Hauptrubrik
Banner Full-Size

Deutsch-Französischer Kulturrat fordert höheren Stellenwert der Kulturpolitik in Europa

Autor
Publikationsdatum
Body

Der Deutsch-Französische Kulturrat unter der Präsidentschaft des künstlerischen Leiters der Schaubühne Berlin, Thomas Ostermeier, und des ehemaligen französischen Kulturministers, Jacques Toubon, hat der französischen und der deutschen Regierung seine Stellungnahme zur aktuellen Situation der Kulturpolitik in Europa überreicht.

Der Deutsch-Französische Kulturrat wurde im Jahr 1988 von Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatspräsident François Mitterrand ins Leben gerufen, um den Dialog zwischen deutschen und französischen Kulturschaffenden sowie die deutsch-französische Zusammenarbeit im kulturellen Bereich zu fördern. Dem Rat gehören zwölf hochrangige Vertreter der deutschen und der französischen Kultur an.

 

Pressemitteilung des Deutsch-Französischen Kulturrates

Die im Jahr 2010 neu ernannten Mitglieder des Deutsch-Französischen Kulturrates appellieren an die Regierungen beider Länder und an die Europäische Union, der Kulturpolitik den notwendigen Stellenwert einzuräumen.

Für uns ist die Kultur von entscheidender Bedeutung und zwar im doppelten Sinn:

1. Kultur heißt Geschichte, heißt Identität, heißt kritisches Denken. Die Kultur ist ein wichtiger Pfeiler der Demokratie. Deutschland und Frankreich und somit auch Europa stehen an einem historisch wichtigen Punkt, was den Umgang mit der Sinnkrise nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte anbelangt. Gibt es andere Antworten als die ewige Unterwerfung unter das ökonomische Diktat? Wie sehr es einer Epoche gelungen ist, die Ansprüche eines geglückten Lebens in der Kultur zu verwirklichen und vor der Vereinnahmung durch die Macht des Geldes und des Staates zu bewahren, bestimmt ihren historischen Wert. Ist es nicht gerade vor dem Hintergrund des immer geringeren Anteils für Kultur in den öffentlichen Haushalten wichtig, diese Budgets mit allen Mitteln zu bewahren? Kunst und Kultur sowie ihre Institutionen können dazu dienen, die metaphysische Unbehaustheit des modernen Menschen zu thematisieren und ihn so in ein Verständnis von Welt und Gesellschaft einzubetten, das über den herkömmlichen und unbefriedigenden Materialismus hinausgeht.

Eine Gesellschaft, die sich nur auf Profitstreben gründet, ist eine geistig arme Gesellschaft. Sie wird, ob sie will oder nicht, an dieser geistigen Verarmung zugrunde gehen. Viele Probleme unserer Zeit bedürfen weitaus komplexere Gedankengänge als eine simple Kosten-/Nutzenrechnung sich vorstellen kann. Der kulturelle Reichtum Europas ist groß, es gibt viel zu verlieren. Eine der letzten Instanzen, die noch zu einer Grundlagenforschung der gesellschaftlichen Frage in der Lage ist, droht verloren zu gehen. Wir müssen Kunst und Kultur als einen fundamentalen Wert unseres Lebens betrachten.

Der Reichtum einer Gesellschaft lässt sich auch daran ablesen, wie viele Einrichtungen, die keinen ökonomischen Gewinn erwirtschaften, sie sich leistet.

2. Ein wichtiger Pfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden zehn Jahren sind das Schaffen, die Produktion und die Verbreitung von kulturellen Gütern und kulturellen Dienstleistungen. Die so genannte immaterielle Wirtschaft, die Wirtschaft des Wissens wird künftig immer mehr für Reichtum und Beschäftigung sorgen.

Aus beiden Gründen darf die Unterstützung des Staates für die Kultur in Deutschland, Frankreich und in der Europäischen Union nicht in Frage gestellt werden. Diese Unter- stützung umfasst in erster Linie direkte Hilfen, private und öffentliche Subventionen für unterschiedliche Kunstsparten. Eine zunehmende Bedeutung bekommt auch die Schaffung günstiger Marktbedingungen in Form von Regulierungsmaßnahmen. Dank dieser Maßnahmen können Kreative, nicht ausschließlich profitorientierte Kulturunternehmen und experimentelle Werke zu Stande kommen und ihre Verbreitung finden (Kunstverlage, Arthouse-Produzenten und independent Labels etc.). So findet z.B. Lyrik in einer kleinen Auflage ihren Platz in der Buchhandlung neben dem Bestseller.

Wir fordern die Beibehaltung dieser Unterstützungs- und Regulierungspolitik.

Darüber hinaus stellen wir fest, dass die Staaten aufgrund ihres spezifischen geschichtlichen und politischen Hintergrundes in der Kulturpolitik unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die großen Handlungslinien entsprechen sich, stehen aber in unterschiedlichen Zusammenhängen und nehmen somit verschiedene Formen an.

Es müsste also um einen artist act oder einen Akt für Kunst und Kultur gehen, der versucht, Europa als ein Gebilde zu sehen, das die Rolle und die Funktion von Kultur untrennbar mit seinem politischen Selbstverständnis verbindet.

Anlässlich des 50. Jahrestages des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags und des 25. Jubiläums des Deutsch-Französischen Kulturrates im Jahre 2013 halten die Mitglieder des Rates die Gründung einer Deutsch-Französischen Kulturstiftung nach europäischem Recht, die mit einem eigenen Budget ausgestattet, deutsch-französische Kulturaktivitäten generiert und fördert, für wünschenswert und erforderlich.

Autor