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Die unbequemen Pfade nicht scheuen

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Zum achtzigsten Geburtstag des Musikbewegers Bruno Tetzner
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Ein sehr lebendiges Zeugnis mehr als halbzentenarer kultur- und jugendpolitischer Wirkungsgeschichte wird 80! Professor Bruno Tetzner, langjähriger Direktor und Motor der Akademie Remscheid, vollendet am 6. Februar sein 80. Lebensjahr. Tetzner, von einem Laudator einmal liebevoll als „Ritter Bruno von Küppelstein“ apostrophiert, kann auf sein Lebenswerk mit Freude und Gelassenheit zurückblicken, auch ein wenig mit Stolz: die Akademie Remscheid für Musische Bildung und Medienerziehung bildet nach wie vor eine Drehscheibe für Visionen im Bereich Jugendkultur und für deren Gestaltungsräume.

Die von Bruno Tetzner initiierten und strukturierten Organisationen auf Landes- und Bundesebene wie etwa die BKJ sind mehr denn je Sensorium und Impulsgeber für Diskurse und Modelle in der zunehmend differenzierten Landschaft von Jugendarbeit und Jugendpolitik. Die erfolgreiche und zukunftsgerichtete Arbeit dieser Organisationen kann natürlich in dem steten gesellschaftlichen und politischen Paradigmenwechsel nur bestehen, weil die heutigen Akteure eigene, kreative, den Erfordernissen von Gegenwart und naher Zukunft gemäße Vorstellungen und Zieldefinitionen entwickeln und mit heutigen Möglichkeiten realisieren.

Die heute Verantwortlichen haben zumeist von und an Bruno Tetzner gelernt, wie man es macht, zuweilen auch, wie man es anders vielleicht noch besser machen könnte. Denn: Bruno Tetzner fordert seine Gesprächspartner immer heraus, eigene Wege zu suchen, neue Ansätze auszuprobieren, Spielfelder zu erforschen, unbequeme Wege nicht zu scheuen, sich selbst infrage zu stellen. Viele konnten und können lernen, dass und wie Kontinuität und Wandlungsbereitschaft keine Gegensätze sind, sondern sich bedingende Konstituenten, wenn Prozesse und Diskurse konzipiert, entwickelt und gestaltet werden sollen.

Bruno Tetzner war und ist kein glattgeschliffener Funktionär: seine Ecken und Kanten, sein Profil, seine Persönlichkeit haben Spuren hinterlassen, sowohl in der Auseinandersetzung mit der Welt der Ideen, der Konzepte, der Praxis als auch im Umgang mit Freunden, Kollegen, Mitarbeitern. Man ahnt nach einer Begegnung mit Bruno Tetzner häufig das Gefühl, dass Nebensächliches nicht mehr so dominant wie im sonstigen Alltag wirkt, dass man sich besser wichtigen Fragen und Themen zuwenden zu können glaubt, dass man innerlich den Staub abklopfen konnte.

Bruno Tetzners Wirken war und ist ein Netzwerk – lange bevor dieser Begriff so inflationäre Verwendung gefunden hat. Seine politische Geländegängigkeit und Witterung von Veränderungen mündeten immer rechtzeitig in Grundsatzpapiere und Positionsbestimmungen, die Anschaulichkeit und politische Wirksamkeit im Blick hatten.

Dass die in seinem Alter bei so aktiver Konstitution natürliche Wiedererkennung von Entwicklungen, die für unsere Generation neu erlebt werden, aber für ihn vor 30/40 Jahren bereits prinzipiell ähnlich verlaufen sind, auch wenn sie heute in anderem Gewand daherkommen, für ihn nicht einfach Déja-vu-Erlebnisse sind, charakterisiert seine Persönlichkeit, seine Gegenwartsoffenheit, seinen Realitätssinn. Er war und ist immer neuen Entwicklungen aufgeschlossen, zuweilen innovationsverliebt, manchmal wie ein Kind technik- oder computerbegeistert. Seine Bereitschaft, sich mit anderer Kultur zu befassen (ob in Moskau oder in Japan), interkulturelle Ansätze zu verfolgen, das Fremde näher zu bringen, ist sicher ein weiterer starker Lebensimpuls für Bruno Tetzner.

Seine Stationen aufzuzählen, ist der kleinen Festschrift zu seinem Geburtstag vorbehalten. Daher sei nur genannt, dass er im Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen lange Jahre Vizepräsident und mit Starzinger, Müller-Heuser, Read und einigen anderen dessen eigentlicher Gründer war. Auch wenn er zum Gründungszeitpunkt nicht die von ihm gewünschte Personalkonstellation erreichen konnte, blieb er der Idee und unverbrüchlich treu und hat über 20 Jahre wichtige Impulse im Landesmusikrat spürbar werden lassen. Im Deutschen Musikrat vollzog er vor fast 40 Jahren mit Klaus Bernbacher quasi einen Aufstand der „Jungtürken“, gegen die nach-adenauersche Staubtrockenheit des Musikrates unter Werner Egk. In der Folge war er beziehungsweise waren sie Motor einer Neu-Strukturierung der Musikverbandslandschaft, betrieben die Initiierung und Einrichtung der Landesmusikräte. Lange Jahre hat er dem Verwaltungs- und Planungsbeirat des Deutschen Musikrates angehört. Von den jugendpolitischen Verbänden und Einrichtungen, die er ins Leben gerufen hat oder denen er angehört hat, kann man nur die wichtigsten nennen: Arbeitskreis Musik in der evangelischen Kirche, Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, Institut für Bildung und Kultur, Deutscher Kulturrat (über den Rat für Soziokultur) und Landeskulturrat Nordrhein-Westfalen, Stiftung Deutsche Jugendmarke, Bundesjugendkuratorium und – und – und ...

Immer aber war und ist er auch selber Musiker: in dem lokalen Umfeld seiner Kirche und seines Chores hat er nach wie vor seine musikalischen Wurzeln, seine Heimat, sein musikalisches Ausdrucksfeld, auch ein wenig Kraftquelle.

Kraftquelle?! Bruno Tetzner sagte vor etwa 15 Jahren auf die Frage, was ihn zu so vielfältigen Aktivitäten veranlasse, einen Satz, den ich nie vergessen werde: „Nach Kriegsende (er war 23) ging ich, aus der Gefangenschaft entlassen, zurück ins Bergische Land, zu Fuß, durch die Wälder, die den unerträglich süßlichen Geruch der vielen nicht begrabenen Leichen ausströmten – da habe ich mir vorgenommen, dass ich alles mir Mögliche tun will, um Jugend nicht wieder so verführbar werden zu lassen, wie es in den Jahren zuvor möglich war und grausame Wirklichkeit wurde.“
Bruno Tetzner hat sehr viel dafür getan!

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