Kurz nach Bekanntgabe der Meldung, dass die kreisfreie Stadt Plauen weiterhin im Kulturraum Vogtland-Zwickau bleiben wird, ging das Theater Plauen Zwickau mit „remIXed – Variationen über Beethovens IX. Sinfonie für Jazzband, Ballett und Kammerorchester“ online. Die Ausführung des fragmentierten und fragwürdig gefüllten Torso mit der einer Schauspielerin übertragenen „Ode an die Freude“ vermag nur ansatzweise zu überzeugen.
Bewegte Zeiten am Theater Plauen Zwickau. Vor kurzem versandte das Theater einen Nachruf auf seinen am 2. April im Alter von 54 Jahren überraschend verstorbenen früheren Ballettdirektor Bronislav Roznos. Dieser hatte in den Jahren 1995 bis 2009 die Entwicklung des Tanzes vom Theater Zwickau in die Fusion mit dem Theater Plauen begleitet und mit beeindruckenden Produktionen konsolidiert. Eben diese Fusion und das vor zwei Spielzeiten in Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau umbenannte Orchesters erfuhren eine heftige Erschütterung.
Ende April versandten die Vorstände der dem Kulturbetrieb nahestehenden Institutionen mit Generalintendant Roland May und seinem designierten Nachfolger Dirk Löschner einen offenen Brief an die Stadt Plauen, in dem sie die Entscheidungstragenden und den Stadtrat baten, „deren Pläne zum Austritt noch einmal zu überdenken“ und „gegen den Austritt der Stadt aus dem Kulturraum Vogtland-Zwickau zu stimmen“. Plauen ist seit 2008 freiwilliges Mitglied im Kulturraum Vogtland-Zwickau des Freistaats Sachsen. In einer Beschlussvorlage des Plauener Stadtrats wurden Kürzungen im Kulturhaushalt mit den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Stadtfinanzen begründet. Man hatte erwogen, die Kulturumlage in Höhe von 740.000 Euro nicht mehr in den Kulturraum einzuzahlen. Plauen bleibt nach einer weiteren Abstimmung im Kulturraum.
Im zweiten Lockdown hatte das Theater seine Streaming-Aktivitäten auf einem eigenen Youtube-Kanal mit vielen Porträts und Kurzvideos intensiviert. Ein Höhepunkt sollte die 38-minütige Transformation von Beethovens IX. Sinfonie zu einer hybriden Überschreibung für verkleinertes Orchester, Jazz-Formation und Ballett werden. Ausgedacht wurde das von Generalmusikdirektor Leo Siberski, der in einer fast ebenso langen „Making of“-Dokumentation die Verkürzung "eine bereichernde Innovation" nannte.
Tatsächlich geht es hier auf’s arrangierende Ganze. Anstelle des bei Beethoven vorgesehenen Chors und des Solo-Vokalquartetts schuf die Schauspielerin Sabrina Pankrath aus Friedrich Schillers „Ode an die Freude“ ein flüsterndes, melodramatisches Mantra von hoher Suggestionskraft für jene, die das Werk ohne Opernstimmen bevorzugen. Umso erstaunlicher wirkt diese Besetzung angesichts der Tatsache, dass das Musiktheater-Ensemble seit der von Operndirektor Jürgen Pöckel auf zwei Abende in Wochenabstand geteilten Händel-Produktion „Tamerlano“ kaum in Erscheinung treten konnte – ausgenommen ein Video mit sechs Liedern von Clara Schumann (Orchester-Version: Masayuki Carvalho) mit der Sopranistin Małgorzata Pawłowska.
Als sich abzeichnete, dass man die traditionell im Vogtland das Jahr beschließenden Aufführungen von Beethovens IX. Sinfonie 2020 wegen Corona absagen musste, entwickelte Siberski mit dem Cellisten Wassily Gerassimez, seinem Partner im Duo deux arts [gru:p], ein Konzept, das „kulturelle Erbe in allen Facetten“ ins vermisste Publikum tragen sollte. Synthesizer-Klänge mit den kompletten Stimmen- und Notenmaterial aus Beethovens Scherzo, einem kleinen Orchester für den Beginn des letzten Satzes und einer freien Jazz-Interpretation zu nachdenkender Stimme bremsen den obsessiven Freude-Taumel im Chorfinale ohne Chor aus. Über den Effekt der Popularisierung von Klassik kann man angesichts dieses Resultats geteilter Meinung sein, zumal die Tanzkompanie auf der Bühne des Plauener Theaters in korrektem Abstand und mit violetten Kostümen diesmal keine ihrer sonst sehr detailfeinen archetypischen Geschichten erzählte. Annett Göhre findet geradlinige und ausladende Parallelbewegungen, wobei das Scherzo eher an Goreckis Cembalo-Konzert als an Beethoven denken lässt. Hier ist das Publikum tatsächlich angehalten zur Eigenaktivierung dessen, was der Kontrabassist Robert Lucaciuals eine „im Kopf funktionierende Musik“ nennt und mit seiner performativ bestens geschulten Show zum Schwingen bringen will.
Über die digitale Klinge springen muss allerdings der über weite Bereiche fast unkenntlich gemachte Beethoven. Entscheidungssache und -freiheit für mündiges digitales Publikum ist dieser genau 197 Jahre nach der Uraufführung, am 7. Mai 2021, als Online-Premiere ins Netz gesetzte Film „remIXed“. Leichte Müdigkeit zeigt vor allem der Teil, in dem endlich die Orchesterformation an die Arbeit geht und sich schnell der Effekt des in exotische Ferne gerückten Vertrauten einstellt. So entsteht eine noch größere Sehnsucht nach dem auch in Plauen und Zwickau inzwischen ein halbes Jahr vermissten Live-Erlebnissen, vor allem aber auf Werke in angemessener Besetzung und angemessener Originalität. Siberskis innere Furcht vor einem „XXL-Sammelsurium“ erwies sich als begründet, zumal man sich in diesem „remIXed“ von dem Steigerungspotenzial der originalen Partitur distanzierte: „Beethoven and Soul“ ist also noch nicht ganz realisiert. Annett Göhre bereitet derzeit als filmische Mehrsparten-Produktion Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ vor.