München - Seit Monaten sind Theater und Opernhäuser geschlossen. Musiker sehen dadurch die Kunstfreiheit verletzt. Jetzt hat der Bayerische Gerichtshof über einen Eilantrag der Initiative «Aufstehen für die Kunst» entschieden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat einen Eilantrag mehrerer Musiker gegen die Schließung von Kultureinrichtungen in der Corona-Krise abgelehnt. «Der Eingriff in die Kunst- und Berufsfreiheit der Antragsteller erweise sich im Hinblick auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit einer Vielzahl von Menschen (...) als erforderlich und angemessen», teilte das Gericht am Donnerstag mit.
Der VGH sah auch keine Ungleichbehandlung der Kultur. «Teilnehmer bei Versammlungen und Besucher von Gottesdiensten übten aktiv ihre Versammlungs- beziehungsweise Religionsfreiheit aus, während der Genuss von Kunst und Kultur nicht von der Kunstfreiheit selbst geschützt sei», entschied das Gericht.
Derzeit gebe es ein «diffuses Infektionsgeschehen» und ein Gesamtkonzept, das zum Ziel habe, soziale Kontakte und den Bewegungsradius der Bürger einzuschränken. Darum «komme es nicht entscheidend darauf (an), ob in Kultureinrichtungen in der Vergangenheit bereits Infektionen nachgewiesen worden seien», teilte der Verwaltungsgerichtshof mit. Zu den von den Antragstellern angeführten Hygiene- und Lüftungskonzepten fehlten noch gesicherte Erkenntnisse. Entsprechende Studien seien noch nicht abgeschlossen.
23 Musikerinnen und Musiker der Initiative «Aufstehen für die Kunst» hatten versucht, mit einem Eilantrag die Öffnung der Bayerischen Staatsoper und der Philharmonie in München zu erreichen. Darunter waren unter anderem die Sopranistin Marlis Petersen, der Bass Christof Fischesser und der Tenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, alle drei erst kürzlich zu hören im Livestream der neuinszenierten Oper «Rosenkavalier» an der Staatsoper.
Die Künstler richten sich gegen die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Das darin geregelte pauschale Konzert- und Aufführungsverbot sowie die generellen Schließungen von Theatern, Opern und Konzerthäusern verstoßen ihrer Ansicht nach gegen die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit.
Neben dem Eilantrag hatte die Initiative «Aufstehen für die Kunst» auch eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Unterstützer sind unter anderem die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und der Bariton Christian Gerhaher. Ihrer Ansicht nach wird die Kultur etwa gegenüber dem Einzelhandel oder den Kirchen zu Unrecht benachteiligt. Auch Friseure seien geöffnet worden. Dabei sei das Risiko in Theatern angesichts der guten Belüftungssysteme und Hygienekonzepte minimal.
Die Popularklage ist eine bayerische Besonderheit. Jeder Bürger kann sich damit an den Verfassungsgerichtshof in München wenden und prüfen lassen, ob ein Gesetz oder eine Verordnung des Landesrechts mit der Landesverfassung in Einklang stehen.
[update, 18.4.]
Musiker wollen Urteil zu Kulturschließungen nicht hinnehmen
Seit Monaten sind Theater und Opernhäuser geschlossen. Musiker sehen dadurch die Kunstfreiheit verletzt - und wollen sich mit einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht zufrieden geben.
München (dpa/lby) - Nach der Ablehnung ihres Eilantrags gegen die Schließung von Kultureinrichtungen in der Corona-Krise erwägt die Initiative «Aufstehen für die Kunst» weitere juristische Schritte - und sogar den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. «Wir überlegen in diese Richtung», sagte der Bariton Christian Gerhaher, der die Initiative gemeinsam mit anderen Musikern ins Leben gerufen hat, der Deutschen Presse-Agentur in München. Auch die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichtes sei für ihn denkbar. «Wenn Juristen über Kunst urteilen und nicht verstehen, was Kunst bedeutet, dann sehe ich die Freiheit der Kunst erschreckend gefährdet.»
Am Donnerstag hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Eilantrag mehrerer Musiker der Initiative gegen die pandemiebedingte Schließung von Theatern, Opern- und Konzerthäusern abgelehnt. «Der Eingriff in die Kunst- und Berufsfreiheit der Antragsteller erweise sich im Hinblick auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit einer Vielzahl von Menschen (...) als erforderlich und angemessen», teilte das Gericht mit.
Nach Ansicht von «Aufstehen für die Kunst» wird die Kultur etwa gegenüber dem Einzelhandel oder den Kirchen zu Unrecht benachteiligt. Auch Friseure seien geöffnet worden. Dabei sei das Risiko in Theatern angesichts der guten Belüftungssysteme und Hygienekonzepte minimal.
Dass der VGH dieser Argumentation nicht folgte und betonte: «Teilnehmer bei Versammlungen und Besucher von Gottesdiensten übten aktiv ihre Versammlungs- beziehungsweise Religionsfreiheit aus, während der Genuss von Kunst und Kultur nicht von der Kunstfreiheit selbst geschützt» sei, kann Gerhaher nicht nachvollziehen.
«Hanebüchen» nannte er das. «Hier geht es doch nicht um so etwas wie kulinarischen Genuss», sagte er. «Es kann nicht sein, dass Kunst und Kultur unabhängig vom Publikum gedacht werden.» Auch die Interpretationen, die Zuschauer am Werk vornähmen, gehörten seiner Ansicht nach untrennbar dazu. «Die Rolle der Kunst wird von den bayerischen Gerichten völlig falsch beurteilt.» Er forderte eine Klärung dessen, was Kunst bedeutet. Denn: «Die Kunst wurde hier in ihrem Wesen nicht begriffen.»