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Quelle: sz-online/Sächsische Zeitung
Dienstag, 19. August 2008
Kunst und Spiele sind keine getrennten Welten
Von Olaf Zimmermann
Computerspiele sind ein Kulturgut. Sie müssen als solches behandelt werden und verdienen eine öffentliche Förderung.
Was in den traditionellen künstlerischen Ausdrucksformen selbstverständlich ist, dass es hochkulturelle Angebote gibt, die zumeist nur einen kleinen Kreis an Interessierten ansprechen, dass es Angebote aus dem Unterhaltungsgenre gibt, die viele Menschen mögen, und dass es „Schund“ gibt, wird bei Computer- und Konsolenspielen oftmals noch infrage gestellt. Wer, wie ich, sagt, Computerspiele können Kunst sein, gerät oft in den Verdacht, sich für gewalthaltige Spiele auszusprechen oder gar Amokläufe von Jugendlichen rechtfertigen zu wollen. Dabei hat das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
Spiele als Kulturwirtschaft
Nahezu unbestritten ist inzwischen, dass Computer- und Konsolenspiele zur Kulturwirtschaft zählen. Anders als andere kulturwirtschaftliche Branchen wie etwa die Musikindustrie muss die Computerspielebranche aber keine massiven Umsatzeinbrüche verkraften, sondern kann sich über jährlich steigende Umsätze freuen. Im Jahr 2007 ein Umsatzplus von 21 Prozent sowie eine stetig wachsende Zahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten; das sind Daten, die aufhorchen lassen und nicht mehr erlauben, die Branche zu vernachlässigen.
Nordrhein-Westfalen ist bereits seit Jahren dabei, sich als Kulturwirtschafts- und Medienstandort zu etablieren und hat daher viel darangesetzt, die in Leipzig groß und erfolgreich gewordene Messe Games Convention ab dem Jahr 2009 nach Köln zu locken. Hier sind große Unternehmen wie EA Games oder Nintendo ansässig, und Köln schickt sich an, Computerspielehauptstadt zu werden.
Computerspiele als Kunst
Diesem Bereich der Kulturwirtschaft soll in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, hier soll – laut Kulturwirtschaftsbericht Köln – eine deutliche Profilierung stattfinden. Die sächsische Landesregierung hat Leipzig beim Kampf um die Games Convention zu spät und offensichtlich nur unzureichend unterstützt.
Auch wenn die Anerkennung von Computer- und Konsolenspielen als Teil der Kulturwirtschaft gelungen ist, fällt es vielen noch schwer, sie als Kunst anzuerkennen. Dabei bestechen manche Spiele gerade in künstlerischer Hinsicht, und zwar sowohl hinsichtlich der Gestaltung als auch der erzählten Geschichte.
Sicherlich ist es schwer, in einer Branche, die fast ausschließlich nach Marktgesichtspunkten funktioniert, künstlerisch anspruchsvolle Produkte auf den Markt zu bringen, die unter Umständen nur einen kleinen Käuferkreis ansprechen. Die Entwicklung eines Computer- oder Konsolenspiels verschlingt teilweise Summen in mehrstelliger Millionenhöhe.
Spielepreis als Motor
Diese Investitionen gilt es, durch einen entsprechenden Markterfolg wieder hereinzuholen und zusätzlich einen Gewinn zu erwirtschaften. Das ist durchaus problematisch bei Produkten, mit denen der Massenmarkt über Großhandelsketten wie Mediamarkt und Saturn nicht erreicht werden kann. Es gibt aber zunehmend Investitionen in künstlerische Produkte, die über das Internet vertrieben werden.
Der geplante Deutsche Computerspielepreis der Bundesregierung, der erstmals im Frühjahr 2009 verliehen werden soll, könnte ein sehr wirksames Instrument werden, um die künstlerisch anspruchsvollen Computer- und Konsolenspiele mittels der Auszeichnung bekannter zu machen und sie zusätzlich durch finanzielle Mittel zu unterstützen.
Denn so und nicht anders funktioniert auch in anderen Sparten die Förderung künstlerisch anspruchsvoller Produktionen. So manche Musik würde nicht komponiert und aufgeführt, gäbe es keine Künstlerförderung und keine öffentlich-rechtlichen Rundfunkorchester, die die Kompositionen einspielen. So mancher Film wäre ohne Filmförderung niemals gedreht worden und ohne eine Verleihförderung nicht in die Kinos gelangt. Im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur werden mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis unter anderem solche Bücher ausgezeichnet, die hohen künstlerischen Ansprüchen genügen. Dank der Auszeichnung erreichen diese Bücher einen größeren Bekanntheitsgrad und damit auch Absatz.
Was in anderen künstlerischen Sparten längst eine Selbstverständlichkeit ist, sollte auch in der Computer- und Konsolenspielebranche Einzug halten. Künstlerisch ambitionierte Vorhaben erhalten eine Unterstützung. Damit wird das gesamte Genre weiterentwickelt.
Wichtig ist dabei, den künstlerischen Aspekt vom pädagogischen und Jugendschutzsaspekt zu trennen. Nicht jedes künstlerische Werk ist pädagogisch wertvoll oder für Kinder und Jugendliche geeignet. Daher muss ein künstlerisch anspruchsvolles Werk auch nicht zwangsweise jugendfrei sein. Aus dem Filmbereich gibt es zahlreiche Beispiele von künstlerisch wertvollen Filmen, die aber alles andere als für Kinder und Jugendliche geeignet sind. Man denke etwa an einige Werke von Pier Paolo Pasolini, Francois Truffaut, Rainer Werner Fassbinder Robert Rodriguez oder Quentin Tarantino.
Ausbildung als Zukunfts-Gebot
Es gibt sowohl in der Filmbranche wie auch in der Computer- und Konsolenspielebranche bewährte Verfahren der Einstufung nach dem Jugendschutzgesetz. Diese müssen strikt eingehalten und im Handel umgesetzt werden. Ein Spiel, das erst ab 18 Jahren freigegeben ist, gehört definitiv nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen. Nicht jedes Spiel, das für jedes Alter geeignet ist, ist aber künstlerisch wertvoll. Hier stärker zu differenzieren und das Bewusstsein für künstlerische Qualität zu schärfen, ist eine Zukunftsaufgabe. Auch mit Blick auf die Ausbildung in der Computer- und Konsolenspielebranche.
Bislang wird an den öffentlichen Kunsthochschulen dem Kunstfeld „Computerspiele“ zu wenig Beachtung geschenkt. Spieleentwickler sind immer noch oft Autodidakten oder besuchen private Ausbildungseinrichtungen im Schnelldurchgang. Verbesserungen in der Ausbildung von Spieleentwicklern, Ausbildungsgänge, die stärker auf künstlerische Qualifikationen abzielen, könnten sicherlich einen gewichtigen Beitrag dazu leisten, dass das Genre Computer- und Konsolenspiele künstlerisch noch deutlicher als bisher eine Weiterentwicklung erfährt. Ich vermute, dies wird in nicht allzu ferner Zukunft auch eintreffen.
Vielleicht werden die teilweise jetzt noch geführten Debatten, ob Computer- und Konsolenspiele Kunst sind, uns in zwanzig Jahren als geradezu absurd anmuten. Genauso, wie es heute Ausstellungen zu Comic-Kunst gibt und Comiczeichner als Künstler geehrt werden, könnte das in einigen Jahren für die Entwickler von Computer- und Konsolenspielen zutreffen. Ich freue mich darauf.
Vom 21. bis 24. August findet die weltgrößte Computerspielmesse Games Convention (GC) zum letzten Mal in Leipzig statt.
Unser Autor
Olaf Zimmermann (47) ist seit 1997 Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Von 2002 bis 2007 war er zudem Mitglied der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Bundestages. Er veröffentlichte u.a. das Buch "Streitfall Computerspiele - Computerspiele zwischen kultureller Bildung, Kunstfreiheit und Jugendschutz" (2007)
Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/multimedia/artikel.asp?id=1914392