Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich heute mit einer Stellungnahme zu urheberrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit generativer künstlicher Intelligenz (KI).
Für die Entwicklung von KI wird eine enorm große Menge von geschützten Werken zu „Trainingszwecken“ herangezogen. Urheberrechtlich ist hierfür regelmäßig eine Vervielfältigung der Werke erforderlich. Das Vervielfältigungsrecht liegt grundsätzlich bei den Urhebern und Leistungsschutzberechtigen (bspw. Film-, Tonträgerproduzenten oder Sendeunternehmen). Eine Nutzung setzt deshalb im Grundsatz eine Zustimmung der Rechtsinhaber voraus. In der Regel wird aber eine individuelle Zustimmung von den Entwicklern von KI nicht eingeholt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Nutzung gesetzlich erlaubt ist.
Der Deutsche Kulturrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die bestehenden Schrankenregelungen für Text und Data Mining die Nutzung von geschützten Werken für das Training von KI-Systemen abdecken.
Geht man davon aus, dass die genannten gesetzlichen Erlaubnisse für Text und Data Mining bei der Nutzung von KI-Trainingsdaten Anwendung finden, so ist zwischen Nutzungen für Forschungszwecke auf der einen Seite sowie Nutzungen für kommerzielle Zwecke auf der anderen Seite zu unterscheiden.
Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass KI-Systeme, die von privaten Unternehmen zu kommerziellen Zwecken angeboten werden, in Deutschland – und in Europa insgesamt – in der Regel nicht auf der Basis der genannten Schrankenregelung entwickelt werden dürfen.
Der Deutsche Kulturrat hatte im Zusammenhang mit der Umsetzung der DSM-Richtlinie und unter Berücksichtigung der damaligen Erkenntnisse einen Vergütungsanspruch im Zusammenhang mit den gesetzlichen Erlaubnissen für Text und Data Mining gefordert (vgl. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Umsetzung der DSM-Richtlinie und der Online-SatCab-Richtlinie vom 11.09.2019).
- Er bittet deshalb die Bundesregierung, die konkrete Ausgestaltung und praktische Umsetzung eines solchen Vergütungsanspruchs zeitnah zu prüfen.
Urheberrechtlich geschützte Werke können nur durch Menschen geschaffen werden. Das durch eine KI erzielte Erzeugnis ist deshalb nicht als Werk im Sinne des § 2 UrhG anzusehen, mag es auch noch so sehr in Form und Inhalt einem Werk ähneln. In aller Regel wird ein urheberrechtlicher Schutz auch nicht etwa deshalb bejaht werden können, weil ein Mensch der KI bestimmte Vorgaben für das Erzeugnis gemacht hat (sog. „Prompts“). Diese Vorgaben werden zumeist als bloße Ideen urheberrechtlich nicht geschützt sein; die konkrete Ausgestaltung der Vorgaben, für die ein Schutz in Betracht käme, wird aber gerade nicht durch einen Menschen vorgenommen.
Denkbar ist dagegen, dass das Erzeugnis einer KI lediglich als Ausgangspunkt für anschließende kreative Leistungen eines Menschen dient. Wenn diese Leistungen – vergleichbar einer Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes – eine hinreichende Originalität aufweisen, kommt insoweit ein Urheberrechtsschutz in Betracht.
Von zentraler Bedeutung dürften dabei Kennzeichnungspflichten des Verwenders des KI-Erzeugnisses sein, durch die offengelegt wird, ob ein Erzeugnis wesentlich auf dem Einsatz von KI beruht.
- Der Deutsche Kulturrat hält es deshalb dringend für erforderlich, Kennzeichnungspflichten des Verwenders von KI-Erzeugnissen zu prüfen. Dabei sollten branchenspezifische Besonderheiten Berücksichtigung finden. Er bittet die Bundesregierung, diese Prüfung schnellstmöglich vorzunehmen, um die anstehenden Trilog-Verhandlungen für einen AI Act ggf. für sachgerechte Regelungen nutzen zu können.
Langfristig ist nicht auszuschließen, dass die bisherigen Kriterien zur Bestimmung eines Werkes vor dem Hintergrund der aktuellen KI-Entwicklungen überprüft werden müssen. Ziel muss es dabei stets sein, menschliches Werkschaffen weiterhin angemessen schützen zu können, ohne die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit des Urheberrechts insgesamt zu gefährden.
Die Erzeugnisse von KI können schließlich Haftungsfragen aufwerfen, die ebenfalls genau zu prüfen sind. So ist beispielsweise keineswegs ausgeschlossen, dass ein KI-Produkt ein bestehendes Urheberrecht verletzt, weil kein hinreichender Abstand zu einem benutzten Werk eingehalten wird. Hier muss dringend geklärt werden, inwieweit der Hersteller der KI und der Verwender der KI für die Rechtsverletzung und den eingetretenen Schaden haften.
- Der Deutsche Kulturrat bittet die Bundesregierung, die einschlägigen Haftungsfragen im Zusammenhang mit KI-Anwendungen zu prüfen und gegebenenfalls Regelungsvorschläge vorzulegen.
Neben dem urheberrechtlichen Werkschutz sieht das Urheberrechtsgesetz bekanntlich einen Schutz von Leistungen durch die verwandten Schutzrechte vor. Insoweit ist ein Schutz von KI-Erzeugnissen, beispielsweise beim Schutzrecht des Tonträger-, Film- oder Datenbankherstellers, nicht ausgeschlossen. Ob es sinnvoll ist, einen generellen Leistungsschutz für KI-Erzeugnisse durch den Gesetzgeber einzuführen, ist allerdings derzeit noch völlig offen und muss zunächst diskutiert werden.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Kaum ein anderes Thema hat den Kulturbereich in den letzten Monaten mehr bewegt, als die KI und ihre Auswirkungen auf das Urheberrecht. Zu Recht, denn es geht um sehr grundsätzliche Fragen: Welche Konsequenzen hat KI für die tägliche Arbeit und die angemessene Vergütung von Urheberinnen und Urhebern? Was bedeuten die neuen Entwicklungen für die Lizensierungspraxis sowie für die Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt? Wie kann verhindert werden, dass durch KI die Verlässlichkeit von Informationen vollständig in Frage gestellt wird? Wer haftet für etwaige Rechtsverletzungen und Schäden, die durch KI ausgelöst werden? Was bedeutet es, dass KI-Systeme vorrangig von einigen wenigen großen IT-Giganten entwickelt werden, die über die erforderlichen wirtschaftlichen und technischen Ressourcen verfügen? Der Einsatz von KI hält selbstverständlich auch Chancen für Urheberinnen und Urheber sowie die gesamte Kreativwirtschaft bereit und findet bereits vielfach Anwendung. Dessen ungeachtet bedarf es aber dringend einer Klärung der offenen Fragen und einer schnellen Regulierung durch den Gesetzgeber. Ziel und Richtschnur muss sein, die menschliche Autorschaft zu stärken.“