Im Januar fand in Hamburg die erste „Zukunftswerkstatt Musik und Klima“ statt. Juan Martin Koch hat den Initiator Bernhard König, Autor des Aufsatzes „Monteverdi und der Klimawandel“ (nmz 9/2019) zu den Inhalten und Ergebnissen befragt.
neue musikzeitung: Aus welchen Bereichen stammten die Teilnehmer/-innen und welche Perspektiven ergaben sich aus der Zusammensetzung?
Bernhard König: Es war eine erfreuliche Vielfalt an Berufen und Herkünften, die in Hamburg aufeinandergetroffen sind: Expert/innen und Studierende aus Klimaphysik, Transformationsforschung, Theologie, Ingenieurwesen und natürlich aus der Musik in all ihren Facetten. Entsprechend bunt waren die Interessen und Blickrichtungen. Da war zum Beispiel der jüdische Kantor, der nebenbei Umweltlieder für Kinder schreibt; die Musikvermittlerin, die nach gesellschaftlichen Bezugspunkten für ihre Orchesterarbeit sucht oder die islamische Religionspädagogin, die sich in der Stadtteilkultur engagiert.
nmz: Welchen inhaltlichen Input gab es?
König: Um drei Beispiele zu nennen: Markus Rindt, der Intendant der Dresdner Sinfoniker, stellte mehrere geplante Großprojekte mit klima- und umweltpolitischen Bezügen vor – und zwar nicht in Form eines Frontalvortrages, sondern mit einer spürbar großen Neugierde auf das sehr differenzierte Feedback gerade der jüngeren Teilnehmer/-innen. Eine Studentin, die in der Berliner Club- und Technoszene beheimatet ist, berichtete davon, wie dort unter dem Stichwort der „Awareness“ nach klima- und umweltfreundlichen Veranstaltungsformaten gesucht wird. Und die Musikpublizistin Gisela Nauck berichtete von ihrem Festival „Mühlenbecker Klanglandschaften“, das Neue Musik mit regionalem Klimaschutz und ländlichem Empowerment verbindet. Ein in meinen Augen geradezu mustergültiger und zukunftsweisender Ansatz, der aber offenbar nicht von allen Fördergremien verstanden wird, so dass diese wunderbare Initiative bereits ein Jahr nach ihrer Gründung ums Überleben kämpfen muss.
nmz: Gab es ein gemeinsames Fazit oder einen Arbeitsauftrag für die nahe Zukunft?
König: Ein vorherrschendes Grundgefühl in unserer Abschlussrunde war: Dieses Wochenende hat noch keine fertigen Antworten geliefert, dafür aber umso mehr Denkanstöße und Fragen. Für mich persönlich ging zum Beispiel ein deutlicher Appell an unsere Zunft von der Diskussion einiger junger Umweltaktivist/-innen aus, die sich darüber Gedanken machten, warum Musik eigentlich für so viele Menschen nur als Konsumobjekt existiert – mit entsprechenden Energiekosten für Streaming oder Publikumsmobilität. Nach einer Weile stellten die Diskutierenden fest, dass sie alle die Erfahrung eines schulischen Musikunterrichtes teilten, der ihnen jedes Interesse und jede Freude am eigenen, aktiven Musizieren ausgetrieben hat. Die wenigen von ihnen, die in ihrer Freizeit mal eine Ukulele in die Hand nehmen, tun dies nicht wegen, sondern trotz der Schule. Es war ungeheuer anregend, ihre Visionen von einem besseren Musikunterricht zu hören – und gleichzeitig schmerzhaft, zu wissen, wie oft und wie weit schulische Realität davon entfernt ist.
nmz: Was nehmen Sie für die Folgeveranstaltungen mit?
König: Rückenwind und einen differenzierteren Blick. Oder, anders formuliert: Eine sehr bunte und vielstimmige Bestätigung, dass dieser Ansatz es wert ist, weiter verfolgt zu werden. Als ich vor einigen Monaten anfing, über die Verknüpfung von Musik und Klima nachzudenken, habe ich mich mitunter schon gefragt, ob das nicht alles ein bisschen abwegig ist. Dieser Zusammenhang liegt ja nicht so unmittelbar auf der Hand, wie beispielsweise in der Energiebranche oder in der Agrarindustrie. Unsere erste Zukunftswerkstatt hat mir nun gezeigt, dass es vielen Musiker/-innen ähnlich geht wie mir: Sie wollen im Rahmen ihres beruflichen Wirkungsfeldes etwas für den Klima-, Umwelt- oder Artenschutz tun und wissen nicht, wie das zusammenpassen soll. Sich über genau diese Fragen und Zweifel auszutauschen, bringt jede und jeden Einzelnen auf neue Ideen und führt allen gemeinsam vor Augen, wie vielfältig die Bezugspunkte und Handlungsoptionen sind.
Weitere Termine:
7.–9.2., PH Ludwigsburg
14.–16.2., Universität Paderborn
14.–15.3., Landesmusikak. NRW (Heek)
- Informationen und Anmeldung auf www.schraege-musik.de