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Die Kunst kommunaler Ausweichmanöver

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Wenn Recht und Wettbewerb die kommunale Kulturentwicklung bedrängen
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Kulturentwicklung braucht Gestaltungsspielräume. Wo sich nichts mehr ändern kann oder wo man nur noch dem Druck des Wettbewerbs ausgesetzt ist, dem man auszuweichen versucht, geht dieses freundlich-spielerische und experimentelle Potenzial verloren. Wird solcherlei Handeln gehemmt, gebremst oder stillgestellt, baut sich die kulturelle Muskelmasse langsam ab. Genau das ist in zunehmendem Maße der Fall an vielen Stellen unserer Gesellschaft. [aus nmz 3/2011]

Kommunen bauen im Bereich der freiwilligen Leistungen ihre Masse ab, in der Hoffnung, dass private Unternehmungen das Gleiche leisten könnten. Gemeindearbeit wird privatisiert. Die Kommunen machen dies unfreiwillig, Schuldenbremsen und Einnahmerückgänge aus Steuern verschiedenster Art lassen Haushalte in Schieflage geraten. Wenn man spart, dann praktischerweise an den freiwilligen Leistungen, denn dazu sind sie schließlich freiwillig. Ein bislang wenig beachtetes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Mai 2009 könnte allerdings Löschwasser auf diese Form von Kulturrodung kippen. Denn im Kern sagen die Richter aus Leipzig, dass freiwillige Leistungen doch nicht nur freiwillig sind, gerade im kulturellen, sozialen und traditionsbildenden Bereich.

Ungewöhnlich klar spricht das höchste deutsche Verwaltungsgericht: „Der Gemeinde steht es (…) nicht grundsätzlich zu, sich ohne Weiteres der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu entledigen. (…) Je länger die kommunale Verantwortung für derart geprägte öffentliche Einrichtungen [Einrichtungen mit kulturellem, sozialem und traditionsbildendem Hintergrund] dauerte, umso mehr ist die Gemeinde zu einer wirksamen Wahrnehmung dieser Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verpflichtet. (…) Aus dem Gebot der Sicherung und Wahrung des Aufgabenbestandes der Gemeinden ergibt sich, dass eine vollständige Übertragung von Aufgaben besonderer sozialer, kultureller und traditioneller Prägung, wie ein Weihnachtsmarkt, an Dritte nicht zulässig ist.“ Ist die ganze Privatisierungswelle von Gemeinden im kulturellen Bereich also gesetzeswidrig?

Eigentlich müssten alle, die in diesem Bereich engagiert sind und sich der Gefahr einer Privatisierung gegenübersehen oder -sahen, frohlocken! Hat man doch endlich einmal schwarz auf weiß, dass man auf diese Weise mit den entsprechenden Einrichtungen nicht umgehen kann, und könnte nun klagen gehen.

Die Konsequenzen scheinen zunächst für die Kulturschaffenden sehr erfreulich zu sein, auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch für die Kommunen, dass sie es sich künftig zwei- oder dreimal überlegen müssen, in diesem Bereich Engagement zu zeigen, weil damit demnächst womöglich unkalkulierbare Haushaltsrisiken verbunden sind. Wird auf diese Weise der Handlungsspielraum von vornherein eingeengt, kann auch der gesellschaftliche Muskel „Kultur“ paralysiert werden. Ein Urteil, das sein Gift erst nach und nach abgibt? Oder doch eine Chance gegen wild wuchernde Privatisierungspläne ängstlicher Kämmerer?

Anders herum droht auch Gefahr von privater Seite. In Hamburg führt der Verband Deutscher Konzertdirektionen (VDKD) Klage gegen die Elbphilharmonie und das Land. Der Konzertmarkt werde durch die „massive öffentliche Subventionierung“ der Elbphilharmonie verzerrt, so der VDKD. Die Elbphilharmonie etwa könne dadurch Konzerte unter dem Einstandspreis kalkulieren, und der VDKD will dies an 15 Beispielen belegt haben. Verschärft werde in Hamburg die Situation insbesondere dadurch, dass man sich Spielstätten teile. Wer wäre so dumm und besuchte vergleichbare Konzerte bei den teureren privaten Veranstaltern? Eben. Deshalb stellt sich der VDKD vor, dass sich die Elbphilharmonie mit Dingen beschäftigen möge, die nicht den „Wettbewerb des freien Marktes“ störten: Konzerte mit Nachwuchsensembles oder -dirigenten zum Beispiel. Die mit öffentlichen Mitteln geförderten Einrichtungen sollen also bloß noch (oder vor allem) Aufgaben erledigen, die nicht von privater Seite ebenso gut abgedeckt werden; und damit ist etwas Wahres getroffen. Noch genauer trifft dieser Vorwurf übrigens auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu, der, statt Programm zu machen, sich immer häufiger als bloßer Wettbewerbsgegner gegenüber privaten Anbietern versteht. Generalisiert hätte das aber zur Konsequenz, dass öffentliche Einrichtungen zu reinen Wettbewerbsflüchtern und Nischenbesetzern funktionalisiert würden. Das kann es ja auch nicht sein. Gestaltung braucht Raum.

Die Entscheidung über die Klage des VDKD erwartet man für den Sommer dieses Jahres. Das andere Urteil steht als potenzielle Drohung für alle Beteiligten im Raum. Einmal darf man sich der Aufgaben nicht entledigen, im nächsten Moment soll man genau dies, weil ein privater Wettbewerber in Konkurrenz tritt. Beginnt nun die wilde Jagd auf die letzten Gestaltungsräume in der kommunalen Kulturpolitik?

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