Berlin - Seit Jahren wird die Berliner Staatsoper Unter den Linden von Planen verhüllt. Dort, wo Daniel Barenboims Ensemble längst wieder musizieren sollte, lärmen Handwerker und Bauleute. Die Wiedereröffnung ist nun für 2017 vorgesehen, doch sicher ist nichts. Nach dem Skandal um den neuen Flughafen hat sich Berlin einen weiteren Bau-Eklat geleistet.
Die Sanierungskosten sind explodiert, die Fristen um Jahre überschritten. Von diesem Freitag (8. Mai) an will das Berliner Abgeordnetenhaus untersuchen, was schiefgelaufen und wer dafür verantwortlich ist. Dabei hatte alles vielversprechend angefangen. Die einstige Hofoper sollte zügig wieder hergerichtet werden. Der Bund sagte 200 Millionen Euro zu, der Freundeskreis stellte 30 Millionen Euro in Aussicht.
Einen ersten Entwurf für einen modernen Saal mit historischer Fassade hatte der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gekippt - wohl auch auf Druck der Opernfreunde und von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Denn auch innen sollte die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte und von der DDR wieder aufgebaute Oper so aussehen, wie zur Zeit von Preußenkönig Friedrich II. Beschlossen wurde die «Rekonstruktion der Rekonstruktion», wie das Berliner Stadtmagazin «zitty» schrieb.
Der Arbeitszettel wurde lang - und teuer: Neue Bühnentechnik, eine fünf Meter höhere Saaldecke für eine bessere Akustik mit einem 0,5 Sekunden längeren Nachhall der Musik, neue Proberäume im benachbarten Intendantenhaus. Dazu kam eine unterirdische Verbindung zur Bühne für Kulissen, Künstler und Techniker.
Doch bald nach dem Start blieb das Projekt im Berliner Sumpf stecken. Bei Grabungen entdeckten Bauarbeiter Reste der mittelalterlichen Stadtmauer. Weil die Holzreste nur schwer zu bergen waren, musste die unterirdische Verbindung mit viel Beton zusätzlich gegen Grundwasser abgesichert werden. Die Pleite eines Planungsbüros verschärfte die Lage, die Kosten stiegen und stiegen.
Aus den zunächst auf 239 Millionen Euro veranschlagten Baukosten sind inzwischen 389 Millionen Euro geworden. Der Bund hat seinen Beitrag gedeckelt, der Rest muss aus der ohnehin gebeutelten Berliner Landeskasse komme. Der Freundeskreis hat, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Piraten hervorgeht, bisher 2,5 Millionen Euro bereitgestellt, weitere 1,6 Millionen sollen folgen.
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat die Pannenserie unter anderem mit der äußerst maroden Substanz des Gebäudes begründet, mit kostspieligen Gerüsten zur Absicherung der Innenräume und der Pleite eines Planungsbüros.
«Wir werden sicher die 400-Millionen-Grenze überschreiten», sagt die Grünen-Abgeordnete Sabine Bangert. Angesichts von drei Opernhäusern in Berlin hätte die Politik zunächst die Frage stellen müssen: was ist machbar und was will sich die Stadt leisten. «Die Kosten wurden politisch gesetzt» - und so kleingerechnet, sagt Bangert, die stellvertretende Vorsitzende im Untersuchungsausschuss ist. «Wer hat wen mit welchen Forderungen unter Druck gesetzt?» - diese Frage müsse der Ausschuss klären und dann die Konsequenzen ziehen.
Die Frage könnte auch Wowereits Nachfolger Michael Müller (SPD) in Erklärungsnot bringen. Denn bis Dezember 2014 war Müller Bausenator und damit für das Projekt verantwortlich. Im Herbst 2016 sind Wahlen zum Abgeordnetenhaus.
Generalmusikdirektor Daniel Barenboim, der bereits am 3. Oktober 2013 die Spielzeit im historischen Haus eröffnen wollte, muss sich derweil in Geduld üben. Und er macht es mit Galgenhumor. Man hoffe «im Jahr 17» wieder Unter den Linden spielen zu können, hatte Intendant Jürgen Flimm bei der jüngsten Pressekonferenz der Staatsoper gesagt. «2017», verdeutlichte Barenboim sofort.