Es war nicht 12 Uhr mittags und auch nicht Mitternacht: Das Rathaus Dortmund war am 22.Oktober 2011 ab 17 Uhr ein Ort der speziellen musikalischen Begegnung. Experimentelles von Monochord, Keyboard und Klangschale wurde abgelöst vom Marching and Walk Act einer New Orleans Brass-Band. Das Besondere, oder besser gesagt, das Normale daran waren Musikerinnen und Musiker mit Behinderung.
Der Förderpreis InTakt der miriam-stiftung zeichnet seit 8 Jahren inklusive Projekte aus, in denen Menschen mit und ohne Behinderung innovativ und kreativ musikalisch tätig sind. Der Einzelpreis honoriert innovative Konzepte der musikalisch- kulturellen Bildung, der Gruppenpreis würdigt Ensembles (www.miriam-stiftung.de). 22 Projekte und Ideengeber wurden bislang geehrt.
Musikalisch reicht die Bandbreite von Renaissance-Musik bis Avantgarde, von Jazz bis Rock. Merke: Die musikalische Arbeit mit Menschen mit Behinderung ist nicht auf Betulichkeit und musikalische Reduktion gebürstet. In der ganzen Republik entstehen seit Jahren neue Projekte, deren musikalische Inhalte und Vermittlungsmethoden von dem Willen getragen sind, gemeinsam mit Menschen mit Behinderung das kulturelle Leben zu gestalten. Die künstlerische Qualität dieser inklusiven Projekte – das Wort Inklusion steht für die gleichberechtigte Teilhabe – nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Ohne Zweifel hat das damit zu tun, dass sich zunehmend mehr professionelle Musikerinnen und Musiker für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung interessieren. Dies gilt im Übrigen auch für die anderen künstlerischen Disziplinen.
Der Einzepreisträger des Jahres 2011 ist Johannes Joliet, bildender Künstler und Musiker. Er leitet das Experimentalorchester Halle 016 der Bruderhausdiakonie Reutlingen. Seine Ensemblemitglieder gestalten freie Klänge, die sie gewöhnlichen und ungewöhnlichen Instrumenten abfordern. So entstehen Klangbilder und –landschaften. Das Schönste: Alle haben hier Zeit. Zeit, Klänge zu wiederholen. Zeit, Klängen nachzulauschen. „Wir füllen eine bestimmte Menge von Zeit mit Klang und sagen dazu Musik“ sagt Joliet. Was dabei herauskommt, ist Zeit, die erfüllt ist von Musik und Gelassenheit. So etwas können wir alle gut gebrauchen!
Gruppenpreisträger ist in diesem Jahr „Marshall Cooper Extended Version“, ein Projekt der fünfköpfigen Brass Band MARSHALL COOPER & THE PHONKY DEPUTIES aus dem Rhein-Main-Gebiet. Der uramerikanische New Orleans-Sound der vier Bläser plus Marching Drum Set wird in der Extended Version durch Musiker des Dortmunder Modells ergänzt (Gesang, zweite Trompete, Percussionelemente). Claudia Schmidt, die Leiterin der schon fast legendären inklusiven Band „just fun“ der Musikschule Bochum, hat die Berufsmusiker mit Musikern des „Dortmunder Modells:Musik“ zusammengebracht (das „Dortmunder Modell:Musik“ bildet erwachsene Menschen mit Behinderung im Instrumentalspiel aus).
Zwei Dinge sind erwähnenswert, auch wenn Worte nicht das geeignete Medium sind, das gemeinsame Musizieren zu beschreiben. Die Mitglieder der Band um den Leader Manuel Hilleke sind ein Vorbild im wertschätzenden und humorvollen Umgang mit Musikern mit Behinderung. Und sie machen gleichzeitig keinerlei musikalische Abstriche, um ihre neuen Bandmitglieder zu integrieren. Ein Aspekt allein hätte schon für den Förderpreis gereicht. So ist er doppelt verdient.