Sie stehen dicht an dicht und singen. Corona hat es Chören schwer gemacht. Kaum Proben, keine Auftritte. Einige retten sich ins Freie, doch die Chorgröße setzt Grenzen. Lichtblicke gibt es aber auch.
Aufwendige Open Air-Proben ohne Aussicht auf Auftritte: Die Corona-Pandemie und ihre Regeln beschert Sachsen-Anhalts Chören seit Monaten harte Zeiten. Einige beginnen wieder zu proben – doch das Singen vor Publikum steht auf lange Sicht erst einmal nicht an. „Es gibt zwar keine expliziten Verbote für Proben oder Auftritte, doch die einzuhaltenden Regeln bedeuten tiefe Einschnitte ins Chorleben“, sagte der Präsident des in Bernburg ansässigen Chorverbandes Sachsen-Anhalt, Reiner Schomburg, der Deutschen Presse-Agentur.
Chöre könnten unter Einhaltung der Regeln zusammenkommen, wenn sie das möchten. „Das entscheiden letztendlich der Leiter oder die Leiterin und die Sängerinnen und Sänger. Wir empfehlen klar das Proben im Freien.“ Wer dennoch in Räumen ohne Klimatisierung singt – kleine Chöre könnten das durchaus tun – sollte laut Schomburg alle 30 Minuten durchlüften. Außerdem sollten keine Text- und Notenblätter ausgetauscht, Nötiges desinfiziert und außerhalb des Singens Schutzmasken getragen werden.
Proben über das Internet seien für mehr als 90 Prozent der 350 Chöre im Verband nicht umsetzbar. „Die meisten Chormitglieder sind älteren Jahrgangs“, sagte Schomburg. „Da fehlt es einfach an der Technik und am Wissen.“ Gleichwohl sei das Internet aber eine gute Möglichkeit, Kontakt zu halten, was in diesen Zeiten ganz wichtig sei. Schomburg ist sich sicher: „Das „Projekt Chor“ wird an Corona nicht scheitern. Wir durchleben eine mittelfristig schwere Zeit, aber die sozialen Gefüge sind so stark, dass sie das aushalten.“
Ob an der frischen Luft mit Abstand gemeinsam gesungen werden kann, hänge vor allem von der Größe des Chores ab. Der Leiter des 150-köpfigen Oratoriumschores der evangelischen Paulusgemeinde in Halle schließt das aktuell für seine Singgemeinschaft aus. „Wir hatten im Februar die letzte Probe“, sagte Kirchenmusikdirektor Andreas Mücksch. “Seitdem herrscht Stillstand. Frust statt Freude eben.“ Mücksch weiß, dass die Sängerinnen und Sänger gern wieder zusammenkommen würden – das würden sie ihm ständig sagen. „Aber aktuell ist das nicht machbar. Ich möchte nicht aus falschem Ehrgeiz oder Unvernunft einen Hotspot schaffen.“
Normalerweise würde der Pauluschor sich jetzt auf die Advents- und Weihnachtszeit und auf den Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main vorbereiten. „Wir wollen gut sein“, sagte Mücksch. „Doch wir haben jetzt schon einen großen Rückstand.“ Er mache sich auch Sorgen, dass die Mitglieder sich andere Hobbys suchen und möglicherweise die Lust am Chorsingen verlieren. „Vielleicht müssen wir einige Leute irgendwann zurückgewinnen.“ Gerade grübele er über ein Konzept nach, um ohne Ansteckungsgefahr proben zu können. „Wir könnten das in Einzelstimmen tun. Aber das Singen im Freien in Gruppen und das Proben mit dem ganzen Chor ist nicht dasselbe.“
Der Volkschor Magdeburg ist um einiges kleiner als der Pauluschor.
Kürzlich stand nach mehr als vier Monaten die erste Gesamtprobe der 46 Mitglieder an – im Freien. Zuvor hätten sie sich nach eigenen Angaben immer in Stimmgruppen aufgeteilt getroffen. Der Grund für die große Chorprobe ist das Magdeburger Chorfest Mitte Oktober, das stattfinden wird. Sprecherin Kathrin Singer verrät das Motto, das in die Zeit passt: „Mit Abstand klangvoll.“ „Das Chorfest in Magdeburg ist zu einer Institution für den Laiengesang in der gesamten Region geworden“, sagte sie. So ein Fest zu veranstalten, sei gerade jetzt ein Signal für alle Chöre im Land.