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Die Zukunft der Orchester ist ihr Publikum

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Beobachtungen beim Deutschen Orchestertag in Berlin
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Da stehen sie, die Verbandsvertreter, und können nicht anders. Die Herren an der Spitze des organisierten Orchesterwesens in Deutschland, Rolf Bolwin (Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins) und Gerald Mertens (Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung) vermögen ebenso wenig über die Schatten ihrer hauptamtlichen Funktionen zu springen wie zum Beispiel die Generalsekretäre der Parteien. Und da sie ebenfalls auftrittserfahren und eloquent sind, läuft der erste Deutsche Orchestertag am 3. November in Berlin ähnlich ab wie eine Talkshow bei Sabine Christiansen – oder auch ein Wunschkonzert im Stadttheater: Die Rollen sind verteilt und einstudiert, man hört viel Vertrautes, wenig Neues, fühlt sich eher entspannt als angeregt. Erst einige Gastreferenten und Diskutanten sind es dann, die aufhorchen lassen.

Erklärtes Ziel der Initiatoren war es, den seit 1997 in informellen regionalen Arbeitskreisen praktizierten Meinungs- und Erfahrungsaustausch von Manager/-innen deutscher Kulturorchester nun „auf breiter Ebene fortzusetzen und die Interessen der über 150 deutschen Kulturorchester zu artikulieren und zu akkumulieren“. Dabei sollten „aktuelle Entwicklungen und Strategien der Tarifpolitik“ erörtert werden „ebenso wie kulturpolitische Themen“. Dass beides auch, sogar erheblich, miteinander zusammenhängt, klang immerhin im Verlauf der Tagung mehrfach an, beispielsweise als die Äußerung von Kultur-Staatsministerin Christina Weiss über eine „weltfremde Verwöhnlandschaft Orchester“ – gemeint war der Orchester-Tarifvertrag TVK – zitiert und von Mertens zunächst als „populistisch und wenig hilfreich“ zurückgewiesen wurde. Wenigstens aus dem Teilnehmerkreis kam der Hinweis, dass die zunehmend prekäre Lage vieler Orchester im Zusammenhang gesehen werden muss nicht nur mit der vielfach desaströsen Finanzlage der Kommunen, sondern mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen.

Monika Griefahn (SPD), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, wurde ebenfalls deutlich: „Es geht um das Überleben der Orchester, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.“ Die Prioritäten werden dabei nämlich vor Ort gesetzt und da ist Kultur immer noch eine freiwillige Leistung. „Den traditionellen Status der Orchester im Gemeinwesen kann man nicht zementieren“, und so wird es auch in Sachen Kunst und Kultur mehr denn je um das Spiel von Angebot und Nachfrage gehen. Um die Nachfrage nicht verebben zu lassen, fordert Griefahn: „Musikpädagogen müssen her!“ Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass die Zukunft der Orchester mit der Entwicklung unseres Bildungswesens verknüpft ist, in dem sie selbst eine Rolle spielen müssen.

Um Beispielhaftes aus dem Ausland zu erfahren, hatte man gleich zwei Referenten aus England eingeladen: Russell Jones, Präsident der Association of British Orchestras, berichtete über seine noch junge Organisation, „small but perfectly formed“ – deren Vorstand satzungsgemäß neben sechs Orchesterintendanten auch zwei orchester-externe Mitglieder angehören; so kann man eher der Gefahr entgehen, die Interessen und Probleme immer nur aus der Innenperspektive zu definieren und zu behandeln.

Paul Rissmann, Komponist und derzeit hauptamtlich als Trainer für Kinder- und Jugendarbeit beim London Symphony Orchestra tätig, erläuterte in einer von drei parallelen Arbeitsgruppen die Grundzüge und Systematik pädagogischer Musikereinsätze und Orchesterveranstaltungen in seinem Land, in dem Orchester grundsätzlich nicht mehr gefördert werden, wenn sie „nur traditionelle Konzerte für die Mittelklasse“ spielen.

Kinder- und Jugendprogramme sind zwar auch für Orchesterdirektoren oder -geschäftsführer in Deutschland inzwischen kein ganz fremdes Gebiet mehr; häufig allerdings kann man sich bei genauerem Hinsehen und Hinhören des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich dabei immer noch um Stiefkinder im Konzertwesen handelt, um Aktivitäten, in die wenig investiert wird an konzeptueller Energie, gestaltender Fantasie und zielorientierter Programmplanung. Anders als in England oder in den USA leisten sich in Deutschland die allerwenigsten Orchester einen oder gar mehrere Mitarbeiter für Aufgaben, die von der traditionellen Orchesterroutine abweichen, denen man sich daher aber gerade mit spezieller Professionalität und besonderem Geschick widmen sollte. Dabei wächst, so wurde auch in der Schlussdiskussion der Tagung zutreffend festgestellt, die Bedeutung der pädagogischen Aufgaben aller Orchester umso mehr, als immer weniger Musikunterricht in den Schulen von ausgebildeten Fachlehrern erteilt wird.
Auf der Tagungsmappe prangte unübersehbar das Logo des „Orchestra Planning and Administration System – „OPAS“. Am Ende war es dann doch nicht ganz und gar Opas Deutscher Orchestertag, dank einiger Akzentsetzungen. Doch schließlich zählt, was hinten herauskommt – wie beim Waldhorn.

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