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Initiative Kulturzukunft: die Sprecher Markus Michalke und Anna Kleeblatt. Foto: Toby Binder

Initiative Kulturzukunft: die Sprecher Markus Michalke und Anna Kleeblatt.

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Der Bürger als konstanter Player

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Die Initiative Kulturzukunft arbeitet für eine inhaltliche Weiterentwicklung bayerischer Kulturinstitutionen
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„Bei langfristigen Vorhaben wie Sanierungen ist der Bürger der einzige konstante Player im Projekt“, sagt Anna Kleeblatt. „Er ist vor jedem Politiker, vor jedem Beamten da, und er ist immer noch anwesend, wenn der Intendant oder Museumsdirektor bereits in die nächste Stadt gewechselt ist.“

Aber der Bürger wird nicht immer gefragt, wenn sich kulturpolitisch etwas tut. Das will die Initiative Kulturzukunft Bayern ändern, die sich im vergangenen November zusammengeschlossen hat: nicht ganz zufällig nach Corona und vor den anstehenden bayerischen Landtagswahlen im Oktober 2023.

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Kleeblatt ist studierte Betriebswirtin. Sie berät Kulturinstitutionen und hat vor einigen Jahren das spartenübergreifende „Faust“-Festival organisiert, das für seinen partizipativen Ansatz mit einem europäischen Kulturpreis ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit Markus Michalke aus dem Stiftungsrat der Pinakothek der Moderne spricht sie für diese Initiative, die sich im November 2022 aus anfangs 16 Freundeskreisen staatlicher und kommunaler Theater, Orchester und Museen bildete. Der Schwerpunkt lag anfangs in München, mittlerweile hat die Initiative bayernweit 30 Mitglieder, hinter der rund 15 000 ehrenamtlich engagierte Bürger stehen.

Auslöser für die Gründung der Initiative war, so erzählt Kleeblatt, eine Digital Lecture zum Thema „Öffentliche Räume in Kulturbauten der Zukunft“. Sie wurde im Herbst 2021 von ihr gemeinsam mit fünf Opernhäusern aus dem deutschsprachigen Raum veranstaltet. Das Thema ist bayernweit hochaktuell: Weil Kommunen und der Freistaat die Debatten und Kosten scheuen, haben sich im vergangenen Jahrzehnt zahllose Sanierungen angestaut, deren Baukosten immer weiter steigen, während die Mittel knapper werden.

Der Münchner Gasteig, das Haus der Kunst und das Deutsche Museum bilden die Spitze des Eisbergs, sein geblähter Bauch besteht aus mehreren Pinakotheken, dem Biotopia-Projekt, dem Residenz- und Nationaltheater sowie dem Staatstheater Nürnberg. Und das sind nur die großen Namen, auch kleinere Museen sind nicht wirklich zukunftsfest.

Der Sanierungsstau ist Auslöser der Initiative, aber nicht ihr Kernanliegen. Mit der Investition in Beton und Ziegel soll sich eine kulturpolitische Vision verbinden, die der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gerecht wird, die weniger kanonisch vorgebildet, diverser und pluralistischer ist. Damit trifft sie sich mit Bayerns Kunstminister Markus Blume, der zuletzt auch eine inhaltliche Weiterentwicklung, Digitalisierung und Öffnung von den staatlichen Theatern und Museen gefordert hat. Blume stellte zuletzt im Landtag und kurz danach auch bei einer Veranstaltung der Initiative seine „Kulturkaskade“ vor, ein zeitlich abgestimmtes Sanierungsprogramm für Münchens Kulturbauten vom Residenztheater über die Musikhochschule bis zum Nationaltheater.

Die Initiative begrüßt diese Sanierungen. Aber Michalke betont auch: „Es kann nicht sein, dass man in der Neuen Pinakothek die Haustechnik erneuert und das Haus sonst auf dem Stand der 1980er-Jahre lässt. Wir brauchen eine übergeordnete Vision zum kulturellen Angebot in Bayern, die Handlungsfelder definiert und daraus Strategien ableitet.“ Dafür fehlen teilweise Zahlen und Daten, und die Institutionen wirken in dieser Hinsicht oft konservativer als ihre Freundeskreise.

Wie die Verbindung aus baulicher und inhaltlicher Modernisierung aussehen könnte, erläutert Anna Kleeblatt am Beispiel des Nationaltheaters: „Es sollte zu einem Ort werden, den auch Menschen lieben, denen Oper eher fremd ist.“ Dafür müsste das Haus auch außerhalb des abendlichen Spielbetriebs zugänglich sein – etwa über eine ständig geöffnete Gastronomie. „Ideal wäre ein Gesamtkonzept, das auch das benachbarte Residenztheater, die Residenz und den Herkulessaal miteinschließt“, so Kleeblatt.

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Initiative Kulturzukunft: die Sprecher Markus Michalke und Anna Kleeblatt. Foto: Toby Binder

Initiative Kulturzukunft: die Sprecher Markus Michalke und Anna Kleeblatt.

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Solche Visionen sind inspiriert durch das vor allem von skandinavischen Bibliotheken und Kulturzentren erprobte Konzept des „Third Space“, eines kommunikativen Raums, wo Menschen kommerzfrei zusammentreffen können. Der Interims-Gasteig mit einer Verbindung aus Isarphilharmonie und ihrem tagsüber offenen Foyer mit einer Filiale der Stadtbibliothek folgt diesem Modell. Michalke erinnert daran, dass ursprünglich auch die Pinakothek der Moderne von Stephan Braunfels als städtebauliche Verbindungsachse zwischen der Innenstadt und dem Kunstareal geplant war.

Eine solche Öffnung könnte immer noch elitäre Kulturbauten öffnen und den Sanierungs-Milliarden zu einer breiteren Akzeptanz verhelfen, wenn sich Häuser für Eliten und Minderheiten in Räume für alle Bürger verwandeln. „Wir werden viel Geld ausgeben“, sagt Anna Kleeblatt. „Und das wird mehr Sinn machen, wenn wir alle etwas davon haben.“

Die Initiative Kulturzukunft Bayern möchte in einen Dialog mit den Institutionen und dem Kunstministerium treten. Die Gelegenheit dafür ist günstig: Blumes Vorgänger Bernd Sibler hat in der Corona-Krise kurzerhand Kritiker in einen Beirat berufen – nicht nur, um sie ruhig zu stellen, sondern auch, um in einen Dialog zu treten. Außerdem gibt es zumindest Spuren von Selbstkritik innerhalb der Staatsregierung nach der sehr harten Behandlung des Kulturbereichs in der Corona-Krise. Das öffnet Türen zumindest für einen Spalt, in die diese Initiative ihren Fuß stellen möchte.

Insofern ist es auch taktisch geschickt, dass bei der Veranstaltung der Initiative dem Kunstminister allzu harsche Kritik erspart blieb. Eine Enttäuschung hält die Kulturkaskade allerdings für jene bereit, die sich weiterhin das Konzerthaus im Werksviertel wünschen. Es ist nicht Teil des Zeitplans. Das wurde kritisiert, doch das Ministerium versichert, dass die Planung fortgesetzt wird. Das kann ein Ende auf Raten bedeuten. Oder auch eine Chance, weil das Konzept des Hauses stark auf Partizipation und kulturelle Bildung setzt. Allerdings fehlt noch immer eine schlagende Begründung, warum das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dafür ein eigenes Gebäude braucht und eine optimierte Isarphilharmonie dafür nicht ausreicht.

Der Minister meidet in diesem Zusammenhang konkrete Aussagen, lässt aber durchblicken, wie sehr er Aktivitäten der Institutionen außerhalb ihrer Gebäude schätzt. Das BR-Symphonieorchester setzt in der ersten Saison unter Simon Rattle auf bayernweite Präsenz – insofern ist das Ende dieser Geschichte weiter offen.

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