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Seit dem 6. Januar 1996 gibt es in Deutschland einen weiteren privaten Fernseh-Musiksender, der per Kabel und „Eutelsat" nach eigenen Angaben inzwischen in knapp 9 Millionen Haushalten empfangen werden kann. 18 Stunden täglich sendet ONYX-Music-Television Musikprogramme mit den Schwerpunkten Schlager, Country und Jazz. Auch Popmusik und die sogenannte "Klassik" sind im Angebot des dortmunder Senders vertreten.
ONYX verstehe sich keinesfalls als Konkurrenz zu den bereits bestehenden Musikkanälen MTVund Viva. „Wir wollen ganz gezielt ein Erwachsenen-Publikum ansprechen – von 30 bis 55", betont Nathalie Suthor, Redakteurin in der Pressestelle von ONYX. Diese große und eigentlich aus soziologischer Sicht äußerst heterogene Zielgruppe glauben die Verantwortlichen nun – in einer stark vereinfachenden Sichtweise – zu einer grundlegenden Tendenz zusammenfassen zu können, der Orientierung an einer primär kontemplativen Lebensphilosophie nämlich. Zwar gesteht man dieser Gruppe durchaus ein Interesse an den verschiedensten Musikrichtungen zu, doch will man sie auf keinen Fall durch die heute übliche Präsentationsweise mit ihren schnellen Schnitten, schrillen Verknüpfungen und scharfen Kontrasten „verschrecken".
Tagesbegleitend
„Das könnten wir unseren Zuschauern einfach nicht zumuten." Entsprechend gemächlicher und scheinbar ausgewogener fällt die Programmgestaltung und die Aufmachung der einzelnen Sendungen auch aus. „Das ist bei uns ein relativ relaxtes Bild", stellt Pressesprecherin Petra Grother fest. Und tatsächlich ist das Tempo entspannter, wirken die Bildsequenzen eingängiger und die verbalen Präsentationen plakativer als bei vielen Konkurrenzprogrammen. ONYX stehe für einen „neuen Anspruch an die Musik", proklamiert eine Werbebroschüre des Senders. Dieser neue Anspruch manifestiert sich im ausschließlich emotionalisierten Umgehen mit Musik jeglichen Genres: Die Kameraperspektiven rücken die Interpreten und deren Umfeld in den Mittelpunkt, die Gesprächsblöcke kreisen vor allem um subjektive Eindrücke, und die Auseinandersetzung mit der zu hörenden Musik selbst findet auf einer rein affektbetonten Ebene statt – Musik wecke eben vor allem „Leidenschaften und Erinnerungen", heißt es bei ONYX.
Des weiteren scheint eine zentrale Programmstrategie in der Ausrichtung des Sendeschemas an einer tagesbegleitenden Funktion von Musik zu liegen, wie sie bislang vom Hörfunk abgedeckt wird: das muntere Erwachen mit der Sendung „AufTakt", die gewissen Stunden mit „Streicheleinheiten" oder „Zeit zum Träumen" und schließlich – zur hoffentlich guten Nacht – die Sendung „TraumNoten". „Man kann unser Programm nebenher laufen lassen oder sich auch stundenlang davorsetzen und das anschauen", beschreibt Nathalie Suthor diese Konzeption. Dabei ist dieser „Anspruch an Musik" keinesfalls so neu, sondern liegt längst im Trend der Erlebnisgesellschaft. Die Motivation für das Auswählen zwischen Möglichkeiten ist dabei die ausschließliche Frage nach dem Erlebniswert; und dieser wird immer häufiger in einer Ästhetisierung des Alltäglichen gesucht. Auch bei ONYX steht diese Funktion von Musik eindeutig im Vordergrund – weit vor ihrem möglichen ästhetischem Eigenwert.
Das beliebte Crossover
Mit der Mischung der Musikfarben folgt der Fernsehkanal einer länger zu beobachtenden Tendenz auf dem Musikmarkt, dem sogenannten Cross-Over. Längst verkaufen sich auch die Drei Tenöre, ein vermeintliches „E-Musik-Produkt", bei einem Millionen-Publikum, das eigentlich auf die „Unterhaltungsmusik" festgelegt schien, Gregorianik hielt Einzug in die Popmusik und Opernsänger umrahmen Boxkämpfe – die Reihe ist beliebig erweiterbar. ONYX präsentiert eine Kombination dessen, was im Schallplattenschrank des potentiellen Zielpublikums vermutet wird: deutscher Schlager, Country-Musik, Jazz, „leichte" Popmusik und etwas „Klassik".
Die einzelnen Sendungen von ONYX sind einem Programmschema mit überwiegend gleichbleibender Tagesstruktur zugeordnet, so daß die Zuschauer zu einer bestimmten Tageszeit auch verläßlich mit einer bestimmten Musikfarbe rechnen dürfen. Die Formate reichen vom „hautnahen" Interpreten-Portrait bis zur Videoclip-Sendung. Sie bieten neben einigen Informationen vor allem Interviews mit den Künstlern und Berichte über deren persönliches Umfeld. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die deutsche Schlagermusik. In der Sendung „Hossa!" werden deutschsprachige Titel der 60er, 70er und 80er Jahre in Verbindung mit Comedy und anderen Showelementen aufgewärmt. Im Mittelpunkt stehen die „Stars von damals". „Auch diese Schlagersendung will sich abheben, indem sie eben nicht nur Schlager bringt, sondern auch Unterhaltung und Spaß", beschreibt Nathalie Suthor.
Ein weiterer Programmpfeiler ist die Country-Musik, die bei ONYX in der Sendung „Country Club" von Moderator Hans-Eckart Eckhardt vorgestellt wird. Da das Genre in Deutschland bisher nur wenig berücksichtigt worden sei, fühlen sich die Verantwortlichen mit dieser Sendung berufen, eine Lücke schließen zu müssen. In diesem Jahr stehen vor allem 16 Schwerpunkt-Folgen mit Berichten von der „Fan Fair" in Nashville (USA) auf dem Programm (die Serie begann im August). Auch mit der Sendung „JazzOnyx" glaubt der Musikkanal – trotz eines durchaus vorhandenen Angebots beispielsweise bei den Öffentlich-Rechtlichen – eine Marktlücke entdeckt zu haben. Man wolle „die Wiege der populären Musik" einem brei-teren Publikum zugänglich machen. 1996 berichtete ONYX hier unter anderem vom Festival in Montreux.
Natürlich möchte ONYX auch den inzwischen vielversprechenden „Klassik"-Bereich weiter ausbauen. Bisher gibt es hier vor allem die Sendung „Klassik Kids", in welcher monatlich drei junge Talente vorgestellt werden sollen. Ferner sei im Rahmen dieser Sendung ein Talent-Wettbewerb geplant, der im November stattfinden werde. Als Konkurrenz zum Wettbewerb „Jugend musiziert" verstehe man diese Einrichtung allerdings nicht. „Wir stellen die jungen Künstler in unserer Sendung auch in ihrem privaten Umfeld vor: was hören sie zu Hause, was lesen sie, wie sieht ihr Kinderzimmer aus, und wie sieht ihr Leben außerhalb der Musik aus", schildert Nathalie Suthor dieses Format. „Gerade Musikfernsehen muß jungen Künstlern eine Plattform bieten", sagte Chefredakteur Christof Hawerkamp, der ONYX inzwischen aus nicht näher genannten Gründen verlassen hat. Produziert wird die Sendung allerdings nicht von ONYX selbst, sondern von der Firma „Studio Dortmund", die auch für die Konzeption verantwortlich ist und noch weitere Sendungen für ONYX herstellt.
Das Profil
Auf die Frage nach den Kernmerkmalen dieses bunten Programms von ONYX – gerade auch in Abgrenzung zu den zahlreichen anderen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern – stellt Redakteurin Suthor fest: „Im Vordergrund steht qualitativ hochwertige Musik, und daß wir uns nicht irgendwelchen Trends unterwerfen wollen, und daß wir uns von diesen sehr aggressiven visuellen Klang-Effekten auf jeden Fall abheben wollen." Die Resonanz auf diese Programmgestaltung fand ihren Niederschlag bei ONYX bisher allerdings nur in Form von Publikumszuschriften. Erst in diesem Jahr wurde ein Research durchgeführt, dessen Ergebnisse die Verantwortlichen für den Herbst erwarten. Auskünfte über die sonst im Mediengeschäft so wichtigen Einschaltquoten gäbe es nicht: „Es gibt noch keine Quoten, es gibt nur Reichweitenerhebungen. Das ist eben das Problem der Spartensender." Und obwohl die Werbeindustrie eigentlich bei der Plazierung ihrer Spots auf genaue Kenntnisse eben dieser Quoten und der erreichten Zielgruppen bedacht ist, seien die Werbeeinnahmen des privaten Senders „definitiv zuläufig", gibt der Sender bekannt.