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Klavierauszug. Aphrodite.
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Versuch künstlerischer Gerechtigkeit – Die Bayerische Theaterakademie stellt Max Oberleithners „Aphrodite“ vor

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Eine neue Facette im Münchner Musikreichtum: Nicht nur der Nachwuchs an Musikhochschule und Theaterakademie soll „vergessene“ Werke kennenlernen. Denn im Fundus von über 40.000 Opern ruhen auch Schätze, die zu Unrecht nicht wiederentdeckt wurden. Wohl bei der Recherche im Umfeld zu Antoine Mariottes „Salomé“, die im Februar als Bühnenproduktion Premiere hatte, stießen alle Beteiligten auf den Bruckner-Schüler Max Oberleithner (1868–1935). Um 1900 hatte er sich in Wien auch als Opernkomponist etabliert.

Nicht zuletzt durch den Sensationserfolg von Richard Strauss’ „Salome“ standen skandalträchtige Stoffe hoch im Kurs und so vertonte er einen damals heiß diskutierten Roman: „Aphrodite“ von Pierre Louÿs (1870–1925), der in Frankreich als „Meister erotischer Literatur“ so anerkannt war, dass Oscar Wilde ihm sein „Salome“-Drama gewidmet hatte.

Die Handlung führt ins griechische Alexandria um 200 v.Chr. Dort leisten reizvolle Hetären im und neben dem Tempel der Aphrodite Weihe- und Liebesdienste. Chrysis, die schönste von ihnen (der Komponist dachte an den neuen Stern der Wiener Oper Maria Jeritza!), fühlt sich bei einem Fest zurückgesetzt. Bildhauer Demetrios glaubt in ihr seine traumschöne Statue der Göttin lebendig geworden. In seiner Verfallenheit raubt er für die eitel rachsüchtige Hetäre Schmuckstücke, tötet für sie und zerstört sogar sein Kunstwerk. Als er seinen Wahn erkennt, weist er alle Liebesdienste Chrysis’ zurück. In wahnhafter Selbstbestätigung schmückt sie sich öffentlich mit dem Raubgut, wird zum Giftbecher verurteilt und muss vom Leben in den traumschönen Gärten Aphrodites Abschied nehmen.

Da lässt sich viel von der schwülen „Décadence“ der Jahrhundertwende ahnen. Die vokalen Eindrücke des rund 80-minütigen Einakters reichen von Chrysis zarter Bitte „Lass mich träumen“ über Demetrios Jubelgesang an Aphrodite und seine Statue hin zu reizvollen Quartetten der Frauenstimmen – und Josephine Renelt (Chrysis) und ihren drei Kolleginnen Steinhardt, Karmasin und Brunauer gestalteten den Lyrismus und die kleinen Ausbrüche so überzeugend wie Ludwig Mittelhammers Demetrios-Virilität beeindruckte.

Doch alle weiteren Urteile über Oberleithners Werk fallen schwer, denn trotz Joachim Tschiedels und cs hochengagiertem Spiel auf zwei Konzertflügeln blieb unklar, ob die wuchtig einleitenden Akkorde nun von Blechbläsern, dem Schlagwerk oder vom ganzen Orchester kommen, ob da nun Flöte, Oboe oder Klarinette ätherische Nacht beschwören – denn Oberleithners Werk scheint den damals üblichen Klangzauber zu bieten: es blieb sechs Jahre im Spielplan der Staatsoper. So wäre bei einer Fortsetzung dieser neuen Reihe „Oper am Klavier“ eine andere als jetzt verkünstelte Form zu wünschen.

Statt der von Dramaturgin Britta Schönhütl erfundenen, zu gespreizt eitel vorgetragenen Ich-Erzählung von Librettist Hans Liebstoeckl zum Werk, statt Levin Handschuhs banal wackeliger Video-Verdoppelung der Sänger und statt Stefanie Bartkos allzu schlichtem „Live Painting“ auf einer von Notenpulten und Sängerschatten beeinträchtigten Hintergrundleinwand - bitte: eine deutlich werkdienlichere Einführung und wenn schon Videoarbeit, dann eine klar gegliederte Orchestersitzordnung, in der die jeweils spielenden Instrumente oder Gruppen aufleuchten oder farbig unterlegt werden – also weniger „künstlerische Selbstverwirklichung“, dafür mehr „Dem Zuhörer Dienen“, der ja ohne wochenlange Befassung mit dem unbekannten Werk an diesem einen Abend „gewonnen“ werden soll.

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