Berlin/Magdeburg - Die Proteste gegen das Bauhaus Dessau reißen nicht ab. Die Entscheidung, das Konzert einer linken Punkband abzusagen, überschattete am Mittwoch die Vorstellung des Jubiläumsjahres 100 Jahre Bauhaus. Eine Online-Petition kritisierte die Absage angesichts der Historie des Bauhauses als geschichtsvergessen. Der Berliner Künstler Clemens Krauss will aus Protest Werke aus Dessau abziehen, wie er in einem Brief deutlich machte.
Die Absage an die Band Feine Sahne Fischfilet war als Einknicken vor der rechten Szene kritisiert worden. Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra trat Vorwürfen entgegen, die Konzert-Absage sei ein Eingriff in die Kunst- und Programmfreiheit gewesen. Die Programmhoheit habe die Direktorin der Stiftung Bauhaus, sagte der CDU-Politiker im Magdeburger Landtag. «Niemand kann ihr diese nehmen.» Direktorin Claudia Perren habe ihn um Rat gefragt. Die Entscheidung habe sie getroffen, sagte Robra, der Vorsitzender des Dessauer Stiftungsrates ist.
In Berlin gab es nach der Vorstellung des Jubiläums-Programms eine Diskussion zur Entscheidung, das ZDF-Konzert der linken Band abzusagen. Perren verteidigte den Schritt erneut. Sie räumte aber Fehler bei der Kommunikation ein: «Das ist wirklich ganz schief gelaufen.»
Es sei bei der Absage nicht um die Band gegangen, sagte Perren, die einige kritische Fragen zu hören bekam. Sie führte zwei Gründe an: Das Bauhaus habe den Rechtsextremen keine Kulisse für Proteste bieten wollen - eine Taktik des Fernhaltens. «Man muss sagen, dass uns das diesmal ganz schwer auf die Füße gefallen ist, und das nehmen wir auch sehr ernst.» Außerdem sei ihr das Risiko einer Eskalation zu groß gewesen. Das habe für sie nichts mit ihrem Vertrauen in die Polizei zu tun, sondern mit ihrer Verantwortung gegenüber der Bauhaus-Stätte, die Unesco-Welterbe ist.
Rechte Gruppierungen hatten im Internet zum Protest gegen das Konzert von Feine Sahne Fischfilet aufgerufen. Die Absage trifft jedoch eine linke Musikgruppe, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagiert. Die Band will weiter am 6. November in Dessau auftreten. Ein Ort ist noch offen. Das Anhaltische Theater Dessau wurde nach Angaben des Intendanten Johannes Weigand nicht angefragt. Er verwies am Mittwoch auf die Band und den Veranstalter. Die Suche nach einer Konzertstätte laufe noch.
«Das Bauhaus ist ein politischer Ort und war ein politischer Ort», unterstrich Annemarie Jaeggi, die Direktorin des Bauhaus-Archivs in Berlin. Der Reiseführer «Lonely Planet» hat gerade Deutschland als Ziel empfohlen, weil dort 100 Jahre Bauhaus gefeiert wird. Das Programm ist riesig. Drei neue Museen entstehen in Weimar, Dessau und Berlin - 52 Millionen Euro gibt es dazu vom Bund. Bei einer «Grand Tour der Moderne» können Bauhaus-Fans deutschlandweit 100 Orte erkunden.
Im Januar gibt es ein Eröffnungsfestival in der Berliner Akademie der Künste. Das Haus der Kulturen der Welt zeigt ab März in der Ausstellung «Bauhaus Imaginista» die globale Strahlkraft der Schule. Der Fernsehsender Arte dreht eine Miniserie «Eine Frau am Bauhaus», mit Anna-Maria Mühe in der Titelrolle und August Diehl als Walter Gropius.
Kulturschaffende und Architekten protestieren unterdessen mit einem Offenen Brief gegen die Konzert-Absage. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts und die Stiftung hätten «der Demokratie und dem kulturellen Leben in unserem Lande schweren Schaden zugefügt», heißt es in dem im Internet veröffentlichten Schreiben. «Besorgniserregend ist, wie die Politik durch offenkundige Weisungen in eine kulturelle Einrichtung hineinregiert.»
Auf der Liste der ersten Unterstützer fanden sich zum Teil bekannte Namen aus dem Museums-, Architektur- und Hochschulbereich. Auch die Künstlerinnen Hito Steyerl und Anne Imhof, der Ausstellungsmacher Kasper König, der Gestalter Erik Spiekermann sowie der Grafiker Klaus Staeck waren darunter. Zu den Unterzeichnern gehört der Kasseler Professor Philipp Oswalt, ehemaliger Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, dessen Vertrag vom Stiftungsrat nach einem Streit nicht verlängert worden war.
Der Künstler Clemens Krauss schrieb an die Bauhaus-Chefin Perren: «Eine Musikgruppe auszuladen, weil man Bedenken wegen möglicher Demonstrationen «rechter» Gegner hat, halte ich nicht nur für falsch, sondern für ein Fanal». Weiter heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag: «Vereinfacht gesagt lasst Ihr Euch damit von Demokratiefeinden wichtige demokratische Grundrechte nehmen.»