deputaterhöhungen zu finanziellen Sanierung verordnet und sogar gerichtlich durchgesetzt.
Palmer, auch Aufsichtsratsvorsitzender der Wohnungsbaugesellschaft in Tübingen (GWG), der das Musikschulgebäude gehört, tat in seiner Dreifachfunktion als OB, als Funktionär in der Mitgliederversammlung und Aufsichtsratsvorsitzender nichts gegen die Verlotterung der Musikschule. Nur noch wenige Schönheitsreparaturen wurden ausgeführt. „Geschmäckle“ nennt man das in Schwaben. Das Ergebnis bekamen die Besucher eines Konzerts im vergangenen Jahr zu spüren, die den Musikschulkonzertraum wegen unwetterbedingten Wassereinbruchs fluchtartig verlassen mussten. Ein Dachschaden, seit Jahren bekannt.
Ach ja: Der Interimsleiter der Musikschule, Eugen Höschele, will neu bauen oder ein anderes Gebäude nutzen. Mit Billigung des OB wurde schon einen Spezi eingespannt samt Musikschulmodell, ein Spezi, mit dem Höschele Stadtentwicklung betreibt (http://www.reschl-hoeschele.de/auftraege-referenzen.html). Der Ortszeitung sagte Höschele, im Lehrerkollegium sei inzwischen „eine gute Ruhe“ eingekehrt, worauf er sich als Leiter offenbar einzurichten gedenkt. In Tübingen wird ein anderer Neuanfang gefordert: von den Bürgern, von Eltern und vom Gemeinderat. Der Grüne OB Palmer kündigte dem Musikschulkollegium gerade an, er wolle die Kommunalisierung mit einer nicht verhandelbaren Heraufsetzung des Deputats auf 35 Stunden: In einer Marktwirtschaft gebe es immer Ausbeutung.