Weil Klappern heute mehr denn je zum kulturellen Handwerk gehört, hat der Beitrag der Magdeburger Oper zu den aktuellen 22. Telemann-Festtagen durchaus Charme. Und die Marketingstrategen auf seiner Seite. Man entschied sich für eine Oper des noch eine Spur berühmteren Komponisten-Weltstars aus Sachsen-Anhalt, des Hallensers Georg Friedrich Händel (1685-1759). Aber eben in einer Bearbeitung seines Kollegen und Freundes aus Magdeburg Georg Philipp Telemann (1681-1767).
Händel brachte seinen „Ottone“ (mit hochadligen Ottos haben sie es in Magdeburg ja) 1723 in London heraus. Telemann bearbeitete den Dreiakter drei Jahre später für die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Dabei vertonte er einige Arien und die Rezitative auf eine deutsche Textversion neu. Dass man da keinen Qualitätsunterschied ausmachen kann, spricht für Telemanns Meisterschaft und seinen Theaterinstinkt.
Opern-Vorabendserien
Ob das Libretto von Nicola Francesco Haym dadurch nun wirklich klarer und nachvollziehbarer wird, wollen wir mal dahin gestellt sein lassen. Mit der Stringenz der Handlung und ihren jähen Wendungen, samt des mit der dramaturgischen Brechstange erzwungenen lieto fines (sprich Happyends), landet der Plot, ganz gleich ob nun auf Italienisch oder auf Deutsch, höchstens im Umfeld heutiger Vorabendserien. So zwischen „Jeder-gegen-Jeden“ und „Friede-Freude-Eierkuchen“.
Otto (markant: Simon Robinson) will Teophane (Kirsten Blaise) heiraten. Ihr wird aber zunächst von der ehrgeizig intrigierenden Gismonda (Ruby Hughes) ihr schmieriger Sohn Adelbert (geschmeidig: Colin Balzer) untergejubelt, auf den eigentlich Ottos Cousine Matilda scharf ist. Ein gefangener Pirat (David John Pike) entpuppt sich als Bruder Teophanes mit eigenem Thronanspruch. Zu den Hakenschlägen der Story trägt auch noch deren heimlicher Verehrer Isaurus seinen Teil bei.
Gesungen wird das solide, wobei der samtig statte Mezzo von Sophie Harmsen (Matilda) am überzeugendsten mit barocker Beweglichkeit glänzt. Die Choreographin und Regisseurin Arila Siegert lässt es sich nicht entgehen, aus der körperlichen Fitness von Eric Stoklossa (Isaurus) Slapstickfunken zu schlagen.
Auch sonst profitiert die Szene vom körperbetont choreographierten Spiel der Akteure, was den augenzwinkernd zitierenden Einsatz von barocken Gesten einschließt. Einen Versuch, aus der Haupt- und Staatsaktion einen Politthriller zu machen, unternehmen sie gar nicht erst. Selbst wenn man aufmerksam zuhört, gehen einem die Exkurse über die dynastischen Hintergründe des „Wer?“ und „Warum?“ nur als Wortornamente am Ohr vorbei.
Der Reiz der Inszenierung liegt so vor allem in ihrer ästhetischen Form. Ausstatterin Marie Luise Strandt hat „nur“ einen wuchtigen, vielseitig bespielbaren Würfel-Rahmen beigesteuert. Er beherrscht die Bühne. Die fehlenden Wände werden gelegentlich durch wehende Tücher ersetzt, die sich zum Herumspuken genauso eignen wie zum Windmachen. Bei Bedarf wird eine Treppe mit Thron obendrauf reingefahren.
Mit Form- und Farbwitz kommentierende Aquarelle
Die Atmosphäre freilich steuert (wie schon bei Siegerts Düsseldorfer Rameau-Inszenierung vor vier Jahren) der renommierte Maler Helge Leiberg bei. Seine live verfertigten assoziativen und mit Form- und Farbwitz kommentierenden Aquarelle machen nämlich via Overheadprojektor das Bühnenbild in jeder Vorstellung zu einem mit leichter Hand komplettierten Originalkunstwerk. Zusammen mit den zwischen robust und elegant changierenden, vor allem schönen Kostümen entsteht so eine Art neobarocke Opulenz. Was besonders in der Sturmmusik seinen Reiz entfaltet. Da kommt auch der samtige Orchesterklang, den Stephan Schultz vom Cello aus mit dem barockmusikversierten Ensemble Le Concert Lorain beisteuert, suggestiv zur Geltung, wobei er sonst eher etwas zu sehr auf Zurückhaltung setzt.
Arienperlenketten
Aber sei’ s drum. Es geht eh vor allem ums Auffädeln einer der sprichwörtlichen Händelschen Arienperlenketten. Und auch wenn „Otto“ nicht unbedingt zu den Top-Ten aus der Opernwerkstatt des Barockmeisters gehört, und es an (auch heute) eingängigen echten bravourösen Hits mangelt, bietet sie allen Protagonisten Raum, um sich melodisch einschmeichelnd ins rechte Licht zu setzten. Es ist allerdings gut vorstellbar, dass sich Hallesche Händelfans dennoch mit etwas Wehmut daran erinnern wie Romelia Lichtenstein und Ulrike Schneider vor drei Jahren das Duett „Notte cara…“ von Gismonda und Matilda zu einem Höhepunkt machten. Oder wie man dem Ringen zwischen Otto und Adelbert mit Countertenören Biss verlieh. Verglichen damit bleibt es in Magdeburg vokal eher konventionell gemütlich. Das Publikum in Magdeburg applaudierte zufrieden.
Nächste Vorstellungen Otto: Fr, 21.03.2014 19:30