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Noa Danon, Richard Furman, Roland Fenes, Emilie Renard. Foto: © Andreas Lander
Noa Danon, Richard Furman, Roland Fenes, Emilie Renard. Foto: © Andreas Lander
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Warten auf Anatol – Die Oper Magdeburg glänzt mit Samuel Barbers Oper „Vanessa“

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„Vanessa“ – das klingt irgendwie nach einem Illustriertentitel. Oder nach Hollywood. Bei der regieführenden Intendantin der Oper Magdeburg Karen Stone und ihrem Ausstatter Ulrich Schulz sieht es auch etwas danach auch. Vanessa ist die Frau, um die der Amerikaner Samuel Barber (1910-1981) eine Oper geschrieben hat. Seit ihrer Uraufführung an der MET 1958 hat sie den Kanon des Genres im 20. Jahrhundert zwar nicht revolutioniert, aber sich widerstandslos ganz gut einfügt. Die Rubrik, in der es um scheiternde Beziehungen und geheime Obsessionen geht, ist ja ohnehin beliebig erweiterbar. Das Libretto für Barbers einzige Oper schrieb sein Lebensgefährte Gian Carlo Menotti (1911-2007). Selbst Opernkomponist, hat er schon von daher ein gewisses Feeling für eine operntaugliche Story.

Vanessa ist die Frau, die zwanzig Jahre auf ihren Verflossenen wartet. Als dieser längst verklärte Anatol tatsächlich in ihrer selbst verordneten Einsamkeit auftaucht, scheint er um kein Jahr gealtert, flirtet fast noch in der Tür mit Vanessas Nichte Erika. Den Schock der Erkenntnis, dass der Sohn des Geliebten mit gleichem Namen vor ihr steht, überwindet Vanessa schnell. Sie findet pragmatisch zurück ins Leben, das sie bis dahin gar nicht gelebt hat. Während des großen Silvesterballs verlobt sich Vanessa mit Anatol und geht mit ihm nach Paris. Ihre Nichte Erika treibt das zu einem Selbstmordversuch, bei dem sie das Kind, das sie offensichtlich von Anatol erwartete, verliert. Sie bleibt bei der alten Baronin (Vanessas Mutter und ihrer Großmutter) in der Einsamkeit mit Gebirgsblick zurück. Sie lässt die Spiegel wieder verhängen, wie es Vanessa einst gemacht hatte und übernimmt so ihre Rolle. 

Die Story ist eine Melange aus Strindberg und Ibsen mit einer Prise Tschechow. So wie sich auch Barbers Musik umsichtig bei den Kollegen des 20. Jahrhundert bedient und alle postspätromantischen Register zieht. Inklusive des Ehrgeizes, eine Abschieds-Ensembleszene der Protagonisten einzufügen, die es mit den diversen großen Vorbildern aufnehmen kann. Diese Szene wird zum vokalen Höhepunkt der Magdeburger Produktion, die vor allem mit einer typgerechten, rollenadäquaten Besetzung glänzt.    

Noa Danon verkörpert mit der Eleganz einer noch jugendlichen Erscheinung eine Vanessa, die ihre Feldmarschallin im „Rosenkavalier“ vor fünf Jahren am selben Haus delikat spiegelt und ergänzt. Undine Dreißig ist bis in jeden Seitenblick hinein eine geheimnisvolle alte Baronin par excellence. Wunderbar leichtfüßig, mit einem Schuss Naivität ist Emilie Renard jene verführte Unschuld vom Lande, die hier einen Selbstmordversuch nebst Fehlgeburt bewältigen und sich dann doch erhobenen Hauptes in die Rolle der harrenden Hausherrin fügen muss. Richard Furman ist mit strahlendem Tenor und Aussehen der HopplaHopp-Liebhaber, der in Paris wohl schon ein Verhältnis neben seiner – vermutlich vermögenden – Vanessa am Laufen haben dürfte. Man ist sich am Ende ziemlich sicher, dass es mit den Beiden auf Dauer nicht gut gehen wird. Ebenso typgerecht ergänzen Roland Fenes als alter Doktor, Freund des Hauses (und wohl stiller Verehrer Vanessas oder der Baronin?) und Paul Sketris als Diener Nicholas das fabelhafte Protagonisten-Ensemble.

Svetoslav Borisov und die Magdeburgische Philharmonie bringen die ganze Klangpracht, die an Puccini und Strauss ebenso wie an Gershwin geschult ist, zum Leuchten. Am Anfang noch etwas auf Kosten der Stimmen, schnell aber stellt sich ein Gleichgewicht ein, das auf die Suggestionskraft der Geschichte setzt. 

In Karen Stones Inszenierung der dreiaktigen Fassung von 1964 dominiert durchgestylte opulente Klarheit. Sie packt das Ganze in eine metaphorische Schneekugel. Gradlinig wird die Geschichte von der Ankunft Anatols bis zu seiner Abreise mit Vanessa durcherzählt. Die Eleganz der Kostüme – auch für den exzellent einstudieren Chor – und des Ambientes vor einem gewaltigen Bergpanorama, samt großer Frei- und Wendeltreppe bestimmen die aufgehellte Optik. Den Ball gibt es hinter einer Tapetenwand mit riesiger Tür.

Das ist schön anzusehen, aber in dieser räumlichen Transparenz bleibt das Geheimnisvolle und Surreale der Situation weitgehend auf der Strecke. Schon die erste Szene, kurz vor der Ankunft Anatols, unterschlägt im aufgeregten Habitus Vanessas und des Personals die zwanzig Jahre, in denen aufrecht erhaltene Rituale einfach Spuren hinterlassen haben müssten. Diese Geschäftigkeit würde eher zu einem Hausherren passen, der beim morgendlichen Spaziergang wo auch immer versackt ist. So bleibt das vielsagende demonstrative Schweigen der alten Baronin noch das Geheimnisvollste in einer Geschichte, die ihre rätselhafte Spannung genauso gut aus den Dingen, die nicht zur Sprache kommen, bezieht. Damit verschenkt die Szene einiges von dem Rehabilitierungseifer für Barbers Oper, dem sich die musikalische Seite des Abends so entschieden verschrieben hat. Dennoch: Magdeburg bietet eine lohnende Begegnung mit dem Werk, die man sich nicht entgehen lassen sollte!

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