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Maximilian Marcoll hört seiner Komposition zu. Foto: Petra Basche
Maximilian Marcoll hört seiner Komposition zu. Foto: Petra Basche
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Mehr als ein Symbol: Maximilian Marcolls „Adhan“ in Berlin

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Alle etwa 20 Minuten setzt sich der Organist Thomas Noll auf die Orgelbank. Zwischen 18 und 22 Uhr erklingt Maximilian Marcolls Komposition „Adhan“ in einer speziellen Innenraumfassung in der Kirche zum Heilsbronnen in Berlin-Schöneberg. Ursprünglich war es für eine Aufführung vor zwei Jahren mit dem Carillon im Berliner Tiergarten vorgesehen. Aber das Stück „funktioniert“ auch in einer Kirche.

Die meisten Kirchenräume, so auch dieser in Berlin, strahlen eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus. Ein Sammlungsort, natürlich auch bestens geeignet für musikalische Ereignisse. Dem Schweigen der Hörenden antwortet die Musik als raum(er)füllendes Kommunikationsmedium. Der Ruf des Muezzins zum Freitagsgebet, der Klang des jüdischen Schofars, die Doppelung des Rufs in Orgel und Zuspielung – das alles wirkt in diesem Stück zusammen und kauderwelscht nicht. Die musikalischen Sprachen verbinden sich zu einer eigenen neuen „Sprache“, die ziemlich gut – annähernd unmittelbar – verstehbar ist, weil sie ihr Vokabular nicht neu erfindet. Man kann daran anschließen und sich von vielen Seite nähern. Das macht Marcolls „Adhan“ zu einem außerordentlichen Stück Musik, bei dem sich darum ohne Wehleidigkeit oder distanzierende Reflexion der Begriff des Schönen einstellt.

Marcoll sagt im Gespräch: „Der Kontext, aus dem ein Klang kommt, ist nicht nur zufällig mit dabei, sondern ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Grund, weshalb dieser Klang im jeweiligen Stück überhaupt vorkommt.“ Aber aus diesem Kontext kann sich das manifeste Stück gleichwohl lösen und ein Existenz führen, die davon unabhängig ist. Das zumindest wäre gut, weil sich dadurch die Komposition nicht in sich verkapselt. Wenn das der Intention von Komponist und Komposition zuwiderläuft, ist das hinzunehmen als Polyvalenz des Zugangs.

Hinter der organisierten und ritualgeladenen Musik, man merkt es erst kaum, hört man Vogelgezwitscher und weiß nicht genau, woher es stammt. Mit der Zeit wird es immer lauter und deutlicher hörbar. Im letzten Drittel, wo Orgel, Muezzin und Schofar schweigen, hört man es über einer Klangfläche der Zuspielung, das wahrscheinlich aus dem vorgenannten Material zusammengestellt wurde. Die letzten 18 Sekunden bestehen aus Rauschen. Eine Markierung, die Stück und Restwelt trennt. Bevor dann die Kirchenraumstille übrigbleibt. Gegenüber einer pfingstlichen Außenraum-Aufführung entfällt hier dann der ursprünglich gewünschte Effekt, des Ineinandergreifens von Komposition und Umwelt. Doch was soll‘s, man muss die Umgebung nehmen, wie sie klingt oder doch sehr deutlich schweigt. Thomas Noll an der Orgel der Kirche am Heilsbronnen hat den Orgelklang so registriert, dass er sich unaufdringlich mischt mit der Zuspielung. Überhaupt ist er der bisher einzige Live-Interpret des Stücks. So sehr die Außenraumrealisation zurzeit niemand wagt, als Innenraumkomposition darf man diesem Stück ein langes Leben wünschen. „Adhan“ und die Zuhörer und Zuhörerinnen hätten es verdient.

Man hat hier ein wunderschön tönendes Stück Komposition. Es ist bedeutungsgeladen und es ist geradezu harmlos, seine Aufführung provoziert niemanden, es ist nahezu unverständlich, warum es so viel Widerstand gegen die Aufführung im Außenraum gibt. Es gab hier keine Bedrohungen, es gab keine Demonstrationen gegen die Verwirklichung des Stücks. Zwischen den Aufführungen im Vorraum und vor der Kirche dagegen Gespräche, Fragen und Antworten zum Werk. Eine friedliche Situation. In diesem Szenario dieses so außerordentlich warme, schillernde, auch das kantige, oszillierende Stück „Adhan“ – das wie ein Rausch aus Klarheit auf den einen oder anderen wirken mochte. Vielleicht auch anders auf andere. Musik, die einen froh und glücklich macht. Und so wie man sich wünschen könnte, dass dahinterstehende religiöse Konzepte zueinanderfinden könnten vor dem Hintergrund einer Welt, die auch ohne Religionsbezug existiert, deren Heillosigkeit nicht ohne Glück sein muss.

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