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Dirigent Gustav Kuhn und sein Wiener Mäzen präsentieren den Rohbau des neuen Erler Festspielhauses

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Erl - Die Tiroler Festspiele in Erl werden erwachsen: Mit dem neuen Winterfestspielhaus wird das vom Dirigenten und Regisseur Gustav Kuhn geleitete Festival in dem kleinen Ort am Inn zwischen Rosenheim und Kufstein erstmals über ein dauerhaftes Domizil für einen ganzjährigen Spiel- und Probenbetrieb verfügen. Die Eröffnung des Hauses ist für den 26. Dezember geplant.

Hans Peter Haselsteiner ist nicht nur in Österreich eine große Nummer. Immerhin leitet er mit der Strabag SE einen der größten Baukonzerne Europas. Den führt der Patriarch, der auch mal für eine liberale Partei im österreichischen Parlament saß, wie ein Familienunternehmen. Seine soziale und schöngeistige Seite lebt Haselsteiner - Vertraute dürfen ihn HPH nennen - als Präsident und Mäzen der Tiroler Festspiele in Erl aus. Jetzt schenkt der Unternehmer dem vom Dirigenten und Regisseur Gustav Kuhn geleiteten Festival, das vor allem mit großen Wagner-Inszenierungen überregional Furore machte, ein eigenes Festspielhaus.

Von außen ist der Bau, der wie ein Sporn aus Stahl, Glas und Beton aus einem Berghang direkt neben dem alten Erler Passionsspielhaus ragt, schon fast fertig. Die moderne Architektur des Wiener Büros Delugan Meissl Associated Architects im gemäßigt dekonstruktivistischen Stil macht sich gut neben dem nicht nur wegen seiner herausragenden Akustik gerühmten Gebäude aus den 1950er Jahren. Von der Terrasse des Sporns wird man bei einem Gläschen Sekt einen grandiosen Blick auf das Inntal und die bayerische Bergwelt haben. Solch ein Foyer hatte das alte, überdies nicht klimatisierbare Haus mit seinen spartanischen Holzbänken nicht zu bieten. Von den großzügigen Probensälen und dem angeblich größten Orchestergraben der Welt ganz abgesehen.

Der künstlerische Tausendsassa Kuhn, ein Schüler Herbert von Karajans und eigenwilliger Impresario, hat das Festival seit der Gründung 1998 ganz auf sich zugeschnitten. Unter Mitwirkung von einheimischen Statisten bringt er jeden Sommer große Opern und ausladende Symphonik auf die Bühne. Seine ambitionierten Inszenierungen der Opern Richard Wagners, insbesondere die Non-Stop-Aufführung der Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" in nur 24 Stunden von 2005, trugen Erl gar den Ruf eines alpinen Bayreuths ein. Ansonsten tummelt sich Kuhn überwiegend in Italien, an seiner künstlerischen Nachwuchsschmiede Academia di Montegral und als Leiter des Haydn-Orchesters von Bozen und Trient in Südtirol.

"Ein Glücksfall"

Am Dienstag saßen die beiden Alphatiere im Rohbau des neuen Winterfestspielhauses und hielten Hof vor einer beachtlichen Journalistenschar. Das Bauprogramm sei zwar ehrgeizig, sagte Haselsteiner, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass das Haus am 26. Dezember mit den ersten Erler Winterfestspielen eröffnet werden könne.

Die neue Spielstätte mit 862 Sitzplätzen sei ein "Glücksfall" für das Tiroler Kulturleben, schwärmte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. "Damit brauchen wir national wie international keinen Vergleich zu scheuen." Kuhn sprach von einer "Lebensidee", die er nun zusammen mit Haselsteiner, der seit 2005 Präsident der Tiroler Festspiele ist, umsetzen könne: "Erstmals Oper so spielen zu können, wie wir uns das vorstellen."

Kuhn erläuterte, das neue Haus sei vor allem für Werke des Barock, der frühen Klassik, des Belcanto und Zeitgenössisches bestimmt. Das Wagner-Repertoire werde neben großen symphonischen Stücken weiter im Passionsspielhaus aufgeführt.

Mozart und Bach auf dem Spielplan

Auf dem Spielplan der ersten Winterfestspiele vom 26. Dezember bis 6. Januar 2013 stehen Neuinszenierungen von Giuseppe Verdis "Nabucco", Wolfgang Amadeus Mozarts "Le nozze di Figaro" sowie Béla Bartóks Einakter "Herzog Blaubarts Burg". Dazu kommen große Messen, unter anderem Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe und Ludwig van Beethovens "Missa Solemnis". Außerdem ist ein Silvester- und ein Neujahrskonzert geplant.

Die Kosten des Hauses belaufen sich auf rund 36 Millionen Euro. Jeweils acht Millionen Euro tragen das Land Tirol und die österreichische Bundesregierung. Der Rest wird von der auf kulturellem und sozialem Gebiet aktiven Haselsteiner Familien-Privatstiftung geschultert, die auch den laufenden Unterhalt und die Kosten für den Spielbetrieb finanziert.

Die Erler Festspiele, sie werden jetzt endgültig erwachsen. Ihr provisorischer Charme als Geheimtipp unter den zahllosen Festivals im süddeutsch-österreichischen Raum könnte dabei auf der Strecke bleiben.
 

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