Selbst wenn es nicht so sein sollte, wäre es doch gut erfunden: In der Wüste ist die Zahl der ertrinkenden Menschen größer als die der verdurstenden. Das will sagen, dass unerwartete Katastrophen weit verheerender wirken als solche, die eingerechnet werden. Katastrophal ist er wirklich, der Haushalt der Stadt München. Keines der großen Unternehmen, die in der Stadt siedeln, zahlt auch nur einen Euro an Gewerbesteuern. Schlimmer noch: Es gibt stattliche Steuerrückforderungen. Als auch die HypoVereinsbank schließlich auf diesen Zug aufsprang (sie machte das durchaus legal im Rahmen der Steuergesetze) wurde der Gau verkündet. Seit 24. Juli 2002 wurde eine Haushaltssperre erklärt. Andere Städte unseres Landes können darüber nur müde lächeln, müssen sie doch Jahr für Jahr mit Restriktionen dieser Art leben – zum Teil mit kreativen bis waghalsigen Auffangnetzen steuern sie sich dann durch diese finanziellen Untiefen. Im reichen München, das Prasserei und Denkfaulheit gleichermaßen Raum bot, gab es bislang kaum die Notwendigkeit für solche Gratwanderungen. Und so-gleich droht dem unsicheren Fuß der Absturz.
Selbst wenn es nicht so sein sollte, wäre es doch gut erfunden: In der Wüste ist die Zahl der ertrinkenden Menschen größer als die der verdurstenden. Das will sagen, dass unerwartete Katastrophen weit verheerender wirken als solche, die eingerechnet werden. Katastrophal ist er wirklich, der Haushalt der Stadt München. Keines der großen Unternehmen, die in der Stadt siedeln, zahlt auch nur einen Euro an Gewerbesteuern. Schlimmer noch: Es gibt stattliche Steuerrückforderungen. Als auch die HypoVereinsbank schließlich auf diesen Zug aufsprang (sie machte das durchaus legal im Rahmen der Steuergesetze) wurde der Gau verkündet. Seit 24. Juli 2002 wurde eine Haushaltssperre erklärt. Andere Städte unseres Landes können darüber nur müde lächeln, müssen sie doch Jahr für Jahr mit Restriktionen dieser Art leben – zum Teil mit kreativen bis waghalsigen Auffangnetzen steuern sie sich dann durch diese finanziellen Untiefen. Im reichen München, das Prasserei und Denkfaulheit gleichermaßen Raum bot, gab es bislang kaum die Notwendigkeit für solche Gratwanderungen. Und so-gleich droht dem unsicheren Fuß der Absturz. Das wäre noch nicht so schlimm, wenn ein besonnener, scharf denkender Kopf die Schritte leiten könnte. Aber zum finanziellen Defizit tritt ein geistiges. Würde man behutsam und zugleich klar mit der Situation umgehen, dann wäre wohl vieles zu regeln: vielleicht schmerzhaft, aber nicht existenzbedrohend. Aber wo schwarze Zahlen regierten, kann man nach ihrem Abdanken nur noch in Rotstiften denken. Und das ist das Fatale. Ein Körper, der plötzlich mit weniger Nahrung auskommen muss, greift Fettsubstanzen an und reduziert die Zufuhr an die Organe. Nie würde er die Leber oder die Lunge „zum Wohle der anderen“ opfern. Und auf den Gedanken, aus Restsubstanzen einen zweiten Blinddarm zu installieren, käme er schon gleich nicht. In München aber scheint das so zu sein. Das jetzige finanzielle Chaos (ist es wirklich so schlimm, oder lässt sich vielleicht mit kühlerer Draufsicht auf finanzielle Entwicklungen ein panikbereinigtes Bild zeichen?) entwickelt eine eigene Dynamik bis hin zum Selbstzerstörerischen. Blinde Hühner sind jedenfalls schlecht geeignet, ihren Hof zu retten. Sie rennen ihre Köpfe an den Problemen wund ohne Aussicht auf Ordnung und Sichtung: die städtischen Bühnen, das renovierungsbedürftige und darob zum Abschuss freigegebene Deutsche Theater, die Levine-Nachfolge bei den Philharmonikern (der Wunschkandidat des Orchesters Thielemann erklärte bereits: ich bin kein Sparhaushalt-Dirigent), das schon aufgegebene Richard-Strauss-Konservatorium, die städtischen Bibliotheken, die Schließung des Kulturzentrums Einstein, die Museumslandschaft, die freien Kunstszenen, das Literaturhaus und, und, und ...Seit einem Jahr ist Prof. Dr. Dr. Lydia Hartl Kulturreferentin der Stadt München. Zugute wäre ihr zu halten, dass sie von ihrem Amtsantritt weg in ein Loch fiel. Das ist nicht schön, wenn man von großen Projekten träumt und mit ständig kleiner zu backenden Brötchen konfrontiert wird. Sie wurde zum Amt der Streichreferentin verdonnert. Damit wurde sie zur Lieblings-Referentin des Münchner OB Christian Ude, der freilich schon bald noch der letzte ist, der ihre Fahnen hoch hält. Denn die sprachliche Ungeschicklichkeits-Meisterleistung von Helmut Kohl „Wichtig ist, was unten raus kommt“ begann mehr und mehr auch auf Lydia Hartl zu greifen. Von ihr wurde ein Verfahren gepflegt, das ein Vorfahr von Helmut Kohl, nämlich Konrad Adenauer, zur Perfektion entwickelte: das Aussitzen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Adenauer Inhalte aussaß, die seinen Vorstellungen entsprachen. Hartl aber sitzt das Nichts aus. Ihre Verzögerungs-Verhandlungen mit Thielemann wurden zur Farce, noch schwerwiegender aber war wohl ihre Inaktivität im Vorfeld davon, wo sich die Philharmoniker noch keineswegs auf Thielemann eingeschworen hatten. Es ist wohl kein Geheimnis, dass Hartl Thielemann oder dessen Kunstauffassung nicht sonderlich mag. Hier aber war eines der ausgesessenen Nichts. Keine Alternative wurde in die Debatte gebracht, nicht einmal eine Lenkung der Sicht auf andere ästhetische Möglichkeiten. Schließlich nahmen die Philharmoniker das längst aus den Händen gegebene Ruder selbst in die Hand. Und sie mögen noch davon profitiert haben, dass Mariss Jansons, der avisierte Nachfolger von Lorin Maazel beim Sinfonieorchester des BR, plötzlich mit dem Amsterdamer Concertgebouw liebäugelte, dem Thielemann auch schon Zuneigung bekundet hatte. Hartl war in diesen Schlachten nicht einmal ein Pingpong-Ball. Es ist ein trauriges Zeugnis, dass München unter den Top-Stars nur als zweite Wahl gehandelt wird. Aber mit kreativer Energie könnte ein solches Urteil (siehe Toulouse, siehe Birmingham, siehe Cincinatty, siehe vielleicht auch Freiburg) ins Gegenteil verkehrt werden. Aber das ausgesessene Nichts birgt keine kreative Energie.
Es mag mitunter so wirken, als habe Lydia Hartl in der Journalistin Sabine Dulz beim konservativen Münchner Merkur so etwas wie eine vorgeschobene medienpolitische Sprecherin gefunden. Die leistete sich nämlich gleich nach der ausgerufenen Haushaltsperre in einem Kommentar eine Streichliste konkret zu benennen. Verzichtbar in München sind ihrer Meinung unter anderem die „Puderzucker“-Aktivitäten wie die Musiktheater-Biennale, das Spiel.Art-Festival und die Internationale Dance-Biennale. Das Kinder- und Jugentheater „Schauburg“ fällt ebenso unter das Verdikt wie das Münchner Filmfest. Als erstes hätte man auf so einen Artikel einen vehementen Einspruch auf Seiten von Lydia Hartl erwartet. Auf zufälliger (wenn auch häufiger) Dienstreise kann sie nicht gewesen sein, der Artikel kursierte selbstverständlich über Wochen im Kulturreferat. Die Entgegnung aber unterblieb. Der Verdacht entsteht, dass Lydia Hartl zumindest einige Gelder aus dieser Liste wirklich massiv zurückzufahren versucht. Das aber sind gerade die Aktivitäten, die München aus der deutschen wie auch internationalen Landschaft hervorheben, die die Stadt weit über die kulturellen Zirkel hinaus attraktiv macht. Es darf nicht Anliegen der Kulturreferentin (und auch nicht der Stadt) sein, München zur Provinz herunterzufahren.
Auch dann nicht, wenn aus solchermaßen eingefahrenen Mitteln zur Begütigung Brosamen für die städtische Kulturszene abfallen sollten. Denn Eigenes und Internationalität dürfen nie zum Widerspruch ausgebaut werden. Nur wenn Internationales sich wohl fühlt in München, weil es hier kulturellen Widerpart verspürt (Widerpart im Sinne von Ergänzung und Weitung), floriert künstlerisches Leben.
Nach so vielen Einzwängungen fragt man sich, was Lydia Hartl überhaupt will. Und wiederum greift das ausgesessene Nichts. Diesmal hat es einen Namen: Medienkunstprojekt „Lab21“. Englisch ausgesprochen („Läb21“) klingt das gut. Nach vielen Verzögerungen und Hinhaltemanövern kam das kurz vor der Haushaltssperre (war es ein Coup von Ude, der schon davon und darum um seine Aussetzung wusste?) in den Kulturausschuss. Es lohnt sich, den fast 30-seitigen Entwurf, eine wissenschaftlich geblähte Blase, zu lesen, auch wenn diese Aktion die Beharrlichkeit eines Masochisten erfordert. München soll, wenn man die Quintessenz entschlüsselt (man korrigiere mich) auf 100 mietfreien Quadratmetern informeller Knotenpunkt von Medienkunstprojekten werden, die sich weltweit ereignen. Das kostet, denn man betraut mit Monika Fleischmann (Sitz beim Fraunhofer-Institut in Sankt Augustin) internationale Spitzenpositionen, für die kommenden drei Jahre mehr als eine Million Euro. Man würde damit Know-How im Werte von 2,5 Millionen Euro einkaufen. Die Aktie springt also um 150 Prozent! Jedes Milchmädchen muss da staunen. Milchmädchen Ude staunte. Und die Sitzung wurde zur Farce. Ude mahnte alle konservativen Kunstlümmel: Nie wurde von der Gegenwart verstanden, was in der Zukunft künstlerisch produktiv werden würde. Da hat er zwar Recht, und es ist nach seinen eloquent basisarmen Ausführungen auch gerne zu glauben, dass er das nicht weiß. Muss er auch nicht, es hieße nahezu alle OBs der Nation zu überfordern. Aber es gibt ein Korrektiv: den Sachverstand. Medienkunst (die Grünen schummelten den Begriff „Kritische Medienkunst“ unter) wird in Zukunft eine maßgebliche Rolle spielen. Doch die Informationen dazu holen sich die wesentlichen Künstler schon jetzt oder zumindest bald aus dem Netz, das einem informellen Zentrum schon jetzt das Wasser abgräbt. Das weitere, das Wichtige ist aber die Kreativität, der Witz, der Geist von individuell oder auch kollektiv Tätigen. Das betont schlanke „Lab21“ dürfte von ihnen nur belächelt werden. Oder benutzt wie eine Frittenbude irgendwo.
Da sagt der Kopf immer, der Bauch meistens nein. Zukunft heißt Visionen mit dem Potenzial vor Ort verbinden. Was ist wenn Ersteres nicht erbracht, das Zweite aber außer Acht gelassen werden?