München - Der Akustikexperte Karlheinz Müller befürchtet ein Debakel beim geplanten Totalumbau der Münchner Philharmonie. Es gebe beim «Bauen im Bestand» viele Unwägbarkeiten. «Der Worst-Case würde eintreten, wenn man erst während des Umbaus merkt, dass es doch nicht ohne einen Totalabriss geht», sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. «Dann explodieren die Kosten. Schlimmstenfalls bekommen wir eine Elbphilharmonie auf Raten.»
Müller gilt als einer der weltweit renommiertesten Fachleute für Bau- und Raumakustik. Er arbeitete rund 40 Jahre für das Münchner Ingenieurbüro Müller-BBM, das zuletzt Projekte wie das Mariinsky 2 in St. Petersburg oder die neue Florentiner Oper betreut.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatten vor kurzem bekannt gegeben, dass in München kein neuer Konzertsaal gebaut werden soll. Stattdessen solle die erst 30 Jahre alte Philharmonie im Gasteig-Kulturzentrum entkernt und dort ein neuer Konzertsaal «auf Weltniveau» eingebaut werden.
Die Entscheidung soll demnächst per Kabinettsbeschluss festgezurrt werden. Die Absage nach einer rund zehnjährigen Debatte hatte die Münchner Kulturszene in Aufruhr versetzt.
Die Philharmonie im Gasteig-Kulturzentrum bezeichnete Müller als den «besten Mehrzwecksaal der Welt», der zu Unrecht schlecht geredet werde. «Groß besetzte Orchesterwerke kommen hervorragend zur Geltung. Bei Solisten- und Kammerorchestern kann die Akustik die Musiker und die Zuhörer schon mal im Stich lassen - wie bei allen großen Sälen mit über 2400 komfortablen Sitzplätzen.»
Akustisch werde nicht automatisch viel gewonnen, wenn in die bestehende Hülle ein neuer, kleinerer Saal implantiert würde. Addiere man die zu erwartenden Umbaukosten mit den Kosten für eine Interimsspielstätte und die ebenfalls geplante «Ertüchtigung» des Herkulessaales in der Residenz, könne man «locker» einen neuen Saal bauen und später die Philharmonie angemessen sanieren.
ergänzend dazu die dpa-Meldung vom 6.2.:
Spaenle wehrt sich gegen Konzertsaal-Kritiker
München (dpa/lby) - Nach scharfer Kritik an dem abgeblasenen Neubau eines Konzertsaals in München setzt sich die Staatsregierung zur Wehr. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hielt den Kritikern am Freitag in München vor, sich mit dem Konzept der Staatsregierung gar nicht auseinandergesetzt zu haben. «Ich kann Enttäuschung verstehen», sagte Spaenle der Nachrichtenagentur dpa. «Was mich jedoch ein bisschen wundert ist, dass manche Beteiligte bisher keine Anstalten machen, sich mit den Elementen dieses Konzepts zu befassen.»
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatten sich am Wochenanfang geeinigt, keinen Neubau zu planen, sondern das für seine schlechte Akustik berühmt-berüchtigte Kulturzentrum am Gasteig umzubauen - mit Akustik auf höchstem Niveau. Dort sollen künftig sowohl das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks als auch die Münchner Philharmoniker ihre Heimat finden. «Es wird möglich sein, zwei Weltklasseorchestern zwei Weltklassekonzertsäle anzubieten», betonte Spaenle.
«Das Besondere und Neue ist die Intensität der Zusammenarbeit von Staat und Stadt. Damit bekommen beide Orchester eine Planungssicherheit, wie es sie bisher nicht gab.» Auch private Konzertveranstalter würden mit einbezogen. «Ich bin erstaunt, wie schrill der Ton in dieser Debatte ist», sagte Spaenle. «Sowohl der Ministerpräsident des Freistaats Bayern als auch der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München sind keine politischen Anfänger.»
[update 10.2.]
Online-Petition für neuen Konzertsaal in München
München - Die Kritik an der Münchner Konzertsaal-Entscheidung von bayerischer Staatsregierung und Stadtspitze reißt nicht ab. Bis zum Dienstagfrüh unterschrieben mehr als 18 600 Menschen eine Online-Petition für den Bau eines neuen Konzertsaals. «Wir fordern den Bau eines neuen Konzert- und Kulturzentrums in München anstelle der beschlossenen Komplettsanierung und Umbau des Gasteigs», heißt es auf Internet-Seite. Die Münchner Pianistin Valentina Babor hatte die Petition am vergangenen Mittwoch ins Netz gestellt.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatten sich vor einer Woche geeinigt, keinen Neubau zu planen, sondern das für seine schlechte Akustik berühmt-berüchtigte Kulturzentrum am Gasteig umzubauen. Dabei solle eine Akustik auf höchstem Niveau entstehen, versicherten beide. Dort sollen sowohl das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR) als auch die Münchner Philharmoniker ihre Heimat finden. Das sorgte unter Musikfreunden und bei den Orchestern für heftige Kritik. BR-Intendant Ulrich Wilhelm sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag), er hoffe, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. «Es geht um mehr als nur den Musikstandort München, es geht um dessen Strahlkraft für ganz Bayern.»