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Die Damen und Herren von der Musik

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Zur ökonomischen Situation der Musiker in Polen
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Viele Absolventen der Musikakademie spielen heute „zum Kotelett“, will heißen in Kneipen. Oder sie spielen den „Herrn“ oder die „Dame von der Musik“, das heißt sie erteilen auf einer Halbplanstelle für umgerechnet 190 Mark monatlich Musikunterricht an Grund- und Hauptschulen. Wie die Wochenendausgabe des „Super Express“ berichtet, werden zunehmend junge Musiker schließlich von ihren Frauen vor die Alternative gestellt: Entweder er findet eine „ordentliche Arbeit“ oder sie „sucht sich für unsere Kinder einen anderen Papi...“

Mit dem Fall der Mauer begann in Polen auch peu à peu der soziale Abstieg der Musiker. Vor 1990 genossen die Musiker mit Hochschulabschluss im Lande an Oder und Weichsel hohes gesellschaftliches Ansehen. Ein Musikereinkommen lag zumeist höher als das eines jungen oder durchschnittlichen Arztes im Staatsdienst. Diese Zeiten sind nun vorbei. Viele Absolventen der Musikakademie spielen heute „zum Kotelett“, will heißen in Kneipen. Oder sie spielen den „Herrn“ oder die „Dame von der Musik“, das heißt sie erteilen auf einer Halbplanstelle für umgerechnet 190 Mark monatlich Musikunterricht an Grund- und Hauptschulen. Wie die Wochenendausgabe des „Super Express“ berichtet, werden zunehmend junge Musiker schließlich von ihren Frauen vor die Alternative gestellt: Entweder er findet eine „ordentliche Arbeit“ oder sie „sucht sich für unsere Kinder einen anderen Papi...“ Auch lohne es sich nicht mehr, wenn man überhaupt Glück habe, Auftritte im Nachbarland Deutschland zu ergattern. Denn: Früher konnte man in Polen für hundert Mark einen Monat leben. Heute kriege man dafür in Polen höchstens eine gute CD.

Organisten mit Hochschulabschluss hatten sogar während der Stalinära im Kirchendienst ein gutes Auskommen. Heute kann kaum noch ein Organist von seiner Planstelle leben. Ein Glück, dass der Schuldienst nicht mehr kommunistisch ist und dort der Organist sein Salär auffüllen kann. „Super Express“ veröffentlichte gleichzeitig die neueste Gehaltsliste für Musiker. So verdient ein Orchestermusiker monatlich im Schnitt umgerechnet 350 bis 650 Mark. Nur die Warschauer Nationaloper und die Warschauer Nationalphilharmonie sowie das „Große Kattowitzer Rundfunkorchester“ zahlen zwischen 500 und 850 Mark monatlich. Zum Pflichtteil gehören dann bis zu sechs Konzerte oder Bühnenaufführungen monatlich. Außerplanmäßige Konzerte oder Bühnenaufführungen werden mit umgerechnet 40 bis 150 Mark honoriert. Werden Orchestermusiker und Vokalisten privat zu Hochzeiten und Trauerfeiern engagiert, so beträgt die Gage ab umgerechnet 50 Mark, wobei es unerheblich ist, wie viele Stücke gespielt oder gesungen werden. Die Gage eines Dirigenten pro Orchestervorbereitung plus Konzert beträgt zwischen umgerechnet 1.500 bis maximal 5.000 Mark. Steuern überall nicht eingerechnet.

Während des Musikstudiums wird dem jungen Musiker zumeist das notwendige Instrument von der Musikschule oder Musikakademie zur Verfügung gestellt. Spätestens bis zum Studienabschluss muss er ein eigenes Instrument haben, auf dem er das erste Vorspielen absolvieren kann. Und da ein Instrument zum Ausüben von ernster Musik genauso teuer ist wie in Deutschland, ist das ein sehr kostenintensives Unterfangen. Wobei, dank der eigenen Klavierindustrie, polnische Klaviere preiswerter sind, für polnische Verhältnisse dennoch hoch. Kostspielig ist auch das Zubehör. Und ebenso sind die Zeiten vorbei, da Notenmaterial relativ billig war.

 

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