Seit sechs Monaten befindet sich das politische Berlin in einer Art Dornröschenschlaf. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, schätzt das zu Ende gehende Jahr kulturpolitisch durchwachsen ein. Seit einem halben Jahr ist das politische Berlin, d.h. die Bundesregierung und in der Folge auch der Deutsche Bundestag, aufgrund der Bundestagswahl und der danach nicht erfolgten Regierungsbildung, nur eingeschränkt arbeitsfähig. Dadurch sind nicht wenige kulturpolitische Maßnahmen und Diskussionen behindert worden.
Hier einige positive, ambivalente und negative kulturpolitische Ereignisse des Jahres 2017 auf der Bundesebene:
Positiv
- Die Initiative kulturelle Integration legte fünfzehn Thesen zu Zusammenhalt in Vielfalt vor. Unter der Moderation des Deutschen Kulturrates diskutierten zivilgesellschaftliche Dachverbände, Kirchen und Religionsgemeinschaft, Medien und Vertreter der staatlichen Ebenen, von den Kommunen über die Länder bis zum Bund, über kulturelle Integration und Zusammenhalt.
- Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbereich war wichtiges Thema 2017. Ein Frauenkulturbüro konnte als eine Reaktion auf die Studie des Deutschen Kulturrates zur Geschlechtergerechtigkeit im Kulturbereich eingerichtet werden.
- Computerspiele wurde nach zehnjährigen Kampf auch von der Bundesregierung als Kulturgut anerkannt. Die Bundeskanzlerin eröffnete die gamescom 2017 in Köln.
- Künstlersozialabgabe sinkt noch einmal deutlich. Die Künstlersozialkasse wurde damit noch einmal deutlich stabilisiert.
Ambivalent
Zehn Jahre lang wurde sich auf das 500-jährige Reformationsjubiläum vorbereitet. Es war die größte Kulturveranstaltung des Jahres. Der Hauptakteur, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), hätte durch mehr Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure bei der Planung des Ereignisses noch deutlich größere öffentliche Wirkung erzielen können.
- Das ambitionierte Projekt der Rekonstruktion des Preußischen Stadtschlosses in der Mitte von Berlin nimmt immer deutlichere bauliche Formen an. Nur die Idee des Humboldtforums, der nicht weniger ambitionierte inhaltliche Kern, ist immer noch verschwommen.
Negativ
- AfD erringt ihren großen Wahlsieg bei der Bundestagswahl gerade auch mit Kulturthemen. Große Besorgnis im Kulturbereich, dass die AfD im Deutschen Bundestag den Vorsitz des Kulturausschusses anstreben könnte.
- Immer öfter wird versucht, Kunst auch in Deutschland zu zensieren. Die #MeToo-Debatte geht manchmal seltsame Wege.
- Dramatische Bildungsungerechtigkeit in Deutschland hat laut IGLU-Studie weiter zugenommen.
- EU-Parlament stimmt für die vorläufige Anwendung des umstrittenen Handelsabkommen CETA. Auch wenn der Kulturbereich von der vorläufigen Anwendung ausgenommen ist, ist der Schaden für die öffentliche Daseinsvorsorge groß.
- Die politischen Veränderungen in den USA haben auch Auswirkungen auf die Kulturpolitik in Deutschland. Schon der vorläufige Einreisestopp in die USA traf auch den Kulturaustausch empfindlich. Jetzt wollen die USA zum 31.12. 2018 der UNESCO endgültig den Rücken kehren. Das ist ein schwerer Schlag für die internationale Kulturzusammenarbeit.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Auch die Bundeskulturpolitik stand 2017 unter dem Einfluss des Wahlkampfes zur Bundestagswahl und dem sich daran anschließenden lähmend langen Weg, um eine neue Regierung zu bilden, dessen Ende immer noch nicht absehbar ist. Seit Mitte des Jahres 2017 läuft die Bundeskulturpolitik auf Sparflamme! Das ist umso bedauerlicher, da gerade jetzt kulturpolitische Antworten auf die Fragen nach der Zukunft Europa, nach der kulturellen Integration der Geflüchteten, der inhaltlichen Ausgestaltung des Humboldtforums, aber auch der Rolle der Kultur bei der Klimadebatte gebraucht werden. Seit sechs Monaten befindet sich das politische Berlin in einer Art Dornröschenschlaf. Hoffentlich findet sich ein Prinz oder gerne auch eine Prinzessin, um die neue Bundesregierung wach zu küssen, damit auch die kulturpolitischen Zukunftsaufgaben im kommenden Jahr endlich beherzt angegangen werden können.“