Bochum - Bereits in der ersten Spielzeit der Ruhrtriennale unter der Intendanz von Stefanie Carp im vergangenen Jahr las sich das Programm trotz einiger bekannter Namen wie etwa William Kentridge etwas mühsam. Die Zeiten, in denen neben den für die Ruhrtriennale so typischen Kreationen auch große Werke aus dem Opern- und Theaterrepertoire in den Industriehallen neu befragt wurden, sind ganz offensichtlich einstweilen vorbei.
Denn auch in diesem Jahr setzt Carp unter dem Motto «Zwischenzeit» auf systemkritische, politisch akzentuierte Produktionen vor dem Hintergrund einer pessimistischen Bestandsaufnahme der Gegenwart. Fotos von weltweiten Krisenorten illustrieren das Programmbuch. Nach der Untersuchung der Perspektiven des globalen Südens und Fragen nach der kolonialen Vergangenheit Europas stehen nun Aspekte europäischer Selbstkritik im Zentrum der Programmdramaturgie.
Den Auftakt liefert eine Produktion in der Regie des «Artiste associé» Christoph Marthaler, die bewusst mit einem Grundprinzip der Ruhrtriennale bricht. Denn «Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend» geht nicht in einer der strukturgewandelten Industriehallen über die Bühne, sondern im Audimax der Ruhr-Universität Bochum.
In einem Interview mit der «Rheinischen Post» hat die Intendantin diesen Bruch mit der Tradition des Festivals gerechtfertigt: «Alle anderen Arbeiten finden ja in Industriehallen statt und man kann auch mal Ausnahmen machen. Christoph Marthalers Arbeit halluziniert ein imaginäres Weltparlament.» Das Audimax habe großartig gepasst. Es habe direkt mit der Industriegeschichte der Region zu tun, da die Universitäten anstelle der Zechen gebaut wurden, als Teil des Strukturwandels.
Marthalers «Spätabend» verwendet dokumentierte politische Reden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und Arbeiten von in der Nazizeit verfemten Komponisten. Eine weitere zentrale Produktion dieses Festivaljahrgangs ist «All the good» von Jan Lauwers' Needcompany in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck, die vor dem autobiografischen Hintergrund des mitwirkenden israelischen Elitesoldaten und Kriegsveteranen Elik Niv, der heute Tänzer ist, über Terror und Krieg nachdenkt.
Ein Wiedersehen mit dem einstigen Festival-Intendanten Heiner Goebbels verheißt seine Produktion «Everything that happened and would happen» in der Bochumer Jahrhunderthalle. Sie verspricht mit Musik, Licht, Performance, Sprache, Objekten und Filmen eine multimediale Installation, die auf die Geschichte der vergangenen hundert Jahre seit dem Ersten Weltkrieg zurückblickt. Auf bekannte Klänge bezieht sich David Martons Musiktheater-Projekt «Dido and Aeneas, remembered» in der Duisburger Kraftzentrale, der sich als Echo der Oper «Dido and Aeneas» von Henry Purcell versteht.
Insgesamt bietet die Ruhrtriennale vier Musiktheater-Produktionen, sechs im Bereich Schauspiel/Performance, vier Tanz-Produktionen und darüber hinaus Konzerte, zahlreiche Kunst-Projekte zwischen Installation und Diskurs und Diskussionen. Unter dem Titel «Junge Triennale» gibt es Angebote für die jüngere Generation.