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Così fan tutte - Emma Moore (Fiordiligi), Amira Elmadfa (Dorabella), Henry Neill (Guglielmo), Heain Youn (Despina) und Artjom Korotkov (Ferrando). Foto: © Thomas Müller
Così fan tutte - Emma Moore (Fiordiligi), Amira Elmadfa (Dorabella), Henry Neill (Guglielmo), Heain Youn (Despina) und Artjom Korotkov (Ferrando). Foto: © Thomas Müller
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Der Punkt auf dem i – DNT Weimar mit einer semiszenischen „Così fan tutte“

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Ein Opernhaus steht mit einem kompletten DaPonte-Zyklus im Spielplan allemal besser da, als ohne. „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“ sind und bleiben bestens funktionierende Stücke mit genialer Musik. Alle drei. Mozart eben. Das Deutsche Nationaltheater Weimar begann mit einem knallig bunten Figaro von Michael Tolke, ließ darauf Demis Volpis betont nachdenklichen Don Giovanni folgen und komplettiert diese Erfolgstrias der Operngeschichte jetzt mit Nina Gühlstorffs „Così fan tutte“-Version.

Zu Ostern und am Ende der Spielzeit wird man das Ganze sogar zwei Mal zyklisch aufführen. So unterschiedlich die drei Inszenierungen auch geworden sind: Kirill Karabits und die Staatskapelle Weimar sorgen dabei für den musikalischen Zusammenhang und eine gehörige Portion Dramatik, Witz und Nachdenklichkeit. 

Was den meist als Symptom von Problemen unterschiedlichster Art alarmierenden Zusatz „Semiszenische Aufführung“ zur aktuellen Produktion betrifft, so kann nach der Premiere Entwarnung gegeben werden. Nicht nur, weil es – so der Operndirektor – eine dem randvollen Spiel- und demzufolge Probenplan geschuldete Ausnahme bleiben wird. Sondern auch, weil es sich am Ende mehr als ein Kokettieren mit dem Zugriff der Regie auf das Stück, als ein Abstrich an der Qualität seiner szenischen Durchdringung erweist. Wenn man sich den Zusatz gespart hätte, dann wäre es in der heutigen Regielandschaft auch nicht weiter aufgefallen. Und wenn sich das Marketing des DNT entschließen würde, bei der Werbung für die Zyklen den Zusatz einfach zu streichen, dann müsste man ihnen das nicht ankreiden…

Es beginnt aber zunächst tatsächlich wie eine halbszenische Aufführung. Und endet auch so. Philip Rubner hat die Bühne mit einer konzertüblichen Sperrholzverkleidung versehen. Er scheint damit aber nicht ganz fertig geworden zu sein. Über dem Boden baumeln diverse flexible Rohre oder Kabelkanäle. Despina benutzt bei ihrem Auftritt als Medicus gar einen Gebläseschlauch als magnetisches Wunderinstrument. Oder – einer der vielen kleinen amüsanten Einfälle – wie einen Staubsauger, mit dem sie die projizierte Blütenpracht wieder verschwinden lässt, mit der Stefan Bischoff einen amourösen Garten imaginiert hat. Seine Videos bleiben ansonsten wohldosiert und zeigen das Künstler-Sextett und den Dirigenten bei der Probe. Auch Zuschauer mit einer Videoallergie vertragen diese Blickerweiterungen auf der gelegentlich herunterfahrenden Leinwand ganz gut. 

Es kommt, wie es kommen muss. Der Auftakt ist eine Konzertnummer mit aufgeschlagener Partitur auf dem Pult vor der Nase. Die jungen, frisch verliebten Herren Ferrando und Guglielmo preisen gegenüber Don Alfonso die Vorzüge und vor allem die Treue ihrer beiden Angebeteten Dorabella und Fiordiligi. Der lebenserfahrene Freund zweifelt das an und verführt sie zu der Wette, beide einem Treuetest auszusetzen, den er gemeinsam mit der pfiffigen und in Sachen Männer erfahrenen Despina arrangieren will. Die Sache ist so einfach wie (wenn man sie wörtlich nimmt) unwahrscheinlich. Die beiden Männer werden in einen plötzlichen Kriegseinsatz abberufen, was Anlass für einen herzzerreißenden Abschied (und Vorwand für das hinreißend schwebende Terzett „Soave sia il vento,“ / „Weht leiser Ihr Winde“) liefert. Sie kehren plötzlich als Fremde in das vom Abschiedsschmerz erfüllte Haus zurück. Mit ein paar angeklebten Bärten und albernen Klamotten als Exoten (zu DaPontes Zeiten waren Albaner dafür die geeignetsten) verkleidet, verführen sie schließlich die Braut des jeweils anderen. Damit hat Alfonso die Wette gewonnen. Die Frauen sind eben alle so. Così fan tutte halt. Und weil es die Schule der Liebenden im Untertitel heißt, ließe sich der Einblick in die schwankende Natur der weiblichen Gefühlswelt als Fazit der Oper ziehen. 

Doch es war wohl schon dem genialen Duo – wie bewusst oder unbewusst auch immer – klar, dass das natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Gühlstorff will eher auf die ganze Wahrheit raus. Und da geht es um die Verwirrung oder auch Wandelbarkeit der Gefühle. Bei Frauen und Männern. Was in voremanzipatorischen Zeiten schon ein starkes Stück ist. Dass Don Giovannis promiskuitiver Übereifer thematisiert wird, ist in der DNA des Patriarchats angelegt. 

Da Mozart und Da Ponte sozusagen aus der mitgeführten Partitur heraus in dieser Inszenierung von dem Sextett auf der Bühne Besitz ergreifen, lässt sich die Laborsituation, um die es eigentlich geht, naturgemäß viel deutlicher zeigen, als wenn man so täte, als hätte man es mit einer realistischen Handlung zu tun. Despina bringt das auf den Punkt, wenn deren Darstellerin Heain Youn in einer witzigen Einlage mit einem „This Pussy bites back“ bzw. „Woman of the world united“ Pappschild neben die Rolle tritt und sich und uns fragt, ob diese Stück wirklich eine Komödie ist, in der Männer sich Frauen ausgedacht haben, die nichts kapieren. Und feststellt, dass Koreaner (wie sie) offensichtlich über andere Dinge lachen, als Europäer. Auch dieser Einschub hat Maß und passt. So wie Despina den letzten Buchstaben bei dem Cosi fan tutte auswischt, das Alfonso an die Wand geschrieben hatte, um ihn am Ende vollkommen richtig durch ein i zu ersetzen. Cosi fan tutti meint auch die Männer. Und genau das ist der Punkt auf dem i einer gescheiten Così fan tutte Inszenierung heute!   

Bei ihrer Arie „O verzeih, verzeih Geliebter…… wem brachst du die Treue, undankbares, falsches Herz?“ kann Fiordiligi denn auch voller Melancholie beide Männer und wenn man so will aus sich selbst ansingen. Das wird zu einem – zu dem eindrucksvoll gespielten – szenischen Kommentar zu Despinas erhellendem Austausch der Vokale. Am Ende gibt es natürlich kein Happy End. Die beiden Frauen lassen die Männer im Grunde stehen und gehen. Was man ihnen nicht verdenken kann.

Das Ganze ist aber nicht nur ziemlich gescheit gedacht und mit Witz und Hintersinn auf der Bühne umgesetzt, es wird auch vorzüglich gesungen. Emma Moore ist eine Fiordiligi von imposanter Präsenz und glasklaren Höhen, Amira Elmadfa ihre wunderbar bewegliche Schwester Dorabella. Artjom Korotkov setzt seinen fokussierten Tenor als Ferrando für seine Werbung um Fiordiligi ein, so wie der jungenhafte Henry Neill mit seinem geschmeidigen Bariton ziemlich schnell bei Dorabella Erfolg hat. Allen Vier gelingen differenzierte Charakterporträts. In dieser Deutung darf Michael Mrosek seinen Don Alfonso vor dem puren Zyniker bewahren und Heain Youn als Despina eine Kostprobe ihres komödiantischen Talents (über den Medikus und Notar hinaus) ausspielen. Die Staatskapelle Weimar steuert mit hörbarer Freude einen frischen Mozart bei.

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