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L'Orfeo. Favola in musica von Claudio Monteverdi (1567 – 1643). Premiere am 28.04.2023. Foto: © Sandra Then.
L'Orfeo. Favola in musica von Claudio Monteverdi (1567 – 1643). Premiere am 28.04.2023. Foto: © Sandra Then.
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Süße Klänge für verwirrte Herzen – Claudio Monteverdis „Favola in musica“ in Hannover

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1607 wurde die „Favola in musica“ von Claudio Monteverdi in Mantua uraufgeführt und noch heute ist in diesem ersten Werk der dann explodierenden Gattung „Oper“ hörbar, dass es das Werk einer radikalen Zeitenwende ist. „Ich bin die Musik, die in süßen Klängen jedes verwirrte Herz besänftigt und bald zu noblem Zorn, bald zur Liebe die eisigsten Gemüter entflammen kann“, singt Frau musica im Prolog.

Welch eine Idee, was Musik vermag, und das ist denn auch das Thema der Oper: Orpheus, der mit seinem Gesang wilde Tiere zähmte, will seine durch einen Schlangenbiss verstorbene Gattin Euridice aus der Unterwelt zurückholen. Es gelingt erst und misslingt dann, weil er die Forderung, sich nicht nach der Geliebten umzuschauen, nicht erfüllen kann. So bleibt er allein mit seiner Kunst, isoliert von den Menschen.

Das Wunder dieser Partitur ist jetzt zu hören und zu sehen an der Staatsoper Hannover. Durch das immer weiter differenzierte Wissen um die historische Aufführungspraxis waren Monteverdis Opern, die außerdem erst am Anfang des 20. Jahrhunderts von dem italienischen Komponisten Francesco Malipiero wiederentdeckt wurden, aus „normalen“ Opernspielplänen nahezu verschwunden. Es war Nikolaus Harnoncourt, der vor fast fünfzig Jahren mit seinem Züricher Monteverdi-Zyklus den Auftakt gegeben hat für die regelrechte Wiederentdeckung der Opern Monteverdis. Heute kämpfen nicht wenige Fachmänner und -frauen mit der zusätzlichen Verpflichtung von SpezialmusikerInnen um diese Musik an den Opernhäusern – zu Recht. Zu ihnen zählt der Brite David Bates, der sich als Dirigent vor allem als Händel-Fachmann einen Namen gemacht hat und der nun Orfeo leitete mit dem Niedersächsischen Staatsorchester, ergänzt um Zinken, Regale, Chitarrones, Posaunen, Blockflöten: ein ungemein farbenreiches, betörendes und vitales Klangbild erblühte. Bates betonte die explosive Lebensfreude dieser Musik mit ihrer farbenreichen Charakterisierung von Schmerz und Freude, von Ober- und Unterwelt.

Die vielen Buhs, die sich in den auch offensichtlichen Zuschauerjubel mischten, galten wohl der Inszenierung der jungen Italienerin Silvia Costa, die damit ihre zweite Barockoper inszeniert. In der Tat gab sie uns viele Rätsel: Orfeo und Euridice heiraten, aber davon war nichts zu sehen, schon mal gar nicht Freudiges. Alles war dunkel, Gesichter mit wenigen Ausnahmen waren nie zu erkennen, wir sahen düstere Assoziationen, Traumbilder. Viel ist im Text von der Natur die Rede, auch die wurde nur von einem ebenfalls dunklen Blumenstrauß repräsentiert. Es wirkte fast so, als wollte Costa den tragischen Ausgang antizipieren: Orfeo schafft es nicht, was Pluto fordert, Euridice nicht anzusehen. Doch nicht nur das: eine Eisskulptur nimmt er in den Arm, die er dann zerschmettert. Heißt das, er will gar nicht wirklich, er will allein bleiben mit seiner unfassbaren Kunst, die alles vermag, ihm aber für seine Liebe nichts leisten kann – außer, dass er in die Unterwelt eingelassen wird. Costas Bilder – sie selbst ist die Bühnenbildnerin – sind enigmatisch, haben viele Ecken, sind dunkel. Der Eingang zur Unterwelt, die aus dem Boden dampft, sind Baugitter.

So sehr uns Costa Stimmungen und Bilder verweigert, so wenig dürfen sich auch die Personen in irgendeiner Weise emotional bewegen. Der neu engagierte Bariton Luvuyo Mbundu aus Südafrika singt/spricht unbeweglich seinen Trauerausbruch, auch die anderen Figuren wie Euridice, Pluto, Caronte, Proserpina und auch die allegorische Gestalt der Musik, die man in ihrem Eingangsmonolog gar nicht sieht, haben kaum eigene Körpersprachen. Das wird noch betont durch Doppelbesetzungen: Proserpina und Botin, Euridice und Frau Musica. Mbundu singt das „parlar cantando“, mit dem Monteverdi seinen erzählerischen Gesangsstil beschreibt, souverän und mit einer geheimnisvollen Mischung aus Bariton und fast tenoralen Höhen, erreicht am Anfang aber kaum etwas Verführerisches. Das gelingt ihm dann doch im zweiten Akt überzeugend. Aber Gold im Mund, wie es aus seinem glitzert, hat er für die Rolle nicht ausreichend. Niki Treurniet als Frau musica und Euridice, Nina van Essen als Botin und Proserpina, Marco Lee als Apollo, Markus Suihkonen als Caronte und Roard Walshe als Pluto führen den Abend insgesamt zu dem verdienten Beifall.

  • Weitere Aufführungen: 2.5., 5.5. und 12.5. um 19.30, 18.5. und 21.5. um 18.30, 26.5. um 19.30, 29.5. um 18.30, 2.6. und 10.6. um 19.30.

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