Lange Zeit steuerte er die Geschicke der zweitgrößten ARD-Anstalt. Künftig will er das Steuer auf einem Boot übernehmen und dafür einen Segelschein machen. Peter Boudgoust hat sich vom SWR verabschiedet, aber auch mit 65 ist er noch nicht ganz im Ruhestand angekommen.
Zwölf Jahre lang hat er den Südwestrundfunk geleitet, jetzt ist er in die Rolle des Zuschauers, Hörers und Nutzers gewechselt. Peter Boudgoust sieht darin Vor- und Nachteile: „Ich vermisse den alltäglichen Kontakt zu vielen Kolleginnen und Kollegen. Die vielen Schaltkonferenzen und Dienstreisen vermisse ich nicht.“ Seinen 65. Geburtstag will er am Montag (16.12.) so feiern, wie er auch als Intendant aufgetreten ist: ruhig und bescheiden, ohne großes Tamtam.
Sein Nachfolger Kai Gniffke, seit September im Amt, hat einige Änderungen in der zweitgrößten ARD-Anstalt angekündigt. Bei der Stabübergabe machte er aber auch deutlich, dass er seinem Vorgänger vieles zu verdanken habe. Zum Beispiel das digitale Jugendangebot funk, mit dem ARD und ZDF ein junges Publikum im Netz erreichen.
Zudem geordnete Finanzen: Boudgoust baute mit Bedacht Hunderte Planstellen ab, ohne dass es zu Verwerfungen in der Zwei-Länder-Anstalt kam.
Seit der Fusion von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk 1998 gab es im SWR immer wieder argwöhnische Auseinandersetzungen zwischen den Hauptstandorten Stuttgart, Mainz und Baden-Baden. Boudgoust wirkte vermittelnd und ausgleichend. Die für ihn „vermutlich schwierigste Entscheidung“ in seiner Amtszeit war die Zusammenlegung der beiden SWR-Orchester in Stuttgart und Freiburg. Er kassierte dafür viel Kritik, sieht sich heute aber bestätigt: Statt „zwei gute Orchester langsam ins Mittelmaß zu sparen“, feiere das SWR-Symphonieorchester mit großer Qualität viele Erfolge.
Kritiker verbanden den Boudgoust-Kurs mit einem Trend zu mehr Unterhaltung und Entpolitisierung. Bei der Abschiedsfeier im September forderte die Festrednerin Diemut Roether mehr „unbequeme Inhalte“, weniger „Wohlfühlprogramm“ mit „kochenden Landfrauen“.
Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft, steht für Boudgoust außer Frage: „Er bleibt auch in Zukunft attraktiv, weil wir in den Regionen verwurzelt sind.“ Zugleich nehme aber auch die individuelle Nutzung von Medieninhalten neuer Wettbewerber wie Netflix und Amazon zu. „Wir werden in fünf bis zehn Jahren das lineare Programm primär als Schaufenster nur noch nutzen für das, was dann non-linear abgerufen wird“, prophezeite Boudgoust, der auch zwei Jahre lang ARD-Vorsitzender war, bei seiner letzten SWR-Jahrespressekonferenz.
Im Unterschied zu Gniffke ist der gebürtige Mannheimer in Baden-Württemberg verwurzelt: Jura-Studium in Heidelberg und Mannheim, Sozialdezernent im Main-Tauber-Kreis, Pressesprecher im Regierungspräsidium Stuttgart, dann im Staatsministerium der Landesregierung. 1995 wurde er Justiziar und Finanzdirektor beim SDR in Stuttgart. Mit seinem Wohnsitz am Rande der Schwäbischen Alb bleibt er der Region auch nach seinem Abschied verbunden.
Noch ist er nicht ganz im Ruhestand, in dem er unter anderem einen Segelschein machen will. Bis Ende 2020 arbeitet er weiter als Präsident des öffentlich-rechtlichen Senders Arte. „Meine Zeit kann ich dafür jetzt intensiver nutzen“, sagt er. „Arte ist längst mehr als ein deutsch-französischer Fernsehsender, sondern bietet viele digitale Angebote, einen Gutteil davon in sechs europäischen Sprachen. So erreichen wir 70 Prozent unserer europäischen Nutzer in ihrer Muttersprache.“