Im Mai 2006 hat der Komponist und Musikwissenschaftler Dr. Jörg Riedlbauer die Präsidentschaft der Deutschen Mozart-Gesellschaft übernommen. Mit der nmz sprach er über Ziele und Pläne der DMG und über das Mozartfest 2008, das in diesem Jahr erstmals in zwei Bundesländern stattfindet.
neue musikzeitung: Herr Riedlbauer, bitte erklären Sie uns, was die Mozart-Gesellschaft genau darstellt, wo Sie ihren Wirkungsbereich sehen und welche Ziele sie verfolgt.
Jörg Riedlbauer: Zunächst einmal ist die Deutsche Mozart-Gesellschaft der Dachverband der Mozartvereinigungen in Deutschland. Das geht von A wie Arnsberg bis Z wie Zweibrücken. Verbandsgemäß laufen bei uns viele Fäden zusammen, wir beraten unsere Mitglieder bei ihren Aktivitäten, aber wir haben auch eigene Aufgaben: Zum einen ist die DMG im wissenschaftlichen Bereich für die Mozartforschung und die Mozartdokumentation zuständig. Dafür haben wir mit den „Acta Mozartiana“ ein eigenes Publikationsorgan, das von unserem Präsidiumsmitglied Prof. Dr. Laurenz Lütteken von der Universität Zürich betreut wird. Die „Acta Mozartiana“ hat sich über die Jahre zu einem sehr anerkannten Periodikum entwickelt. Wir haben satzungsgemäß aber auch Aufgaben im pädagogischen Bereich, die darauf abzielen, Menschen dazu zu bringen, sich aktiv nicht nur mit Mozart, sondern mit der gesamten klassischen Musik zu befassen. Der dritte Punkt ist der künstlerische Bereich. Wir betreiben und fördern die Aufführung von Werken Mozarts und solcher Komponisten, die mit ihm in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Das geschieht vor allem im Rahmen des von uns ausgerichteten Deutschen Mozartfestes.
: Das Mozartfest 2008 beginnt in Kürze, und das Motto lautet „Klassik und Moderne“. Gemessen an seiner Zeit ist Mozart durchaus ein Begriff für fortschrittliches, modernes Komponieren. Heute ist das sicherlich nicht mehr so leicht zu vermitteln. Wie gehen Sie an die Aufgabe heran, Mozart und Moderne in eine Reihe zu stellen?
: Wir können da natürlich nicht alle Ansatzpunkte aufgreifen. Was wir aber beim Mozartfest 2008 tun werden, ist, Werke Mozarts mit Musik des 20. Jahrhunderts in ein und demselben Konzert zu verbinden, das wird auch bis in den Jazz- und Popmusikbereich hineingehen. Außerdem werden wir das 20. Jahrhundert geschichtlich reflektieren in einer Veranstaltung auf dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände, wo Prof. Dr. Ulrich Konrad, einer der renommiertesten Mozartforscher, die wir derzeit haben, einen Vortrag über die Mozartrezeption im Nationalsozialismus halten wird, in Verbindung mit düsteren, zerklüfteten Kammermusikwerken Mozarts wie dem d-Moll-Streichquartett.
: Das Mozartfest findet in diesem Jahr zum ersten Mal länderübergreifend zwischen Sachsen und Bayern statt. Wie kommt es zu dieser geografischen Ausweitung, nachdem das Mozartfest bisher immer in der Verantwortung einer einzigen Stadt lag?
: Zum einen verbindet die beiden Freistaaten eine lang andauernde kulturelle Beziehung. Zum anderen versteht sich die DMG als nationale Vereinigung, und das wollen wir mit dem Mozartfest 2008 transportieren, indem nicht eine einzelne Stadt der Ausrichter des Festes ist, sondern zwei Länder, in diesem Falle eben Bayern und Sachsen.
: Diese Ausweitung des Mozartfestes auf über sechs Kommunen in zwei Bundesländern war sicherlich nicht einfach zu realisieren, wenn man beispielsweise Programmüberschneidungen vermeiden will.
: Richtig, das war nicht leicht, aber wir haben uns in diesem Jahr auf Chemnitz als Zentrum der Veranstaltungen festlegen können. Chemnitz trägt also die programmatische Hauptverantwortung, und von dort ausgehend tragen wir das Thema Mozart und seine Rezeption in unserer Zeit in konzentrischen Kreisen in andere Regionen hinein. Wir wollen also trotz der überregionalen Ausrichtung des Mozartfestes keineswegs von dem Prinzip abrücken, dass sich einzelne Städte dabei besonders profilieren können.
: Was werden die Highlights in diesem Jahr beim Mozartfest sein?
: Neben der schon angesprochenen Veranstaltung in Nürnberg auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist das schon die Eröffnung in Chemnitz mit der „Zauberflöte“. Von besonderem Reiz, denke ich, ist auch die Auftaktveranstaltung in der Städtischen Musikschule Bayreuth, wo die Schüler einen zwölfstündigen „Mozartmarathon“ gestalten werden.
: Das klingt ein wenig nach Peter Ruzickas Salzburger Mammut-Opernprojekt „Mozart22“. Wollen Sie sich dem im Kleinen anschließen?
: Es wäre vermessen, da Vergleiche zu ziehen. Sie bringen da aber ein wichtiges Stichwort, denn mir liegt es persönlich besonders am Herzen, Aufführungen der ganz frühen Opern Mozarts zu fördern, die momentan leider viel zu selten auf den Spielplänen erscheinen. Ich bin zwar schon dabei, das in Gesprächen mit Intendanten und Regisseuren anzuregen, aber ohne die nötigen finanziellen Mittel ist der Erfolg dabei eher bescheiden. Ich träume davon, einem Opernhaus mit entsprechenden Fördermitteln einmal direkt bei der Inszenierung einer solchen Oper finanziell unter die Arme greifen zu können.
: Wie kommt die DMG an die entsprechenden Fördermittel?
: Wir haben eine Mischfinanzierung wie sie für gemeinnützige Organisationen durchaus üblich ist. Wir bekommen Zuwendungen von der Stadt Augsburg als der zuständigen Kommune für unsere Geschäftsstelle, vom Freistaat Bayern bekommen wir eine Projektförderung für die „Acta Mozartiana“ und die Mozart-Musizierwoche. Für die Durchführung des Deutschen Mozartfestes fördern uns die beiden Freistaaten Bayern und Sachsen sowie die Städte Bayreuth und Nürnberg und besonders großzügig die Stadt Chemnitz. Sehr gerne würde ich es natürlich auch sehen, wenn der Bund sich in die Finanzierung unserer Projekte mit einbringen würde.
: Sie haben in dieser Sache schon Kontakt mit Bundesaußenminister Steinmeier aufgenommen. Gibt es von dieser Seite schon eine positive Rückmeldung?
: Es gibt da noch keine finanziellen Zusagen, allerdings ist Herr Steinmeier grundsätzlich der Idee gegenüber aufgeschlossen, die DMG in die kulturellen Aktivitäten des Außenministeriums mit einzubeziehen. Wenn es also beispielsweise darum geht, kulturpolitische Delegationen für die Auslandsarbeit zu bilden. Das ist uns in ideeller Hinsicht sehr wichtig.
: Stellen Sie sich die DMG kulturpolitisch als Ergänzung zum Goethe-Institut vor?
: Überall dort, wo wir uns hilfreich einbringen können, wollen wir das tun. Das kann hinuntergebrochen werden bis zum Austausch von Künstlern und Wissenschaftlern.
: Vor etwa zwei Jahren haben Sie die Präsidentschaft der DMG übernommen. Was waren bisher Ihre wichtigsten Ziele, und was steht außer der Imagepflege früher Mozartopern noch auf Ihrer Agenda?
: Von Anfang an sehr wichtig war mir die Ausweitung der Mozart-Musizierwochen, einem Projekt, das die DMG schon seit vielen Jahren in Bayern durchführt. In diesen generationsübergreifenden Kammermusikkursen, die Jüngsten sind manchmal zehn bis zwölf Jahre alt, die Ältesten stehen oft weit in ihren Siebzigern, können Interessierte unter der Anleitung von Hochschullehrern ihre Fertigkeiten in der Kammermusik vervollkommnen. Dieses Projekt würde ich gerne auch in anderen Regionen Deutschlands durchführen. In diesem Jahr wird es eine Mozart-Musizierwoche in Niedersachsen geben, im nächsten Jahr können wir sie wohl auch im Raum Chemnitz-Dresden anbieten. Und auch den Westen Deutschlands wollen wir in dieser Hinsicht noch erschließen, wenn es, wie ich hoffe, demnächst eine neu gegründete Mozart-Gesellschaft in Köln geben wird.
: Herr Riedlbauer, vielen Dank für das Gespräch.
57. Deutsches Mozartfest 2008
Das Deutsche Mozartfest 2008 findet vom 9. Mai bis 1. Juni 2008 statt. Die Veranstaltungsorte befinden sich in den Städtedreiecken Chemnitz-Leipzig-Dresden und Bamberg-Bayreuth-Nürnberg. Zur Eröffnung zeigt die Oper Chemnitz ihre Inszenierung der Zauberflöte, und auch Verleihung und Preisträgerkonzert des Mozartpreises (12. Mai) finden in Chemnitz statt. In diesem Jahr hat sich die dort ansässige Sächsische Mozart-Gesellschaft für den Pianisten und Dirigenten David Timm als Preisträger entschieden. Neben Konzerten mit klassischer und zeitgenössischer Musik werden auch Vorträge zu Mozartthemen angeboten. Die Verteilung der Spielstätten auf die Länder Bayern und Sachsen soll den kulturellen Austausch zwischen den beiden Bundesländern fördern und eine Basis für weitere gemeinsame Kulturprojekte sein.