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Semiramide: Alex Esposito (Assur), Simone Alberghini (Oroe), Joyce DiDonato (Semiramide). Foto: Wilfried Hösl.
Semiramide: Alex Esposito (Assur), Simone Alberghini (Oroe), Joyce DiDonato (Semiramide). Foto: Wilfried Hösl.
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Rossini als politische Entlarvung –„Semiramide“ an der Bayerischen Staatsoper

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Lord Actons Diktum „Power tends to corrupt, and absolute power corrupts absolutely“ erweist sich auch in unseren Tagen als zeitlos gültig. Das mag das Team um Regisseur David Alden bewogen haben, Rossinis herausforderndes und daher selten gespieltes Werk um die so legendäre wie berüchtigte assyrische Königin Semiramis in einer Diktatur zwischen dem antiken Babylon und dem heutigen Nordkorea anzusiedeln.

In der Intendanz von Peter Jonas gelangen David Alden (Regie), Paul Steinberg (Bühne) und Buki Shiff (Kostüme) inzwischen legendäre Neudeutungen von Monteverdi bis Händel. Ihre Rückkehr nach zehn Jahren und eine Starbesetzung machten neugierig. Der szenische Einstieg mit einem jener großen Säle, in dem die bühnenhohe Statue des „toten großen Führers“ alles dominiert, gelang. Doch über die folgenden mehr als dreieinhalb Stunden erwies sich dieses Raumkonzept auch als Korsett. Zwar waren die Wände schwenkbar, bildeten kleinere Räume und eröffneten hinter den großen Propaganda-Bildern der Herrscherfamilie mal Tribünen für Chorarrangements, mal ein surreal erinnertes Kinderzimmer, mal Projektionsflächen für Videos. Aber nach dem zutreffenden Bildeindruck „größenwahnsinnige Leere“ stellte sich auch ein szenisches Irgend- und Nirgendwo ein. Dann zwangen die (leider lauten) Umbauten zu Zwischenvorhängen (mit wenig erhellenden orientalischen Kachelmustern) und zum handlungsstörenden Singen vor diesen Vorhängen.

Die Videozuspielungen für das zweimalige Hereinwirken der „Götter“ samt dem mal realen und dann aber im Video banal multiplizierten Auftreten des ermordeten Königs Ninos wirkten nicht existentiell erschreckend, sondern schlicht. Aldens Hinzuerfindung des tot geglaubten, surreal auftretenden Kindes Ninyas, das nun als erwachsener Kriegsheld Arsace von der eigenen Mutter Semiramide als königlicher Ehemann auserkoren wird, wirkte nicht dramaturgisch erhellend. Dass Feldherr Assur, der machthungrige Exgeliebte und Mordkomplize Semiramides bei der Vergiftung Ninos’, in einem seiner Machträusche wie Chaplins Diktator auf dem Schreibtisch mit einer Erdkugel spielt, verpuffte als Zitat. Gegenüber derartigem und vielen Kleindetails blieb Aldens Personenregie blass.

Das Engagement von Dirigent Michele Mariotti, als Sohn eines Festival-Mitbegründers im „Rossini-Mekka“ Pesaro geboren, weckte Hoffnungen, die sich im 1.Akt wenig erfüllten: da klang einiges breit und „füllig“, da fehlten jenes federnde Vorwärtsdrängen und Spannung. Das lag nicht am blitzsauber aufspielenden Staatsorchester, sondern am Dirigenten, der für einen klar konturierten Trompetenruf auch schon mal den „Trump-Daumen“ hob.

Dieser Stil stand im Gegensatz zu den exquisiten Kostümen von Buki Shiff: traumhafte Stoffe, Muster zwischen Antike und Moderne, raffinierte Schnitte – gipfelnd in einem Goldkostüm für die von Arsace geliebte Azema: heiratspolitisch umhergeschoben, glänzte Elsa Benoit zwar mit süßem Sopran, doch die Ärmel ihres hautengen Kleides waren – wie in der Peking-Oper anzutreffen – extrem verlängert, machten sie fast „gesten-unfähig“ und wirkten wie drohende Zwangsjacken-Ausläufer. In Shiffs Roben und Militäruniformen agierten dann exzellente Sänger. Neben dem silbrig klaren Tenor von Lawrence Brownlee als unglücklicher Brautwerber Idreno klang Alex Espositos machtgieriger Assur-Bariton noch anfangs rau, im 2.Akt aber wurde seine Abrechnungsszene um das einstige Bett der Liebe mit Semiramide zu ersten dichten Höhepunkt des Abends. Librettist Gaetano Rossi und Komponist Rossini ist da eine hasserfüllt düstere Szene gelungen, die ein Mörderpaar im Morast ihrer Untat wühlend zeigt, die Macbeth und seine Lady ebenbürtig ist. Die bei ihrem Rollendebüt und der oft vordergründig brillant, hier aber zutreffend als „Unruhe und Qual übertünchend“ angelegten Arie „Bel raggio lusinghier“ noch nicht frei klingende Joyce DiDonato wirkte in der zunehmend tragischen Verstrickung dann immer intensiver. Mit Daniela Barcellona stand ihr ein Arsace gegenüber, dessen dunkler, aber stupend agiler Mezzosopran alle Fiorituren, Triller, Sprünge und Abschattierungen des klassischen Belcanto in die dramatische Expression einband. Beider Duett – in dem Semiramide ihn noch als künftigen Gatten und nicht als eigenes Kind umgurrt, Arsace aber von seiner Liebe zu Azema schwärmt – geriet trotz Zwischenvorhang zu einer „Belcanto-Sternstunde“.

Ihre Finalszene in der nicht erkennbaren Grabkammer, in der sie sich als Mutter und Sohn, als durch den Vater-Mord und Vater-Rache heillos Verstrickte erkennen, ließ nicht nur darüber staunen, wie sehr hier Rossi und Rossini eine fahl quälerische, grandios unheilbare Begegnung zwischen „Klytämnestra und Orest im Orient“ geschaffen haben – hier gelang zwei Künstlerinnen die Transzendenz, in der Gesang mehr als Worte kündet: von Simon Boccanegras Entsetzen „Un trono! – Una tomba!“, von Boris Godunows Krönungserschrecken „Wie bang ist mir!“, vom Enden wie Wotan in den „Trümmern der eigenen Welt“ - vom korrupten Elend aller Macht. Rossi-Rossinis musikdramatische Größe und ihre davon beseelten Interpreten verdienten allen Jubel.

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